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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-03/0004
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Die Markgrafschaft

sehen Gewalten verübten Grausamkeit verstummt
der menschliche Mund. Und in gleicher
Weise hat Hebel auch unter den Passionspredigten
gelitten, die ihm dann und wann zugemutet
wurden. Über den Landpfleger Pilatus habe er,
so schreibt er einmal an Hitzig, schon soviel
predigen müssen, daß kein Hund mehr ein Stücklein
Fleisch an dessen Knochen finden könne.
Denn er hat die Gestalten der Passion sehr scharf
unter die Lupe genommen. Während er für den
Petrus, den „armen Jüngerin der schwachen
Angststunde der Verleugnung noch ein verzeihendes
Wort hat, bricht er über den Judas
Ischarioth kurzerhand den Stab. In einer Abhandlung
, die er der theologischen Gesellschaft
in Lörrach gewidmet hat, lesen wir darüber
folgende Sätze:

„Der an sich schon traurige Charakter des
Judas erscheint in der schwärzesten Farbe, wenn
man auf die Umstände blickt, unter welchen sein
teuflischer Vorsatz zur Tat reifte".

„Das Temperament des Menschen war, wie
es mehrere noch gibt, ohne zu dem nämlichen
Grad von Bösartigkeit auszuarten, melancholisch,
verschlossen, unfähig für stille, reine, herzliche
Freuden, ungeschickt für frohen vertraulichen
Umgang, für Herzensfreundschaft und Liebe,
noch ungeschickter für ihre gefällige Äußerung*1.

„Ihn erfüllte ein Haß, der nach und nach alle
guten Gefühle des Dankes und des Wohlgefallens
an der Sanftheit Jesu in seinem Herzen
erstickte und alle besseren Bestimmungen von
seiner Seele entfernte'£.

„Auch glaube ich nicht, daß er Jesum in der
Voraussetzung, daß er nicht getötet würde, verraten
habe. War er imstande, ihn zu Gefängnis,

gerichtlichem Prozeß und Geißelung zu verraten,
so verriet er ihn auch zum Tode. Judas setzte,
glaube ich, gar nichts voraus, bekümmerte sich
jetzt um keine Folgen, fühlte nichts als seine
Rachsucht, dachte nichts als dreißig Silberlinge".

Solcher Aburteilung über einen Menschen
begegnen wir bei Hebel selten, der doch immer
noch einen Zug von Güte auch beim schlimmsten
Verbrecher zu finden weiß. Immerhin erkennen
wir, wie scharf durchdacht diese Passionsgeschichte
und ihre handelnden Personen bei
Hebel sind, und eben weil sich hier der Mensch
in seiner Niedertracht und Dämonie so offenkundig
dartut, will der Dichter und Humanist
den Schwamm drüber tun und verstummt mit
dem Schlußsatz: „Man weiß nicht, was man dazu
sagen soll".

Und darum lebt Hebel erst wieder mit Ostern
auf. Denn auf dieses frohe Fest hin ist er
orientiert, er wartet wie „'s Summervögeli" und
„'s Somechörnli" im „Winter" „uf sii Ostertag".
Diese Botschaft hört er mit Entzücken, und dazu
fehlt ihm nicht der Glaube, weil ja nun die
ganze Natur den Sieg des Lebens mitfeiert. Die
Geschichte von der Erscheinung des Auferstandenen
bei der Maria Magdalena unterbricht er
mit dem Zitat des Propheten: „Du hast mir -
meine Klage verwandelt in einen Reigen; du
hast mir mein Trauergewand ausgezogen und
mich mit Freude umgürtet". Jetzt stellt er wieder
seine spannenden Fragen in seiner biblischen
Geschichte an die Leser, um die Handlung noch
mehr zu steigern. Man spürt, hier ist der Dichter
in seinem Lebenselement. Denn mit Ostern
fängt der große Feiertag an, der bis Pfingsten
währt und den er so einzigartig in „Hephata"
wiedergibt. R. N.

Von der Geistigkeit im Lan

Die Schönheit Badens scheint mehr der Geruhsamkeit
als der Vorpostenaktivität wesensgemäß
. Zwischen den schwäbischen, deutschschweizerischen
und deutschsprachlich elsäßi-
schen Zweigen des Alemannentums, das ja im
Sprachgebrauch der Franzosen dem ganzen
Deutschland seinen Namen und seine Einschätzung
gegeben hat, verkörpert die Geistigkeit
im Lande Baden einen Kreis nicht ohne Mannigfaltigkeit
und mit dem ausgeprägten Sondermerkmal
festwurzelnden Charakters, der mit den
genannten andern Teilgebieten des Alemannentums
übereinstimmt, nicht aber mit der geistig
sich abhängig machenden durchschnittlichen
Creme einer großstädtischen Zivilisationsmenschheit
. Lassen wir die Geistigkeit im Lande Baden
in ihren Hauptvertretern Revue passieren, damit
wir aus dem Blick aufs Ganze einen Eindruck
gewinnen.

Im 17. Jahrhundert sind es zwei Ankläger
ihrer Zeitgeschichte, Satiriker, Humoristen, Mahner
zum Echten und Gerechten im unterhaltsamen
Gewände des Erzählers: Johann Michael
Moscherosch aus Willstätt bei Kehl (1601—1669),
der Verfasser der „Wunderlichen und wahrhafti-

C Badet! /Von Dr. Ernst Barthel

gen Gesichte Philanders von Sittewald", und
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen,
zwar gebürtig aus Gelnhausen in Hessen, aber
als Schriftsteller und Mensch ganz verwurzelt in
der mittelbadischen Landschaft, die ihm in Offenburg
, Gaisbach und Renchen Heimat war. Sein
Roman „Der abenteuerliche Simplizissimus"
(1669) gehört zu den eindrucksvollsten literarischen
Dokumenten jenes Jahrhunderts und offenbart
großes Erzählertalent. Beide, Moscherosch
und Grimmelshausen, vertreten die gute deutsche
Art gegenüber dem hereinbrechenden Ausländer-
tum.

Im 18. Jahrhundert wird das Land am Oberrhein
zunächst durch den leuchtenden Schatten
Goethes gestreift, der kommende Lichter anzu-
künden scheint. In Emmendingen stirbt 1777 die
Schwester Cornelia, die an den dort wirkenden
Amtmann Johann Georg Schlosser verheiratet
war. Und dieses Grab der Schwester erscheint,
nicht nur durch den Dichter Jakob Michael Reinhold
Lenz, wie magisch verknüpft mit dem Grab
in Meisenheim bei Lahr, das seit 1813 Goethes
Jugendliebe aus dem Elsaß, Friederike Brion,
birgt. In jener klassischen Zeit findet auch das


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