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Die Markgrafschaft
15
Ernst Kammüller zum 80. Geburtstag
Es braucht an dieser Stelle nicht vieler Worte
vom Leben des 80-jährigen Ernst Kammüller.
Was er für das Markgräflerland war und für uns
heute noch ist, läßt sich
kurz in ein Wort zusammenfassen
: ein Vorbild.
Wo es immer galt, für
die Heimat einzutreten,
da war er zur Stelle.
Aber nicht als stiller
Zuschauer. Immer war
er bereit, die Last der
Arbeit auf sich zu nehmen
im Dienste der
Allgemeinheit. Dazu
kommt bis zum heutigen
Tage, daß alle, die
mit ihm zu tun haben,
genau wissen, daß jede
Arbeit, die er anfängt,
mit der größten Genauigkeit
und Gewissenhaftigkeit
durchgeführt
wird, selbstlos,
ohne Gedanken an irgendwelche
Entschädigung
oder Ehrung. Den
,Dank des Vaterlandes'
hat auch er erfahren.
Aber das hält ihn nicht
ab, auch heute noch
überall, wo man sein
reiches Wissen und seine
Erfahrung schätzt,
mitzuarbeiten. Seine
Arbeit um die Erhaltung
von Schloß Bürgeln
erschöpft sich nicht
in dem, was aktenmäßig
festgelegt ist. Man würde
sonst auch kaum ein Wort finden von all den
Opfern, die er für das Heimatmuseum Kandern
gebracht hat, Opfer an Zeit und an Geld. Und
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das alles neben seiner beruflichen Arbeit,
neben seiner Tätigkeit als Gemeinderat, als Mitglied
des Bezirksrats, des Kreisausschusses und
der Kreisversammlung,
als Vorstandsmitglied
der Handelskammer
Schopfheim, kurz aller
Stellen, welche dem
wirtschaftlichen und
kulturellen Leben der
Heimat dienen. Es ist
erstaunlich, mit welcher
geistigen Frische er
heute noch teilnimmt
an allen diesen Fragen
. Und wenn er auch
nicht mehr als Häuptling
des Hebelschoppens
in Hertingen persönlich
anwesend ist,
unter seiner erfahrenen
Leitung werden die
Vorbereitungen getroffen
, wie wenn er selbst
dabei sein könnte. Wer
mit ihm einmal in der
heimeligen Stube auf
der Ofenbank saß, der
fühlt, daß hier alles
heimatgebunden ist,
daß er mit seiner treusorgenden
Gattin fest
auf diesem Boden steht
und aus ihm Kraft
schöpft und daß doch
ein weltoffener Geist
herrscht.
Wir grüßen den
Senior-Chef der Tonwarenfabrik
Kammüller nachträglich zu seinem
Geburtstag und wünschen ihm noch manches
schöne Jahr.
Als Baden noch »großherzoglich« war
In dem kleinen Schlößlein in einem Dorf des
Markgräflerlandes begann es sich zu regen. Die
Dienerschaft war schon eingetroffen und richtete
alles zum Empfang der gräflichen Familie her.
Jedes Jahr verbrachte diese die Sommermonate
in unserem Dorf; es war beinahe Tradition. Wenn
die Linden blühten, dann war es wieder so weit.
„Hän dr gseh, 's Gräfe chemme. E Pritschewägeli
voll Kuffer un Chiste hän si scho gholt an der
Bahn!" — so sagten wir Kinder. Damals — es
waren die Jahre 1908 bis 1914, also vor dem
ersten Weltkrieg — gab es bei uns noch nicht so
viel zu sehen. Das Leben war geruhsamer wie
jetzt. — Wieder einige Tage. — ,,Du, jetz sin
's Gräfe do! I ha d'Kammerjumpfere gseh mit
soneme schöne Hündli un au dr Diener. Hite
morge isch d'Frau Gräfi scho in d'Chilche —
waisch, 's Sprißegäßli ufe. — Du, des isch e nobli
Dam! — Dr Herr Graf sieht me nit so viel, aber
d' Döchtere!" — So ging es hin und her zwischen
uns, bis der Reiz des Neuen ein wenig verebbt
war. Trotzdem die Mutter immer wieder sagte,
wir müßten „Komtesse" sagen, blieben wir dabei
und erzählten nur ,,vu 's Gräfe Marlies un
s' Gräfe Bethy". — Was kümmerten uns die
Titel: Oberhofmarschall, Oberhofmeisterin, Komtessen
. Für uns Kinder war es einfach: der Herr
Graf, d' Frau Gräfi, un 's Gräfe Maidli. Wir
kamen ja auch nicht ins Gespräch mit den Herrschaften
, hatten nur freundlich zu grüßen. —
Etwas sollten wir tun, dem wir aber immer
geschickt auswichen: Die Frau Gräfin bekam
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