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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-12/0019
Die Markgrafschaft

17

Im Schloß stöhnte der rostige Schlüssel, dann
stand der erzürnte Ritter im dämmernden Morgenschein
, wie ein Sinnbild des Guten und
Lebendigen inmitten von Zerfall und Verblendung
.

„Ich will den Narren helfen, in meinem Gerichtsort
und ohne meines Wissens ein unschuldiges
Mädchen in Ketten zu legen und hierher
zu führen", rief er wütend und suchte sich im
Dunkel des Kerkers zurecht zu finden.

Als die Rotte Gundula aus dem Dorf hetzte,
waren Kinder zur Burg geeilt, um den . Junker
um rasche Hilfe für ihre Freundin zu bitten. Jetzt
befreite er Gundula von ihren Fesseln und trug
die halb Bewußtlose aus dem Stadtturm. Vor dem
Torbogen stand sein Rappe und ein Dienst-
mannenpferd, die ein Knecht am Zügel hielt. Der
Ritter hob Gundula in den Sattel und schwang
sich hinter ihr auf sein Roß. Einstweilen hatte
sich eine lärmende Menge um die Pferde versammelt
und bedrohte den Ritter. Schon flog ein
Stein an seinem Kopf vorbei. Er lachte verächtlich
und gab seinem Rappen die Sporen, daß er
hoch aufstieg. Der Knecht legte die Lanze ein
und Ritter und Reiter jagten mit Gundula durch
die erschreckt zurückweichende Menge und an
dem zu spät zum Tor eilenden Wächter vorbei
zur Stadt hinaus.

Der wohlweise Rat erhob gegen den Ritter
wegen seiner tollkühnen Tat innerhalb der Stadtmauern
umfangreiche Klage. Das Gericht sah sich
um Vernehmungsprotokolle, Folter und Scheiterhaufen
geprellt und heischte Genugtuung. Aber
der Ritter blieb nicht lange auf seiner Burg. Den
Bauernsohn ließ er im Burgverließ verwahren.
Der Schultheiß bekam eine kräftige Verwarnung
und die Dörfler begannen sich rechtschaffen zu
schämen. Gundula aber und ihr Vater lebten in
der sicheren Hut der Burgmauern, während der
Ritter an den Hof des ihm wohlgesinnten Kaisers
eilte und ihm berichtete, wie sich alles zugetragen
hatte. Die Stadt mußte sich höchst mißvergnügt
zufrieden geben.

Nach seiner Rückkehr feierte der Junker
Hochzeit mit Gundula. Sie schenkte ihm vier
Söhne, die wegen dem von der Mutter ererbten
rotgoldenen Haar und dem vom Vater ererbten
frischen Mut im Schwarzwald nur „die vier roten
Brüder" genannt wurden. Mit ihnen erlosch das
Burgherrengeschlecht.

ilnfere ßuf) f)at getrcut!

Eine Stunde bei den Erstklässlern. Sie sitzen
vor ihrer Fibel, bestaunen die bunten Bilder und
buchstabieren an den schwarzen Zeichen herum.
Nun, es geht schon ganz gut, das Lesen. Aber
jetzt möchte ich, daß die Knirpslein in einem
kleinen Satz etwas über einzelne Wörter aussagen
. Und zwar, das ist für die alemannischen
Schnäbelchen das Schwierige, in Hochdeutsch soll
es gesagt sein, wie ja auch der Text der Fibel
geschrieben ist. Also mal los, Friederle! Es w,äir
ganz leicht, da stand Eule, Ente — darüber wußl!e
man schon etwas. Aber nun, da Friederle dran
war, las es: Eugen. Na? Friederle? Ein Satz mit
Eugen. Das Friederle dachte nach. Endlich sagte

es erleichtert: Die Eugen hat man im Kopf. (Für
Nichtalemannen: man heißt hier Frieder, Hansjörg
, Hanspeter — Eugen ist weniger gebräuchlich
; dagegen sagt die Mutter: „Mach d'Äugli
zue!") Jetzt kamen Wörter mit G: Gans, Geld,
Getreide. Ich schwieg fein still und freute mich
heimlich auf die Erklärung von „Getreide", das
den Kindern nur unter dem Namen Frucht bekannt
ist. Gans und Geld wurden rasch erledigt,'
aber das Getreide erforderte längeres Nachdenken
. Endlich fuhr ein kleiner Finger hoch und
ein Büblein rief: „Unsere Kuh hat getrait!" Wirklich
, das war eine Lösung, die alle Kinder befriedigte
. Die Kuh hat getragen, ein Kalb bekommen,
jeder wußte nun Bescheid über Getreide. —
Das Wörtlein „wie" ergab den Satz: „Der Vater
trinkt gern Wii". — Liesel las „oben". Schweigen.
Dann kam die Erklärung: „Nach der Schule darf
ich z'Oben nehmen", in schönem Hochdeutsch
und alle dachten an das herrliche Vesper am
Nachmittag.

Es war manchmal nicht so einfach, den tatsächlichen
Begriff in die Köpfe meiner Erstkläßler
zu bringen.

Nach der Lektion Hochdeutsch reden wir dann
wieder alemannisch miteinander. Das geht doch
alleweil am besten. K. M.

Ins neue Jahr!

1952 wird ein Schaltjahr sein, und der Mark-
gräfler pflegt zu sagen: „Schaltjohr — ehalt Johr!"
Er meint damit hauptsächlich die Witterung. Das
wäre schon schlimm, und wir haben's im Sommer
dieses Jahres schmerzlich genug erfahren, was
ein kalt Jahr für die Landwirtschaft bedeutet.
Noch gefährlicher aber wäre ein Erkalten unserer
Gemütswerte — und man meint manchmal, sie
seien tatsächlich am Erkalten unter uns. Es ist
so frostig geworden in der Welt — auch in der
alemannischen Heimat? Durch manches Leid
haben wir uns in uns selbst zurückgezogen vor
Frost. Und manche Freude haben wir nicht dankbar
und froh uns angeeignet.

Hebel gibt uns in seinem Neujahrsgedicht ein
gutes Rezept gegen das Einfrieren:

„Gebe denn, der über uns wägt mit rechter Waage
jedem Sinn für seine Freuden, jedem Mut für seine

Leiden in die neuen Tage,
jedem auf des Lebens Pfad einen Freund zur Seite!"

Mit diesen Wünschen grüßen wir die Leser
der Markgrafschaft" und alle unsere Hebelfreunde
nah und fern ins neue Jahr — und dann
wird es kein „kalt Jahr" werden.

Der Hebelbund: R. Nutzinger

Heiausgeber: Hebelbund Lörrach und Müllheim (Baden)
Redaktionskommission des Hebelbundes
Gesamtredaktion: L. Börsig, Müllheim
Verantwortlich für den Lörracher Heimatteil: Max Demmler
Telefon: Lörrach 2900 — Müllheim 358
Manuskriptzusendungen an: Hebelbund Lörrach und Hebelbund Müllheim
Redaktionsschluß jeweils am 1. jeden Monats
Anzeigen-Annahme: F. Wolfsberger, Müllheim, Neue Parkstraße 7
Postscheckkonto 8889 Freiburg i. Br.
Druck: Markgräfler Druckerei, Müllheim (Baden)


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