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Die Markgrafschaft
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Einiges aus der Chronik von Tannenkirch /K. Mink
Fortsetzung.
Die lange und segensreiche Friedenszeit des
18. Jahrhunderts, der sich unsere Dorfbewohner
erfreuen durften, wurde durch Nachrichten über
die französische Revolution gestört. Man ahnte
und fürchtete einerseits das Herannahen eines
Kriegsgewitters, andererseits liebäugelte mancher
mit den Ideen der Freiheitsbewegung drüben
überm Rhein. Von der Kalten Herberge wurden
stets die neuesten Nachrichten ins Dorf gebracht.
War dieses Anwesen doch in der damaligen Zeit
ein weithin berühmtes Posthaus. Fürsten und
Feldherren waren in der Kalten Herberge abgestiegen
, so Kaiser Josef IL, Markgraf Karl Friedstellen
mußten, wurde 1740 entschieden, Reinau
solle als Vogt bleiben, da die Kalte Herberge an
der Landstraße liege und in Kriegszeiten unbedingt
ein Vorgesetzter dort sein müsse. Tannenkirch
mußte sich mit einem Stabhalter zufrieden
geben. Die Nachtwachengestellung wurde wenigstens
für die Friedenszeit aufgehoben. Mit der
Inbetriebnahme der Eisenbahn auf der Strecke
Freiburg—Basel, verlor die Kalte Herberge ihre
Bedeutung und später auch die Wirtschaftskonzession
. Sie wechselte mehrfach ihren Besitzer.
Heute ist sie ein Hofgut von 58 ha, das im Jahre
1933 in die Hände von Dr. Herbert Lindemann
überging, der es verstand, die Gebäulichkeiten
rieh, General Moreau und sein Besieger Erzherzog
Karl. Als eines der bekanntesten Wirtshäuser
des Oberlandes wurde sie von Studenten wie
von Handwerksburschen gerne aufgesucht. Die
Bauerntöchter, die Wert auf eine bessere haushaltliche
Ausbildung legten, lernten hier das
Kochen. In den geräumigen Ställen waren vierzig
und mehr Pferde untergebracht. Die Kalte Herberge
, die zur Gemeinde Tannenkirch gehört,
soll schon zur Römerzeit eine Siedlung gewesen
sein; man habe dort römische Ziegel mit Legionsstempel
gefunden. Sie wurde 1686 von Friedrich
Reinhard Reinau, der von Schlettstadt zuzog,
gekauft. Der vorherige Besitzer Gerster von
Stendal in Brandenburg, war wohl im 30jährigen
Krieg hierher gekommen, denn er hatte in dänischen
und schwedischen Diensten gestanden. Er
konnte aber das Gut nicht halten, und es ging
dann mit allen dazugehörigen Gütern, mit Fron-
und Wachtfreiheit und Schäfereigerechtigkeit für
550 Pfund an Reinau über. Etwa seit 1700 hatten
die Besitzer der Kalten Herberge das Vogtamt
von Tannenkirch inne. Als sich die Bürger darüber
beklagten, daß Tannenkirch und Riedlingen
laufend zwei Tag- und Nachtwächter dorthin abmustergültig
restaurieren zu lassen und dem Gut
als landwirtschaftlichem Anwesen einen Ruf zu
verschaffen.
Außer den Nachrichten, die über die Vorgänge
in Frankreich von der Poststation Kalte Herberge
aus ins Dorf getragen wurden, trieben auch
Agenten, die heimlich über den Rhein gekommen
waren, hier umstürzlerische Propaganda. Aber in
den markgräflichen Gebieten hatte der menschenfreundliche
Markgraf Karl Friedrich in kluger
Voraussicht schon 1783 die Leibeigenschaft aufgehoben
. Andererseits erregten die adeligen
Emigranten, die ein hochmütiges Gebahren zeigten
, es sich nur zu gut gehen ließen und oft
genug zechten und sumpften, bei den Bauern
Anstoß und Ärgernis. Als 1792 Frankreich den
Krieg an Österreich erklärte, brach eine 23jährige
Kriegsfolge an, von der auch unsere Gegend
nicht verschont bleiben sollte. Auf der elsässischen
Seite waren die Festungen und Rheinorte vollgepfropft
mit begeisterten Revolutionstruppen,
auf der rechten Rheinseite hatten sich österreichische
Einheiten zur Verteidigung eingefunden
. Unser Dorf erhielt in dieser Zeit reichlich
Einquartierung, zuerst Schweizer Kompagnien,
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