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Die Markgrafschaft
konnte er mit klaren Worten ausdrücken, was
wir anderen oft nur dunkel ahnten. Dazu kam
noch seine Sprache, die uns soviel feiner dünkte
als unser hartes Oberelsäßisch. Wir fanden, daß
er recht hatte, wenn er uns tadelte: „Ihr müen
redde lehre, wie mer in Strooßburig odder in
Zawere redd, diß isch vil nobler". Ich gab mir
redlich Mühe, es ihm abzuhorchen, denn mir lag
viel an seiner Wertschätzung. Meistens war ich
auch sonst seiner Meinung, nur heute gingen
unsere Ansichten auseinander. „Weisch, Baschi,
glooge han mr doch alli scho —" Baschi lachte
sorglos: „Wurum nit — awer for e Luug kumsch
noo lang nit in d'Höll, do müesch schun ein verschieße
".— „Verschieße?" — „Ju, ju, verschieße!
awer d'Maidle sin alli Hasefieß!"
Abendmahl hinter Stacheldraht
En" innerungen eines ehemaligen Kriegsgefangenen
Die Feier des hl. Abendmahls am Silvesterabend
im kleinen Dorfkirchlein meines Heimatdorfes
weckte in mir die Erinnerung an eine
Abendmahlsfeier am Neujahr 1945/46 in einem
deutschen Kriegsgefangenenlager in Rußland. Wir
hatten in unserem Lager zwei evangelische Pfarrer
, die aber keinerlei Vorrechte genossen, im
Gegenteil, bei den Russen wegen ihrem Glauben
sehr zu leiden hatten. Sie marschierten in den
gleichen Lumpen wie wir täglich mit uns zur
Arbeitsstätte. Trotzdem ihnen die manchmal
recht schweren Arbeiten ungewohnt waren, verzagten
sie nie. Nein, sie versuchten sogar uns
immer Mut und Trost zuzusprechen, und wurden
dadurch für uns zum Vorbild. Sie setzten es auch
durch, daß sie an den wenigen arbeitsfreien
Sonntagen in einer Schreinerwerkstätte oder auf
einem Speicherraum Gottesdienst abhalten durften
. Als einziges kirchliches Zeichen schmückte
ein kleines Holzkreuz den Altar, der zugleich als
Rednerpult diente, und aus einer alten Kiste
hergestellt worden war.
Am Neujahrstag 1946 hatten wir zufällig
arbeitsfrei, dafür hatten wir am Sonntag zuvor
arbeiten müssen. Diese Gelegenheit wollten nun
die beiden Geistlichen ausnützen und luden uns
zur Feier des heiligen Abendmahls ein. Wohl
fehlte es nicht an Spöttern bei uns. Wo wollten
sie denn Speise und Trank hernehmen? Aber die
beiden Seelsorger wußten sich zu helfen. Als die
Zeit zum Gottesdienst gekommen war, waren
viele Kameraden in ihrem ,,Festanzug", in dem
man arm von reich nicht unterscheiden konnte,
auf dem kalten Speicher versammelt. Nach einem
feierlichen Gottesdienst, die Orgel ersetzte eine
alte Mundharmonika, begann die Feier des hl.
Abendmahls. Auf der einen Seite des Altars
reichte der eine Geistliche aus einem Kochgeschirr
als Ersatz für den Wein einen Schluck
schwarzen Kaffee, auf der anderen Seite reichte
der zweite Pfarrer uns ein kleines Stückchen
gedörrtes Kommißbrot, das sich die beiden Seelsorger
am eigenen Munde abgespart hatten.
Mag diese Schilderung manchen Leser etwas
komisch und vielleicht auch belustigend anmuten,
für uns aber war es das heiligste Abendmahl
unseres Lebens. —sch.
Toleranz
Früher, als man noch in der Postkutsche reiste,
und stundenlang im engen Raum beisammensaß,
kamen sich die Reisenden näher, als heute in den
Eisenbahnabteilen oder den großen Autobussen,
wo alle paar Minuten eine neue Haltestelle
kommt und ein fortwährendes Ein- und Aussteigen
ist. Man kannte sich schon besser und
erzählte sich manches, als ob man daheim in der
Stube beisammen säße.
So traf meine Mutter auch einmal den katholischen
Pfarrer von L., einen freundlichen, frohgemuten
Herrn, den sie kannte. Sie fragte ihn,
woher des Wegs.
Er erzählte ihr, daß er heute einen Gang tun
mußte, der in seinen Augen unnötig gewesen
wäre. Er habe in dem über eine Stunde entfernten
E. einen Katholiken, der dortige evangelische
Pfarrer aber zur selben Stunde in L. einen
Protestanten beerdigen müssen, und es wäre
doch gescheiter gewesen, er hätte den evangelischen
Mann in L. und der Kollege in E. den
katholischen beerdigt. „Sie kommen ja in den
selben Himmel", sagte er. Und meine Mutter
lachte: „Ja, Herr Pfarrer, wenn alle so tolerant
wären wie Sie, da wäre mancher Streit in den
Gemeinden und in der Welt überhaupt zu vermeiden
".
Darauf der Pfarrer: „Meine Pfarrkinder sind
es einmal nicht. Ich hatte an einem häßlichen
Wintertag sehr strengen Dienst. In der Frühe
um 4 Uhr schon einen Versehgang, um 5 Uhr
Frühmesse in L., um 7 Uhr Frühmesse in dem
eine Stunde entfernten K., als Vertreter des erkrankten
Kollegen dort, und um 10 Uhr sollte
wieder Kirche in L. sein. Als ich aber von K.
zurückkam, mußte ich mich mit hohem Fieber zu
Bett legen. Die Leute warteten vergeblich auf
das Läuten, da fällten sie kurzerhand das Urteil
über ihren Hirten: „Unserem Pfarrer isch halt
nüt lieber, als e churz Gebet un e langi Brotwurst
!" J. Pr.
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