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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-04/0012
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Die Markgrafschaft

Mitglieder des Markgrafenhauses hier begraben
sein. Ein erhöhter Gang verband wie eine Brücke
die Borkirche mit dem Kloster, so daß die Nonnen
nicht mit dem „Volk" in Berührung kamen,
wenn sie den Gottesdienst besuchten.

Viele adelige Fräulein und wohlhabende Bürgerstöchter
nahmen den Schleier zu Sitzenkirch,
die Priorinnen oder Meisterinnen waren meist
vom breisgauischen Adel, doch gab es auch tüchtige
Bürgerliche dazwischen. 1473 wurden die
Gebäude von einem Brand betroffen. Aber das
große Unglück kam erst später. In den ersten
Maitagen des Jahres 1525 drangen die aufständischen
Bauern ins Kloster ein und nahmen den
Frauen alles, Hausrat, Vieh, Vorräte und Geld.
Die Nonnen mit ihrer Meisterin Ursula Hurst
flohen und kamen — außer einer — nicht wieder.

Jetzt wäre die Klostergeschichte eigentlich
fertig, aber es gab noch einen Schlußakt, den
wir nicht übergehen dürfen. Die letzte Nonne
nämlich heiratete einen St. Blasianischen Mönch,
der als Schaffner (Gutsverwalter) nach Sitzenkirch
versetzt worden war und auch die kirchlichen
Verrichtungen besorgte. In jener Zeit
faßte die Reformation in den badisch-durlachi-
schen Landen Fuß und seitens des Landesherrn
war die Priesterehe gestattet. Aber bald kam
doch ein junger evangelischer Pfarrer und der
Mönch amtete als Klosterschaffner weiter bis zu
seinem Tod 1581. Es gelang indessen dem Markgrafen
nicht, den ansehnlichen Klosterbesitz damals
schon an sich zu ziehen; erst 1805 wurde
das Klostergut, auch Bürgeln, badisch. Es müssen
nach der Reformation (1556) unserem Kloster
noch ansehnliche Einkünfte zugeflossen sein.
Trenkle berichtet, daß 56 Ortschaften des Mark-
gräflerlandes und Breisgaues nach Sitzenkirch
zinsten.

Nach 1805 verkaufte der badische Staat das
Klostergut, 70 Morgen Acker und Wiesen, an die
Gemeinde Sitzenkirch und an einzelne Bauern;
die Klostergebäude wechselten bis 1845 mehrfach
ihre Besitzer. Jetziger Inhaber ist der Landwirt
Grether, dessen Wohnhaus früher Sitz des Klosterschaffners
war.

Dr. Scheffelt.

(Forts, von s. 8) Ins neue Land

Darunter schrieb er zum Überfluß noch:

Jean Jacques Astore, ne le 17. Juillet 1763
ä Walldorf pre Heidelberg, fils du maitre boucher
Jean Jacques Astore".

Dann übergab er dem Amtsvogt das Blatt,
der ihm mit stillem Erstaunen zugesehen hatte.
So rasch schrieb weder er, noch einer seiner
Schreiber. Er unterdrückte aber seine Freude
und sagte weiter:

,,So, ganz recht; jetzt rechne er mir auf der
andern Seite4' — er nahm das Aktenbündel zur
Hand, blätterte eine Weile etwas verlegen und
blieb dann bei der vorletzten Seite stehen —
„hierher die Einnahmen und dorthin die Ausgaben
".

Nun diktierte er eine Zahlenreihe: Einnahme,
dann eine andere: Ausgabe. Hier kam die Zahl
372 fl 35 kr. 1 pf. Astor hatte sich diese Zahl vorhin
gemerkt, denn der Amtsvogt hatte sie mehr
als einmal unwillig gemurmelt; sie war für aus
den Herrschaftswaldungen geliefertes Holz. Diese
Zahl stand nur in Ausgabe, aber nicht in Einnahme
, wohin sie doch offenbar auch gehörte.
Somit war Astor dem Defizit schon auf die Spur
gekommen; er nahm dem Herrn Amtsvogt das
Konvolut frischweg aus der Hand, blätterte ebenfalls
eine Weile scharf prüfend und sagte endlich
lächelnd: ,,Herr Amtsvogt, das ist keine Baurechnung
, sondern eine Stümperei. Das wollte
ich, wenn ich nichts anderes zu tun hätte, in zwei
Tagen ganz anders und besser zuweg bringen:
diese 372 fl 35 kr. und 1 pf. gehören in Ausgabe
und Einnahme zugleich; das hätte bei der Revision
in Mannheim einen ellenlangen Rüffel abgesetzt
".

Herr von Erlenbaum war jetzt erst recht
außer sich, aber in anderer Weise, als vorher. Er

nahm dem jungen Mann die Akten wieder aus
der Hand und sagte, ihm die Hand reichend:

„Astor, Sie bleiben vorderhand in Zwingenberg
bei uns. Aus dem Schafhandel wird nichts,
das können tausend andere ebenso gut, wie Sie.
Es wär' doch schad, wenn ein junger Mann von
Ihren Kenntnissen mit Hämmeln in der Welt
herumlaufen müßte. Sie können Besseres, und",
fügte er mit seinem Augenblinzeln hinzu, „wenn
Sie gescheit sind, können Sie es weit bringen. Sie
sind hier gerade in der rechten Schule. Dem
Bender auf dem Insultheiner Hof wollen wir sein
Geld samt der Lederkatze sogleich heimschicken
und ihn schadlos halten".

Damit stand er, ohne die Antwort des verwunderten
Astor abzuwarten, vom Tisch auf und
ging mit den Akten der Türe zu. Spornstreichs
lief er mit seinem Bündel auf die Kanzlei, und
es gab in der Forstschreiberei ein riesiges Donnerwetter
; Herr von Erlenbaum tobte und wetterte
dermaßen, daß es ein Wunder war, wenn
die soliden, fünf Schuh dicken Mauern der
Kanzlei keine Risse bekamen.

Droben aber im Wohnzimmer ging es indessen
weniger gewitterhaft zu, obwohl sich während
des anderwärts tobenden Kanzleisturmes
hier im Familienraum nicht weniger Wichtiges
zutrug. Kaum hatte nämlich der Amtsvogt das
Zimmer verlassen und war in der Kanzlei drunten
, als die Tante und eine junge Dame in's
Zimmer traten, welch letztere Astor kaum mehr
als die erkannte, welche ihm gestern, in den
großen Haßmersheimer Schiffermantel gewickelt,
auf der Holzkiste sitzend, erschienen war. Das
niedliche runde Gesicht mit den neckischen Blauaugen
und den rosig durchhauchten Wangen, die
zurückgekämmten, blonden Haarwellen, auf
denen wie ein zarter Duft der unvermeidliche
Puder lag, die in ein Schnürleibchen gepreßte


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