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Die Markgrafschaft
InS neue Land / Aus J. J. Astors Lehrjahren
8. Fortsetzung. Von Herrmann Albrecht
Kapitel VII
Irrungen und deren Lösung
Hätte Jakob nur eine ferne Ahnung gehabt
davon, welch eine heillose Verwirrung das erste
Schreiben des Gerichtskanzlisten und noch mehr
das zweite auf dem Insultheimerhof angerichtet,
er wäre schnurstracks nach Hause gelaufen. Es
war am Freitag morgen derselben Woche — die
Rettungstat war am Dienstag geschehen — da
traf bei Herrn Bender, der eben seinen Zehnuhrimbiß
verzehrte und dabei ausrechnete, wie weit
Jakob bereits mit seinem Schafeinkauf gediehen
sein könne, und daß er jetzt etwa in der Gegend
von Buchen oder Adelsheim sein müsse, ein Bote
von Heidelberg her ein und gab ein großversiegeltes
Schreiben von Zwingenberg am Neckar
ab, des Inhalts:
„An den tit. Hofbeständer Peter Bender
auf dem Insultheimer Hof.
Namens und Auftrags Seiner Gestrengen des
Herrn Amtsvogts von Erlenbaum wird von Amts-
vogteiwegen alldort angefragt, wieviel und was für
Geld besagter Peter Bender seinem Schafknecht
Johann Jakob Astor, gebürtig von Walldorf, mitzugeben
sich veranlaßt gesehen habe. Steht nach obwaltenden
Umständen sehr dahin, ob benanntes Geld
an seinen Ort komme, sintemalen es in Diebshände
gerathen.
Zwingenberg, am 27. März 1783
Das Amtsvogteigericht:
A. A.
Jodokus Schellhamimer, Kanzlist."
Der .Herr Bender rieb sich die Stirn und fuhr
den Boten barsch an, denn es war aus dem
Schreiben ja nur zu entnehmen, daß mit dem
Geld für den Schafkauf etwas geschehen sei. Wer
der Dieb sei, wußte auch der Bote nicht und
strich die Segel.
Herr Bender ließ einspannen und fuhr sofort
nach Walldorf hinüber zu Jakobs Vater. Es fehlte
nicht viel, so wären die beiden tüchtig hintereinander
gekommen, denn der Metzger - Jakob
nahm die Sache sehr übel auf. Zu so etwas sei
sein Sohn viel zu rechtschaffen; er wolle sich
jeden sotanen Gedanken in allem Respekt für
Herrn Bender ein für allemal verbeten haben.
Glücklicherweise kam der alte Kirchenschaffner
dazu und las das Schreiben auch. Der Name
Erlenbaum gefiel dem Alten schon nicht, und er
machte sich seine stillen Gedanken, ob vielleicht
gar der Enkel dort hinten in jenem ,,finsteren
Gäu" dafür herhalten müsse, was der Amtsvogt
schon lang gegen ihn, den Kirchenschaffner, im
Kopf habe. Er riet aber dem Herrn Bender nur,
da ja vorderhand doch nichts zu machen sei, abzuwarten
, was in den nächsten Tagen weiter
komme. Für den Jüngsten übernehme er jede
Bürgschaft; es sei gewiß bei Jakob nichts Ungerades
.
Letzteres leuchtete Herrn Bender ein, aber der
Schafhandel blieb stecken, und der durfte laut
Akkord nicht stecken bleiben. Er beschloß also,
wenn bis Samstag abend sich nichts rege, sich
selbst nach Zwingenberg auf den Weg zu machen,
und fuhr wieder nach Hause.
Des andern Tags, just zur selben Stunde, wie
gestern, kam ein Extrabote, nämlich ein reitender
, von Heidelberg, und brachte ein großes,
schweres, versiegeltes Paket, das in Leinwand
eingenäht und an Herrn Bender adressiert war.
Es enthielt seine Geldkatze, und als er das Geld
nachzählte, fehlten an der mitgegebenen Summe
bloß neunundvierzig Kreuzer, offenbar der Betrag
für die erste Nachtzeche in Neckargemünd.
Herr Bender atmete erleichtert auf. Aber es
war auch ein Schreiben beigelegt, und das enthielt
kurz und bündig folgendes:
„An den Hofbeständer Peter Bender
• auf dem Insultheimer Hof.
Von Amtswegen wird dorthin Bericht gethan
unter Beilegung sothaner wiederum anhero gelieferten
Geldkatze, enthaltend 1999 fl. 11 kr., wofür uns
Quittung zu übermachen gefällig, sowie daß der
Dieb eingebracht und der Schafknecht Jokann Jakob
Astor hier sitzen bleibe. Weshalb weiteres zu verfügen
und einen anderen Schafknecht zu bestellen
dem Herr Bender anheim gegeben werde.
Zwingenberg am Neckar, den 28. May
A.. A..
Jodokus Schellhammer, Kanzlist."
Der Herr Bender machte Augen wie Pflugräder
: sie blieben an dem Wort „sitzen" hängen.
Es war also doch, wie er geargwohnt. Er hatte
an diesem Jakob fehlgegriffen; denn derselbe
mußte in irgend einer Weise an dem Diebeshandel
beteiligt sein, sonst müßte er nicht in
Zwingenberg „sitzen". Er dankte Gott im stillen,
daß die Sache noch so abgelaufen war.
Wiederum ließ er einspannen und fuhr nach
Walldorf und traf dort auf den Kirchenschaffner,
der eben aus dem Stall kam. Dieser erfuhr nun
zu seinem Schrecken, was in dem Schreiben
stand, und was auch er nicht anders verstehen
konnte, als Jakob sei eingetürmt und auf irgend
eine Weise in den Diebstahl verflochten. Ein
herber Schmerz legte sich auf die Seele des alten
Mannes: sollte denn sein Liebling, der Jakob, der
erste sein, der in diesen heillosen, von Gott abfälligen
Zeiten die Familie entehrte? Jakob
mußte wohl gefangen sein, denn sonst hätte er,
der Feder wohl mächtig, einige begleitende Zeilen
hineingeschrieben.
Sein Entschluß war gleich gefaßt: er wolle
eiligst, so sagte er, obwohl er schwer von daheim
abkommen könne, nach Zwingenberg und sehen,
wie es dort stehe. Ob ihm Herr Bender nicht
über Sonntag sein Roß und Wägelchen anvertraute
? {Fortsetzung Seite 10)
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