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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-04/0016
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Die Markgrafschaft

In früherer Zeit wurde das
Glöcklein noch bei Beerdigungen
geläutet und auch bei
städtischen Holzversteigerungen
erinnerte einst das Turn-
hallenglöckli eine Stunde vorher
an das Stattfinden der
Versteigerung.

Merkwürdigerweise ganz
anders als wir es heute kennen
, ist das „Dorff-Woben",
wie es auf der Glocke heißt,
abgebildet. Der Halbmond
liegt mit der Nase nach unten
und darüber wölbt sich,
durch eine senkrechte Linie
verbunden, das halbe Mühlenrad
. Der Fischer Fritz hat
nebenstehend das Glöcklein
abgezeichnet.

Lieber Leser und Heimatfreund
, wieder liegt ein Stücklein
Heimat vor Dir ausgebreitet
. Daß es uns erhalten
bleibt, war uns in den vergangenen
Jahren manchmal

eine* Sorge. Nun haben wir
aber Ursache zur Freude,
denn die Stadtverwaltung
hat sich entschlossen, noch
dieses Jahr mit den Renovationsarbeiten
am Turnhälleli
zu beginnen.

So konnten unsere Bitten
um Erhaltung dieses uns so
wertvollen Gebäudes endlich
doch Erhörung finden trotz
aller schweren Sorgen, die der
Stadtverwaltung durch das
Wohnungsproblem auferlegt
sind. Dieses Zeichen läßt uns
hoffen, daß auch einmal in
der Brunnenfrage (gemeint
sind Spital- und Kaiserbrunnen
) die Lösung gefunden
wird. Es wäre zu schön, wenn
die jetzt toten Brunnen eines
Tages wieder lebendig würden
! Die Heimatfreunde aber
müssen sich das Motto setzen:
„Nit no lo — gwinnt!"

F. Wolf sberger

Der Judikawein

Es war noch in den bösen Nachkriegs jähren,
damals, als ein Glas Wein zu den seltensten
Kostbarkeiten des irdischen Daseins zählte, die-
weil die Beschaffung der dringendsten Bedürfnisse
der täglichen Nahrung im Vordergrund
stand. Nun rechnet freilich der Markgräfler auch
den Wein zu diesen alltäglichen Bedürfnissen,
denn „ein Vierteli hebt eim" — und gar ein
Familienfest wäre undenkbar ohne diese köstliche
Gabe des Himmels. In jenen Jahren nun
hatte ein Arbeiter aus dem Wiesental das Judika
für seinen einzigen Sohn vorzubereiten. Machte
ihm schon die Sorge für Kartoffeln und Fleisch
zu diesem Fest einige Mühe, so bereitete ihm vor
allem die Requirierung des edlen Getränkes
schweres Kopfzerbrechen. Zum Glück fiel ihm in
einer schlaflosen Nacht ein, daß er ja im Kander-
tal noch einen bäuerlichen Verwandten hatte,
einen zwar recht weitläufigen — irgendwie von
der Großmutter mütterlicherseits her. Aber was
hat man in jenen schlechten Jahren nicht
alles an verwandtschaftlichen Beziehungen wieder
aufgefrischt, die längst erloschen waren!
Hatte man sich im „Dritten Reich" um den
Stammbaum und die längst verstorbenen Ahnen
kümmern müssen, so bekam man jetzt in der
Kümmernis dieser Zeit eine Ahnung dafür, wo
noch irgendwo in einer bäuerlichen Sippe ein
entferntes Bäsli lebe und aufzutreiben sei — und
wäre es nur von sieben Suppen ein Tünkli. Unser
Konfirmandenvater nahm also auch diesen Faden
der Verwandtschaft mit dem Vetter aus dem
Kandertal wieder auf, wenn auch nur unter dem
fadenscheinigen Grund, von ihm den nötigen

Tropfen für das Judikafest zu entlocken. Zu diesem
Zwecke stellte er sein — ach schon so lange
leerstehendes — Fäßchen auf den Handkarren
und zog mit seinem Buben, der ihm als lebendiger
Zeuge seiner Aussagen dienen sollte, los — also
nicht etwa wie ein Abraham, der im Begriff steht,
seinen Sohn zu opfern, sondern als ein Vater,
der seinem Sohn das Weihopfer zu spenden bereit
ist. Wohl oder übel mußte er, um unliebsamen
Polizeikontrollen aus dem Wege zu gehen, die
Landstraße meiden und die unwirtlichen, halbaufgetauten
Waldpfade über den Berg einschlagen
. Und das war schon mit dem leeren Faß eine
mühsame Angelegenheit. Wie sollte dann das
erst mit der vollen Ladung werden? Aber darüber
machten sich Vater und Sohn keine trüben
Gedanken. Bekamen sie wirklich das Faß voll, so
würden sie aus Freude darüber ihren Karren
schon heimbringen. Und wirklich, sie hatten
Glück. Der entfernte Vetter, den der Konfirmand
noch nie und der Vater höchstens zweimal bisher
in seinem Leben bei Beerdigungen gesehen
hatte, zeigte Verständnis für die Notwendigkeit
dieses Weinbedarfs und füllte ihnen das Fäßchen,
nicht ohne ihnen zuvor eine Probe seines Weines
spendiert zu haben. Ihrerseits lud nun natürlich
der Vater den Vetter zum Judi£a herzlich ein,
und er versprach auch zu kommen. So zogen denn
Vater und Sohn mit ihrer köstlichen Fracht den
heimatlichen Gefilden wieder zu, neu gestärkt
und zugleich belebt von der Vorfreude auf den
reichlichen und guten Trunk.

Allein es war doch recht mühsam, den Karren
den steilen Stich am Berg hinaufzuziehen, und


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