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Die Markgrafschaft
In reichem Rokokozierat grüßen vom Dreieckgiebel
an der Hauptfront des Schlosses zwei
Allianzwappen (das Schachbrett derer von Baden
und das Wappen derer von Rotberg), Fahnen
und Geschützrohre den Beschauer. Sehr beachtenswert
sind auch die kunstschmiedeeisernen
Gitter an den Fenstern des Erdgeschosses und
das schöne Portal, die sich harmonisch in das
Bild der architektonisch fein durchdachten Hauptfront
einfügen.
Nicht vergessen sei das Kleinod der Kirche:
der schöne spätgotische Chor aus dem Jahr 1464
— die Grabkapelle der Freiherren von Baden —
mit seinen kostbaren Wandgemälden, die diesen
Chor besonders wertvoll machen.
Erwähnung verdient auch die im Jahre 1560
entdeckte Quelle, deren ausgezeichnetes Wasser
als „Lieler Schloßbrunnen" überall getrunken
wird, und das den Namen des Ortes auch jenseits
der Grenzen unseres Landes bekannt macht.
Wenn nun am 5. Juli die Glocken von Liel
den 1000. Geburtstag dieses Ortes einläuten und
die Festgäste aus allen Orten des Markgräfler-
landes zusammenströmen, um mit dem Geburtstagskind
zu feiern und sich zu freuen, soll auch
unser bescheidener Gruß in der Festesfreude
vernehmbar sein. Wir wollen dankbar Dessen
gedenken, der in einer wechselvollen 1000 jährigen
Geschichte seine gnädige Hand über diesen
Ort gehalten und uns mit der Gemeinde Liel
diesen Tag erleben läßt.
So grüßt „Die Markgrafschaft" das 1000jährige
Liel und wünscht ihm ein frohes und besinnliches
Geburtstagsfest,, das den Jungen und den Alten
der Gemeinde in freundlicher Erinnerung bleiben
wird. F. W.
Wir machen darauf aufmerksam, daß zur
1000-Jahrfeier der Gemeinde Liel die Chronik
dieses Ortes, von Dr. Fritz Fischer verfaßt, im
Selbstverlag der Gemeinde erscheinen wird.
IllS neue Land (Fortsetzung von Seite 8>
Er gehe selber mit, antwortete Herr Bender;
er möchte doch sobald als möglich erfahren,
ob er sich so sehr in dem jungen Menschen
geirrt habe. Er stehe mit dem Amtsvogt auf
gutem Fuß, so ließe sich vielleicht etwas machen
und der Junge könne dann gleich wieder ins
Geschirr mit dem Schafhandel.
So fuhren sie denn am Samstag nachmittag
selbander nach Zwingenberg ab.
Dem Jakob war es heute, am Trinatisfest,
besonders wohl und behaglich zu Mute. Hatte er
doch über die letzten Tage, wo er am Tisch des
Amtsvogts hatte essen dürfen, gar eifrig und
fleißig gearbeitet, und dann am gestrigen Abend
dem gnädigen Herrn die vom Forstschreiber verpfuschte
Rechnung neu gestellt und prachtvoll
geschrieben, übergeben können, und von demselben
dafür einen blanken Theresientaler erhalten
mit der Zusicherung, daß er demnächst seiner
festen Bestallung als Incipient in der Zwingen-
berger Kanzlei gewiß sein dürfe. Er hatte auch
am Donnerstag morgen an den Vater geschrieben
, ihm das Geschehene und seine Aussichten
mitgeteilt, und die Bitte beigefügt, solches auch
den Großvater wissen zu lassen. Daß der Amtsvogt
die Geldkatze an Herrn Bender geschickt,
war ihm nicht recht; er hätte es gerne selber
getan. Der Brief kam aber erst Dienstags in
Walldorf an.
Da der Himmel so wunderschön blau in
Astors Stube hereinlachte — er bewohnte seit
Donnerstag ein kleines, gegen Morgen und Mittag
gelegenes Turmzimmer mit behaglicher Einrichtung
und war also eingetürmt, nur in anderem
Sinne, als es sein guter Großvater meinte —
so litt es ihn nicht in der engen Stube, und er
beschloß, einen Morgenspaziergang zu machen.
Der Bergwald zog ihn mächtig an, insbesondere der
auf der steilen Halde hinter der Burg, mit seinen
dunklen Fichten und den hellgrünen Buchen.
Im Schloßhof sah er sich nach Phylax um, er
erfuhr jedoch, der Herr Amtsvogt habe ihn
gestern einem nach Speyer handelnden Juden
für den Insultheimerhof mitgegeben. So enteilte
er dem beengenden Schloßzwinger, den gepflasterten
Schloßweg hinab, und in wenigen
Minuten wandelte er unter dem wundervollen,
junggrünen Buchenlaubdach des steil ansteigenden
Waldweges. In tiefem Blau leuchtete ein
sonntäglicher Maihimmel durch das Geäst.
Der Weg der hinter ihm liegenden Woche,
all das Merkwürdige, das ihm in derselben
begegnet, zog an seiner Seele vorüber, und er
dankte Gott, der ihn so freundlich geführt.
Da plötzlich traf er auf den Förster, den er
schon kannte. Ja, meinte dieser, er hat beim
gnädigen Herrn einen Stein im Brett, und noch
mehr bei der Mamsell Tochter, drum kann er's
zu etwas bringen, wenn er die Ohren steif hält
und Grütze im Kopf hat. Heul' er in's Teufels
Namen ein wenig mit den Wölfen — er versteht
mich schon —, und hintennach kann er allemal
denken und glauben, was er will. Karessier' er
die Mamsell tüchtig und trag' er der Tante — sie
ist die beste Seele von der Welt ,— ihren Pelz-
fußwärmer brav von einer Stube in die andere
nach, dann ist er in ein paar Jahren Amtskeller
(Gerichtsbeisitzer im Amt), oder der Teufel soll
mich holen. So, jetzt hat er gehört, wie ich's
meine, und ich meine es gut mit ihm, Mosje
Astor; sag' er aber niemand, daß er's von mir
gehört hat.
Damit warf der Förster sein Gewehr über die
Schulter, pfiff seinem Hund, lüpfte den Hut und
ging bergab.
Die Rede des Grünrocks hatte einen merkwürdigen
Eindruck auf Astor gemacht; was der
betreff Nättelchen gesagt, war ihm wie ein Pfeil
ins Herz gefahren. War es denn möglich, daß die
vornehme Tochter des Herrn Amtsvogt Gefallen
an ihm gefunden, oder hatte ihn der Förster
etwa nur zum Besten?
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