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Die Markgrafschaft

3

Heilige Nacht / Von Selma Lagerlöf

Es war an einem Weihnachtstag. Alle waren
zur Kirche gefahren außer Großmutter und mir.
Wir hatten nicht mitfahren können, weil die eine
zu jung, die andere zu alt war, und waren betrübt
, daß wir nicht am Mettegesang teilnehmen
und die Weihnachtslichter sehen konnten.

Wie wir so in unserer
Einsamkeit saßen, fing
Großmutter zu erzählen
an.

„Es war einmal ein
Mann", sagte sie, „der in
die dunkle Nacht hinausging
, um sich Feuer zu
leihen. Er ging von Haus
zu Haus und klopfte an.
,Ihr lieben Leute, helft
mir1/ sagte er. ,Mein Weib
hat eben ein Kindlein
geboren, und ich muß
Feuer anzünden, um sie
und den Kleinen zu erwärmen
'. Aber es war
tiefe Nacht, so daß alle
Menschen schliefen, und
niemand antwortete ihm.
Der Mann ging und ging.
Endlich erblickte er in
der Ferne einen Feuerschein
. Da wanderte er
dieser Richtung zu und
sah, daß das Feuer im
Freien brannte. Eine
Menge weißer Schafe lagen
rings um das Feuer
und schliefen und ein
alter Hirte wachte über
die Herde. Als der Mann,
der Feuer leihen wollte,
zu den Schafen kam, sah
er, daß drei große Hunde
zu Füßen des Hirten ruhten
und schliefen. Sie
erwachten alle drei bei
seinem Kommen und
sperrten ihre weiten Rachen
auf, als ob sie bellen
wollten, aber man
vernahm keinen Laut.
Der Mann sah, daß sich
die Haare auf ihrem Rük-
ken sträubten, er sah,
wie ihre scharfen Zähne
im Feuerschein leuchteten
und wie sie auf ihn

losstürzten. Er fühlte, daß einer von ihnen
nach seinen Beinen schnappte und einer nach
seiner Hand und daß einer sich an seine
Kehle hängte. Aber die Kinnladen und die
Zähne, mit denen die Hunde beißen wollten,
gehorchten ihnen nicht, und der Mann litt nicht
den kleinsten Schaden. Nun wollte er weitergehen
, um das zu finden, was er brauchte. Aber
die Schafe lagen so dicht nebeneinander, Rücken
an Rücken, daß er nicht vorwärtskommen konnte.

Da stieg er auf die Rücken der Tiere und wanderte
über sie hin dem Feuer zu; und keins von
den Tieren wachte auf oder regte sich".

Soweit hatte die Großmutter ungestört erzählen
können, aber nun konnte ich es nicht
lassen, sie zu unterbrechen. „Warum regten sie

Geburt Christi

Holzschnitt von Joh. Aug. Hagmann

sich nicht, Großmutter?" fragte ich. „Das wirst
du nach einem Weilchen schon erfahren", sagte
die Großmutter und fuhr mit ihrer Geschichte
fort.

„Als der Mann fast beim Feuer angelangt
war, sah der Hirt auf. Es war ein alter, mürrischer
Mann, der unwirsch und hart gegen alle
Menschen war. Und als er einen Fremden kommen
sah, griff er nach einem langen, spitzen
Stab, den er in der Hand zu halten pflegte, wenn


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