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Die Markgrafschaft
Die Sache lief aber ganz anders ab, als Jakob
fürchtete. Erstlich hatten der Großvater und
Herr Bender die wahre Sachlage schon vom
Schiffwirt erfragt und zugleich erfahren, der
junge Astor gelte im Schloß beim gnädigen
Herrn und der Tante für ein „Genie"; seine
mannhafte Tat, die der Schiffwirt noch gehörig
herausstrich, machte den Großvater stolz auf den
Enkel, und daß der Junge heute am Trinitatisfest
den reformierten Gottesdienst geschwänzt
habe und in der katholischen Kirche gewesen sei,
das konnte man ihm von weitem nicht ansehen.
Der Umstand, daß der Herr Amtsvogt dem Jakob
eine Anstellung auf dem Schloß versprochen,
ließ den Alten ziemlich kalt. Er traute diesem
Anstand aus verschiedenen Gründen nicht; aber
er dachte, einige Zeit als Schreiber auf einer
Kanzlei verbracht, könne dem Jakob nichts
schaden.
Für's zweite war ja noch ein anderer Walldorfer
als Mittelsmann da, und das war der
Herr Hofprediger.
Kaum hatte derselbe den Hardtbauern und
Herrn Bender erblickt, — er kannte den Kirchenschaffner
recht gut, wie ihm auch der wohlbeleibte
Beständer vom Insultheimer Hof noch
gut erinnerlich war —, ging er, Jakob zuwinkend,
etwas rascher vorwärts und schritt, die Hand
ausstreckend, auf die beiden Landsleute zu, begrüßte
sie und schüttelte ihnen kräftig die
Rechte.
„Nein, was man doch da hinten am Neckar
Leute trifft, die man gern einmal In Mannheim
sehen würde! Und was Ihr da für einen prächtigen
Jüngsten habt an Eurem Jakob, oder eigentlich
, da er jetzt ein großer »Herr wird, Johann
Jakob Astor, der macht Euch alle Ehre, Kirchenschaffner
; springt da mir nichts, dir nichts in den
Neckar, als ob das ein Mühlbächlein wäre! Herr
Amtsvogt, wenn Sie einen wackeren, grundrechtschaffenen
Mann kennen lernen wollen, wie es
in unserer Zeit nicht viele gibt, hier zeige ich
Ihnen einen, den ich von Kindesbeinen an kenne,
den reformierten Kirchenschaffner Felix Astor
von Walldorf, und hier den ebenso wackeren
Beständer vom Insultheimer Hof, welcher doch
hoffentlich den Jakob nicht zurückholen will".
Der Amtsvogt, welcher Jakobs Großvater
gleich wiedererkannt hatte, aber nicht wußte,
was er zu dessen Anwesenheit auf der Burgterrasse
denken oder sagen solle, trat auf den
Kirchenschaffner zu und fragte mit merklicher
Kälte und Steifheit: „Was führt denn Euch nach
Zwingenberg?"
Jetzt nahm Herr Bender das Wort und erzählte
lachend der aufmerksam zuhörenden
Gesellschaft, was aus der Zwingenberger Kanzlei
nach dem Insultheimer Hof gediehen war, dem
Amtsvogt die beiden Schreiben vorweisend.
Jakob meinte anfangs, er müsse vor Scham
in den Boden sinken, daß man ihn eines Diebstahls
für fähig gehalten habe; Herr von Erlenbaum
aber, einen Augenblick willens, über seinen
Esel von Schreiber ein Donnerwetter loszulassen
, brach bald in ein helles lustiges Lachen
aus, in welches, weil es zu urwüchsig war, sogleich
alle Anwesenden, selbst Sambuga und
Jakob nicht ausgenommen, kräftig einfielen.
„Solche Schelme, wie Euren Jakob, Kirchenschaffner
", sagte der Amtsvogt, und reichte jetzt
dem Alten die ganze Hand, „sollten wir viele
haben in Kurpfalz, dann wäre die Schelmerei
bald abgetan!"
Das Eis war gebrochen, und das Unerhörte
geschah auf Zwingenberg, was, seit Herr von
Erlenbaum die Amtsvogtei innehatte, noch nie
geschehen war: er lud die zwei Bauern zum
Mittagessen an seinen eigenen Tisch. Herr Bender
war ja auch ein Bauer, wenn auch in Manschetten
.
Der Kirchenschaffner müßte ein Steinherz
gehabt haben, wenn er solcher Freundlichkeit
Widerstand geleistet hätte. Es war so ganz anders
gekommen, als Jakob und sein Großvater es sich
vorgestellt hatten; der alte Astor fand seinen ehemaligen
Feind so entgegenkommend, daß er die
Einladung gern annahm,- und nun auch der Tante
und Natalie die schwielige Hand reichte. Sogar
Jakob, auf welchem er jetzt erst recht sein Auge
mit rechtem Wohlgefallen ruhen ließ, kam ihm in
der modischen, feinen Stadtkleidung in einem
neuen Licht, fast wie eine Art Respektsperson
vor; es fiel ihm nicht ein, dem Enkel darum einen
Vorwurf zu machen.
Die ganze Gesellschaft saß kurz darauf beim
Dreifaltigkeitsessen, bei welchem der alte Astor,
nachdem er einmal aufgetaut war, keineswegs
die schlechteste Figur machte und mit einem
feinen, fast aristokratischen Takt jeden in so
gemischter Gesellschaft so leicht möglichen Anstoß
vermied, dabei aber auch manch einen kernhaften
Bauernspruch ins Gespräch fließen ließ.
Mit dem Hofprediger und dem Amtsvogt beteiligte
er sich lebhaft am Gespräch. Das hinderte
ihn aber nicht, mit einem dann und wann nach
dem Enkel geworfenen Streifblick wahrzunehmen
, was die Glocke im Herzen der Tochter des
Amtsvogts geschlagen habe, nämlich, daß das
Mädel bis über die Ohren in seinen Jüngsten
verliebt sei. Auch der Hofprediger folgte manchmal
dem Blick des Alten und erriet wohl dessen
Gedanken. (Forrsetzung folgt)
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