http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-12/0009
Die Markgrafschaft
7
fei zu zwingen, ihm die Sense zu wetzen, damit
sie das ganze Jahr scharf bleibt.
Das Brauchtum um Weihnachten und Neujahr
liegt ganz nahe zusammen* Der Jahresanfang
liegt in der Mitte der zwölf heiligen Nächte vom
24. Dezember bis zum 6. Januar.
Mit lebendigen Ruten und Zweigen schlug
man zu Festzeiten die nahestehenden Menschen,
um sie vor Bösem zu bewahren. Man „pfefferte"
ihnen einige Streiche über den Rücken und feierte
nachher mit „Pfeffer"-kuchen und allerlei Backwerk
.
herrlich goldbraun gebackene große Brezel. Da
war an Butter nicht gespart worden. Jede Hausfrau
setzte ihre Ehre darein, die besten Brezeln
gebacken zu haben. Mit geschickten Fingern war
auch ein zierlicher Zopf geflochten und über die
Breitseite der Brezel gelegt worden. Darin stak
in der Mitte ein funkelnagelneues silbernes Einmarkstück
.
Früher standen bei armen Kindern oft zehn
und mehr reiche Gevatterleut^ Pate, um ihnen
auch im späteren Leben weiter zu helfen. Diese
Sitte hat sich später noch lange weiter erhalten,
Heujafytötüunfd) / zu ^xtmMM
5mtternad)t ff*'«. 9UK ©locfe töte.
BieDer ifcf) e 3obr in D'Belt oerfoacbt-
3Bas hrirD's bringe? SBas mag's is beDüte?
$rieDe, neue 9Itorge oDer 9Zacf)t?
9Itäd)ttg ftpgt Der ©d>all U6 Dunfle 23ecber,
fcbfoingt ff* über alles, toas Dergobt/
über leert ©tbel, über £>äd)er
bis an Gimmel, foo fo fcbftutgfam ftobt.
3Zebm er Do*, foas bös un fdjtoer DoniDe,
alles mit, Das fear mp befte SBunfd),
tppl De us Der Unrueib jue Dpm ftrieDe,
Jlienfdjebers, nie Dome felber d)unnfd)!
SBenn nit ©Ott lenft aßt unft 0ad)e,
no Dertpaibt e Jlienfcbettmnfd) im SBinD;
Denn toas D'3Kenfcbe us em £ebe macbe,
toie 's 5Bort, too ab De £ippe rinnt.
Die Sitte des Brezelbackens ist schon sehr alt.
Brezeln buken schon die ersten Mönche. Sie
kennen alle Völker, und sie ist so beliebt, daß sie
an jedem Festtag, ob an Weihnacht, Neujahr, zur
Fastenzeit oder zur Sonnenwende gebacken, verschenkt
und gegessen wurde. Auch der Liebhaber
brachte seiner Liebsten zum Jahresanfang um
Mitternacht heimlich eine Brezel ans Fenster.
Wenn sie davon aß, blieb sie gesund im kommenden
Jahre.
Es war eine schöne Zeit für uns Kinder, wenn
am Neujahrstag zu uns die Gotten und Götti
kamen. Da hieß es: Prosit Neujohr, e Brezele
wiene Schüüretor! Jede und jeder trug vorsorglich
in ein weißleinenes Zainentuch geknüpft eine
und bei ärmeren wie auch bei vermögenden
Familien waren zehn und mehr Paten keine
Seltenheit.
Am Neujahrsmorgen gingen die Kinder zu den
Großeltern, zu den Paten und den Nachbarsleuten,
um ihr Neujahrssprüchlein vorzutragen. Dafür
bekamen sie einen Wecken und oft noch einen
Zehner oder Fünfziger dazu. Wenn es eine größere
Familie war, so kam ein ganzes Kästli voll
duftendes Gebäck zusammen und die Kinder aßen
oft acht und mehr Tage davon mit Herzenslust.
Es ist wert, das Gedankengut einer früheren
Zeit zu verstehen und aufzuschließen, gerade
jetzt, wenn das alte Jahr abläuft und Rückblick
und Ausblick zij innerer Einkehr zwingen.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-12/0009