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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-04/0003
Die Markgrafschaft

Nr. 4/4. Jahrgang

Monatszeitschrift des Hebelbundes

April 1952

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^Jeickeu Laheit mt£

Leiten L

„Am Himmel wie auf Erden" — dies ist der
Titel eines Buches, das einen Roman aus schwerer
Notzeit enthält. Werner Bergengruen, ein leider
bei uns viel zu wenig bekannter Dichter baltendeutscher
Herkunft, schildert in seinem großen
Roman eine große Weltenwende, die sich unter
schweren Erschütterungen abspielt, als die Gotik
von der heraufkommenden Neuzeit abgelöst wird.
Zeichen, die am Himmel wie auf Erden geschehen,
künden das Nahen stürzender Weltenmassen.
Aber darüber leuchtet die Botschaft des Kreuzes
„Fürchtet Euch nicht". Und diese Botschaft ist
stärker als die apokalyptischen Zeichen, die damals
Stadt und Land in Schrecken und Entsetzen,
in der großen Weltangst, erstarren lassen.

Auch heute spricht man wieder von der Weltangst
, und wir können nicht leugnen, daß auch
uns in Vergangenheit und Gegenwart schwere
Zeichen erschienen sind. Der Gläubige weiß aber
auch, daß jenes andere, leuchtende Zeichen immer
noch gesetzt ist, ja, daß uns noch viele Zeichen,
die uns hoffen lassen, bereitgehalten werden.-
Von ihnen seien heute zwei herausgegriffen, auf
die hinzuweisen in der österlichen Zeit vielleicht
nicht ganz unangebracht ist.

Man möge es uns nicht verübeln, wenn wir
mit einem Zeichen beginnen, das uns allen heute
sichtbar ist, das man „andichtet" wie kaum ein
anderes, das irftmer wieder herhalten muß für
echte und unechte Ergüsse menschlicher Seligkeit:
Der Frühling. Aber, nicht wahr, darin sind wir
uns einig: bedauernswert ist derjenige, der ihn
nicht mehr als Auferstehung allen kostbaren
Lebens empfindet; der nicht mehr stehen bleibt
und in die linde Luft schnuppert, wenn die Erde
duftet wie ein junger, schöner Leib; der nicht
mehr sich selbst einen Augenblick unterbrechen
kann, wenn einer jener wunderbaren, aus UrMusik
bestehenden Amsellaute aus der dunst-
farbenen Bläue jungfräulichen Himmels fällt,
mitten in unser Herz, sofern dies nicht mit den
Stahlplatten eines technisierten Menschentums
umgeben ist. Und, nicht wahr, für unglücklich
gerade müssen wir denjenigen halten, der das
erste Gänseblümchen nicht wenigstens mit einem
leisen Lächeln begrüßt. Der Wissende ist sich
bewußt, daß dies ein Zeichen unendlicher göttlicher
Liebe, einer alle menschlichen Vorstellungen
übersteigenden Zuneigung ist.

Und da ist noch ein Zeichen, auch ein Frühling
, wenn wir so wollen, ein Frühling, der seit
Urbeginn aller Zeit nicht aufgehört hat zu blühen:
da sind die jungen Menschenkinder, die uns in

unseren Lebensgarten geschenkt wurden als ein
Licht, dessen Flamme wir rein zu halten haben,
das uns aufgetragen ist als eine ganz entscheidende
Pflicht. Auch darüber, über die Jugend, ist
schon viel gesagt worden, von den „Garanten der
Zukunft" (wobei man meistens an die Grenadiere
der Zukunft dachte) bis zu der „verwahrlosten
Jugend" (ein Ausspruch, in dem Torheit und
Pharisäertum sich trefflich mischen).

Wir haben 1952 ein Olympiajahr, in dem die
Jugend der Welt zu Spielen im Geiste ehrenhaften
Wettkampfes sich trifft. Gewiß, auch im
Sport kommen manchmal weniger schöne Dinge
vor, die nicht ganz den Grundsätzen entsprechen,
die Baron de Coubertin, der Erneuerer des
olympischen Wettkampfes 1894 aufstellte: „Das
entscheidende Gewicht bei den Olympischen
Spielen liegt nicht im Sieg, sondern in der Teilnahme
. Nicht etwa zu kämpfen, sondern ritterlich
zu handeln, ist das Wichtigste". Ein leuchtendes
Beispiel dafür — und wir sind sicher, daß man
solche Beispiele in großer Zahl anführen kann
und anführen können wird — sei abschließend
angeführt und wiederum als Zeichen gewertet,
das uns hoffen läßt.

Als auf der Olympiade in Amsterdam der
Wettkampf im 3000 m - Hindernislauf ausgetragen
wurde, führte der berühmte Sportler Nurmi vor
dem Franzosen Duchesnes. Nurmi stürzte jedoch
bald in einen tiefen Wassergraben. Der Franzose
konnte sich als Sieger betrachten. Aber er zog
Nurmi aus dem Wasser und beide setzten ihren
Lauf mit besten Kräften fort. Wieder führte
Nurmi vor dem Franzosen, aber kurz vor dem
Ziel wollte der Finne stoppen, um seinen Kameraden
als ersten durch das Ziel gehen zu lassen.
Das war anständig, aber der Franzose lehnte mit
aller Entschiedenheit ab. Sich an den Händen
fassend liefen sie beide, von stürmischem Beifall
begrüßt, als gemeinsame Sieger durchs Ziel.
Sieger nicht nur des sportlichen Wettkampfes,
Sieger über sich selbst.

Wenn wir uns diese Begebenheit in Erinnerung
rufen, und wenn wir dabei sehen, wie
höchstes olympisches Ideal, eine absolute Ritterlichkeit
, erfüllt wurde und mit welch einfacher,
anständiger Menschlichkeit das andere, das Ichsüchtige
, Häßliche überwunden wird, dann ziehen
wir nicht nur im Geiste nochmals den Hut ab vor
den beiden Olympiakämpfern, sondern es überkommt
uns auch ein glückliches Gefühl, das uns
zu guten Hoffnungen berechtigt.

L. Börsig


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