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Die Markgrafschaft

mals in der Stube auf und ab, bis die Stubenjungfer
das befohlene Traktament gebracht hatte,
dann winkte er der Frau Moorband zu sitzen,
setzte sich selbst an den Tisch, ihr breit gegenüber
, schenkte ein, trank ein Glas und sagte:

„Hören Sie, mit dem jungen Menschen haben
wir einen Kapitalshecht gefangen! Mea culpa!
Ich habe Ihnen wirklich und wahrhaftig Abbitte
zu tun; denn dieser Astor ist nicht mit Gold zu
bezahlen!"

Und nun erzählte er der alten Dame kurz und
bündig den Hergang mit der Neckarbaurechnung,
und daß er den jungen Menschen nicht mehr
loslasse. Das war nun natürlich Oberwasser auf
die Mühle der Tante und Nättelchens.

„Wenn wir den herumkriegen", schloß er
seine Rede, „so macht Astor in etlichen Jahren
seine Karriere in Kurpfalz, wie nicht leicht ein
anderer!"

„Aber", fiel ihm die Tante ins Wort, „wer
wird auch gleich an's Herumkriegen denken!
Lassen Sie ihn doch, wie er ist. Sie können aus
einem Nußbaum doch en effet keinen Hollunder-
busch machen. Übrigens freut es mich, Monsieur
mon eher neveu, daß der junge Herr ganz selon
votre goüt ist, und ich bin überzeugt, daß dies
ä l'avenir noch viel mehr der Fall sein wird.
Wissen Sie was? Ich höre, der berühmte Hofkaplan
oder Hofprediger Sambuga von Mannheim
sei seit einigen Tagen zu Gerach bei unserem
lieben alten Pfarrer zur Erholung. Der
Mannheimer Herr sei ein wenig brustleidend, und
da habe ihm der Geheimrat May geraten, er solle
das Predigen für einige Zeit aufgeben und Bergluft
einatmen. Der Herr Hbfkaplan ist ja ein
geborener — doch halt, nein, ich glaube doch
kein geborener Walldorfer, aber seine Eltern
haben lange dort gewohnt. Herr Sambuga soll ja
ein gebürtiger Italiener und auch ein Poet un,d
Kunstkenner sein. Der weiß uns vielleicht Näheres
und jedenfalls nur Gutes von dem jungen
Mann zu erzählen, den wir auf so merkwürdige
Weise ins Haus bekommen haben. Da wollen wir
denn ins Pfarrhaus sagen lassen, man solle sich
dort um unser Nättelchen nicht ängstigen, es
gehe alles gut — und heute nachmittag mit
unserem Gast einen Spaziergang ins Geracher
Pfarrhaus machen".

„Ja, ja", lachte der Amtsvogt, „da ist die
Tante gleich bei der Hand, wenn es gilt, unserem
alten Herrn Besuch ins Haus zu schleppen, der
aber selbst etwas anrüchig ist im Glaubenspunkt
und einer älteren Dame noch nicht ein mal auf
die Finger geklopft hat wegen Unterlassung der
österlichen Beichte. Nun, ich bin dennoch dabei,
denn auch ich möchte das neue Mannheimer
Weltwunder, diesen italienischen Hofprediger
einmal sehen. Will Ihnen aber gleich bei demselben
ein Süpplein einbrocken, Tantei Mit den
Italienern ist nicht zu spaßen; der muß Sie cor am
nehmen, und ohne Generalbeichte für die letzten
zehn Jahre kommen Sie nicht los!"

Die Tante lachte; sie hatte bereits eine bessere
Spur vom kurpfälzischen Hofkaplan.

Kapitel VI

Ein k u r p f ä 1 z i s c h e r Hofkaplan c

Man hat fast ein Jahrhundert lang in der
Pfalz darauf los „bekehrt", und es haben manche
vielleicht ehrlich geglaubt, das Pfälzer tausendjährige
Reich komme erst, wenn es in der Pfalz
keinen reformierten oder lutherischen Kirchturm
mehr gäbe, und es brauchte viel, sehr viel, bis
andere Ansichten sich Bahn brachen. Die Leute,
die ohne Nebenabsichten und ohne Streberei mit
einem glühenden Herzen für wahre Religion, für
Menschenwohl und Volksglück an der Grenzscheide
des 18. Jahrhunderts standen und die
Marksteine der neuen Zeit setzen halfen in der
katholischen Kirche, sind nahezu vergessen: sie
hatten das Mißgeschick, bald von einem jüngeren
Geschlecht überholt zu werden, welches meist
weniger begabt, aber energischer war. Wer unter
dem jetzt lebenden Geschlecht, als etwa die Theologen
, kennt noch die Namen Hontheim, Fens-
berg, Loos, Winkelhof er, Sambuga? Der eine:
Sailer und etwa Wessenberg ragen noch hervor
aus der Flut der Vergessenheit. Und doch dankt
es die katholische Kirche in Deutschland diesen
und ähnlichen Männern, ihrem Glauben und
Wirken, der hohen Achtung, welche sie sich unter
einem Geschlecht erworben haben, dem der Begriff
„Religion" fast völlig abhanden gekommen
war, daß der auch über Deutschland hereinbrausende
Sturm der französischen Revolution
dem Haus dieser Kirche keinen bleibenden Schaden
brachte.

Sambuga war auch äußerlich, nach seinem
ganzen Lebensgang, seiner Abstammung, Erziehung
und seinem Wirkungskreis ein merkwürdiger
Mensch. Zu Walldorf bei Heidelberg geboren
als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns, der
aus Como in Italien eingewandert, war er streng
religiös erzogen worden. Schon im fünften
Lebensjahr verlor er seine vortreffliche Mutter,
im zwölften, während er in der Klosterschule der
Augustiner zu Wiesloch war, den Vater. Ein
Freund des letzteren sprach zu Sambuga und
seinen zwei Schwestern am Totenbett ihres
Vaters: „Wenn ihr auch von den Eltern kein
großes Vermögen ererbet, mache euch das keinen
Kummer; ich bin dessen gewiß, daß kein unrechter
Heller dabei ist". Sambuga vollendete
dann seine Studien in Heidelberg und widmete
sich, einem Gelübde seiner Mutter gehorchend,
der Theologie; er wäre lieber Kaufmann geworden
. Nach Vollendung seiner Universitätsstudien
zog es ihn nach Italien, wo er sich im Heimatort
der Eltern ordinieren ließ. Die Bibel und das
Neue Testament waren und-blieben das Element,
das sein gainzes Leben und Wirken bestimmte.

(Fortsetzung folgt.)

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