Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-03/0006
4

Die Markgrafschaft

dich Gott!" wertbeständig geblieben ist. Und wie
über ihm, so liegt auch über dem Maler Hans
Thoma (geb. 1839 in Bernau, gest. 1924 in Karlsruhe
) ein Abglanz des großen südländischen
Italien, von welchem unsere oberrheinische Ebene
nördlich der Alpen noch den schönsten Widerschein
bewahrt hat. Hans Thoma ist als Maler
zugleich ein geistiges Bekenntnis und ein Symbol
gegen die Zerstörung alles edlen Wertes in den
Künsten. Der Kreis der Schüler und Freunde
Hans Thomas, der bis zu Richard Wagners
„Bayreuth" hinüberreicht, möge die Hoffnung
nicht zuschanden werden lassen, daß echte Kunst
bleiben möge.

Auch die Musik gehört zum Geiste, auch sie
redet Gestaltungen, die etwas wollen, Gutes oder
Verderbliches, Aufbauendes oder Zerstörendes.
Der Romantiker Konradin Kreutzer (geb. 1780
in Meßkirch), dessen volkstümliche Chöre und
dessen Oper ,,Das Nachtlager von Granada" heute
noch unvergessen sind, fügt sich in den bürgerlichen
Kreis badischer Wesensart. Und unter den
Neueren sei der unlängst verstorbene Heinrich
Kaminski hervorgehoben.

Wenn man unter den Neueren der Literatur
Umschau hält, so wird man sich auf solches beschränken
müssen, das einerseits das Glück hatte,
ins Licht des Tages hineinzutreten, und andererseits
doch nicht diesen Vorzug durch Alltäglichkeit
erkauft hat. Die Erzählkunst von Hermann
Eris Busse und ihre alemannische Verbundenheit
wird man künstlerisch hoch werten müssen. Der
sprachgewaltige Hermann Burte, der noch unter

unter uns weilt, hat sich in seiner Weise durch
sein Bestes ein Denkmal geschaffen. Anton
Fendrich verbindet gedankenvoll soziale und
religiös - metaphysische Lebenskräfte. Heinrich
Vierordt, Wilhelm v. Scholz sprechen für sich
selbst. Aber unsere Übersicht über Bedeutsames
im Geiste des Landes Baden wäre schändlich
unvollkommen in Bezug auf Wesentliches, wenn
nicht mit allem Nachdruck hervorgehoben würde
der einsame Ringer um echtes Menschentum
Emil Gött (1864—1908). Zwar hat er in Nietzsche
nur das Tiefe und offenbar nicht das Flache gesehen
. Sein persönliches Ringen und Kämpfen
auf der Leihaide bei Zähringen war tragisch,
heldenhaft und doch ohne die beglückende
Lösung so vieler Ungelöstheiten. Aber er ist im
Lande Baden ein fremd anmutender Verfechter
und Verkünder echter Lebenswerte, die keine
Phrasen sein sollen. Für sein Bauernhaus auf der
Leihaide hat Hermann Burte den kennzeichnenden
Spruch geschrieben:

Hier lebte Emil Gött.

Ein Sucher, Bauer und Dichter.

Gemeinen ein Gespött.

Den Reinen eins der Lichter,

Die brennend sich verschwenden,

Den Menschen zu vollenden.

Sollte ich noch von Martin Heidegger reden,
von „Sein und Zeit", vom „Existentialismus"?
O, ich will es lieber lassen! Viel lieber rede ich
davon, daß auch einige Elsäßer, wie Rene Schik-
kele in Badenweiler und Albert Schweitzer in
Königsfeld, in Baden eine zweite Heimat gefunden
haben.

Nichts von Untergang und Alter!

(Fortsetzung.)

Wir lernten die Weltangst und den sich aus
ihr ergebenden Kulturpessimismus als einen
seelischen Zustand kennen, der in seiner häufigsten
Form auf eine überwache Hellhörigkeit
des Bewußtseins zurückzuführen
ist. Wie ein schlafloser Kranker auf jedes
GeräüSch in der Nacht horcht und ihm nachlauscht
, um es als Tatsache oder Impuls in den
Ablauf seiner fieberhaften Traumerlebnisse einzufügen
, so werden dem von der Weltangst
Befallenen alle Wachstums-, Entwicklungs- und
Zerstörungsgeräusche im politischen oder kulturellen
Leben viel lauter und deutlicher bewußt
als dem Zeitgenossen „normaler" Epochen.

An einem an sich unscheinbaren geistigen
Vorgang sei das Gesagte deutlich gemacht.
„Alles ist Übergang zur Heimat" lautet eine
Brückeninschrift in der Schweiz, wohl aus dem
18. Jahrhundert stammend, fromm, gläubig, leise
pietistisch, tröstend. Tausende passieren die
Brücke, manche kaum, manche sehr berührt von
dem Hinweis auf eine Welt über dieser Welt,
durch die beglückende Verheißung einer Rückkehr
zu Gott auf dem Weg einer übernatürlichen
Offenbarung. Wie plötzlich anders wird der Inhalt
der Inschrift in der Fassung, die dem
Gedanken Friedrich Hebbel gab: Aller
Übergang ist ein Untergang, und
Übergangsmenschen sind Untergangsmenschen".
Der luciferische Sturz aus der himmelshellen

Klarheit und Güte der Inschrift in den dunklen
Strudel des Ichhaften, Ichbesessenen, Ausweglosen
, kurz des Weltangsthaften, sehen wir hier
vollzogen: die HebbePsche Fassung zeigt blitzartig
klar den Sturz des Menschen aus der sicheren
Geborgenheit der Gotteskindschaft in den
Bereich des um seinen Bestand maßlos geängstigten
Menschen, das „arme Herz" Faustens, das
seine Flügel an den Gitterstäben mitleidsloser
Ängste blutig flattert.

Es bedarf keines großen, Scharfsinns, aus dem
Vergleich der beiden Sätze, der Inschrift und der
Hebbel'schen Formulierung, das Heilmittel
gegen die Weltangst herauszulesen: es wäre
Rückkehr zum Glauben an eine übernatürliche
Offenbarung und Unterdrückung des sich allzu
wichtig nehmenden individuellen Daseinswillens
zugunsten einer religiös gebundenen Gemeinschaft
. Dem religiös Gläubigen kann die Weltangst
nichts anhaben.

Suchen wir aber außerhalb des religiösen
Gebietes nach Mitteln gegen die Weltangst, so
bleibt nur die ernste und sorgfältige Umschau
nach Gründen zur Hoffnung. Die Zerstörung
um uns ist groß, überall umgibt uns
verwüstetes Land, in der Wirklichkeit und im
Geiste. Aber es weht doch Osterluft, und die
Erde ist empfängnisbereit. Darum muß der Blick
— selbst mit Aufwand von Zwang gegen sich
selbst — auf alles gelenkt werden, was wertvoll


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-03/0006