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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-06/0017
Die Markgrafschaft

15

bein links, rechter Fuß vor, bis die ganze Bekanntmachung
unter fortwährendem Beinwechsel
zu Ende gebracht war. Nun wagte es schon
manchmal ein freches Lausbüblein, sich hinter
den Polizei zu stellen und sein komisches Beinspiel
nachzuäffen, bis das Schmunzeln der Zuhörer
ihn aufmerksam machte. Dann war es aber
Zeit für den Sünder, Fersengeld zu geben.

In jener Zeit schritt aber außer dem Polizei
noch eine andere merkwürdige Persönlichkeit
durch die Straßen des Städtchens. Das war „Oja
Pickfein" mit seinem schwarzen Pudel. Eigentlich
hieß er Zechiel. Wenn er aber etwas bestätigen
wollte, so sagte er nicht einfach „Ja" wie
ein gewöhnlicher Mensch, sondern immer: „O ja,
pickfein!" und schon hatte er seinen Spitznamen
weg. Früher war Zechiel Lehrer in Sitzenkirch
gewesen. Nach seiner Pensionierung zog er nach
Rändern und führte hier, da er nur für sich und
seinen Pudel zu sorgen hatte, ein vornehmes
Leben. Zuerst wohnte er in der Riedlinger
Straße. Aber da geriet er in Gewissensnöte. Über
ihm wohnte eine fromme Frau, die fleißig betete,
und unter ihm sein Hausherr, der lästerlich
fluchte. „Die Obere betet, der Untere flucht, und
ich stecke mitten drin; das kann kein Mensch
aushalten", klagte er und zog um in die Hinterstadt
. Da störte ihn niemand. In dem großen
Zimmer mit dem breiten Fenster hatte er ein
ziemliches Durcheinander, und es roch auch nicht
immer zum besten; aber ihm und seinem Pudel
war's wohl. Gemessenen Schrittes wandelten sie
durch die Straßen. Oja Pickfein war groß,
schlank und hielt sich sehr aufrecht. Auf seinem
rotbäckigen Gesicht lag ein wohlgefälliges Lächeln
. Auf dem von einem grauen Lockenkranz
umgebenen Haupte trug er eine karierte Tellermütze
ohne Rand, an den Füßen glänzende
Rohrstiefel und in der Hand eine Reitgerte mit
baumelnder Quaste. Damit pflegte er auf die
Stiefelrohre zu klopfen; das gab ihm ein herrschaftliches
Aussehen. Und der stolze Pudel
paßte zu ihm. Er war fein geschoren und trug
Mähne, Manschetten und Schwanzquaste mit viel'
Anstand.

Wir Kinder hatten vor den beiden einen
gewaltigen Respekt und grüßten höflich. Oja
Pickfein hob graziös die Gerte an die Mütze und
nickte uns lächelnd zu. Aber wenn er außer
Sicht war, ahmten wir ihn nach und sagten mit
öliger Stimme: „O ja, pickfein!" Manchmal soll
er sich dem erstaunten Städtchen auch hoch zu
Roß gezeigt haben, doch kann ich mich daran
nicht erinnern.

Die Abende verbrachte Oja Pickfein in der
Bahnhofsrestauration. Dort hatte er in einer Ecke
seinen Stammplatz, über dem ein schön gemaltes
Schild hing: Zechielsruhe.

Ganz das Gegenteil von dem vornehmen,
bedächtigen Zechiel war der Kähny, der städtische
„Reinigungskommissar". Er war ein Häfele,
das gleich überlief und manchmal Gift und Galle
sprudelte. Er war aus Adelhausen gebürtig, ein
kleines, schmächtiges Männchen mit roten Bak-
ken und einem freundlichen Lächeln. Aber wenn
ihn einer ärgerte, konnte er fuchsteufelswild

werden. Sein Reinigungsbezirk war die Hauptstraße
, in der er einen erfolgreichen Kampf
gegen die Spuren der Landwirtschaft und allen
sonstigen Unrat führte.

Mein Vater konnte es besonders gut mit ihm
und lud ihn im Winter oft ein, sich die Hände
an unserem großen Kachelofen hinter dem Laden
zu wärmen. Manchmal holte er ihm auch einen
Magenwärmer oder eine Zigarre. Dann lachte der
Kähny über das ganze Gesicht.

Vor Neujahr kam er dann als „Kunde" in
den Laden, um sich einige Neujahrskärtchen zu
kaufen. Da suchte er und schaute, prüfte und
verwarf, ergötzte sich an den Witzkarten, wärmte
sich zwischendurch am Ofen und hielt endlich
seine Kärtchen in der Hand, die er sich nie schenken
ließ, sondern auf Heller und Pfennig bezahlte
.

Einmal wurde er auch „befördert". Der Bürgermeister
ernannte ihn zum Oberaufseher der
Straßenreinigung und ließ ihm zur Feier dieses
Tages seinen Karren frisch streichen. Der Löhler-
Maler gab dem Gefährt einen schönen grauen
Anstrich mit schwarzen Rändern und schrieb
darauf: Ludwig Kähny, Städtischer Reinigungskommissar
. Auf diese Ehrung war der Kähny
sehr stolz. Er kam auch zu uns herein und wir
mußten ihn und sein Fuhrwerk bewundern. „Da
müßt Ihr heute abend kommen und ein Viertele
trinken", sagte mein Vater.

Nach Feierabend kam der Kähny, und da
gerade großer Betrieb im Laden war, schob ihm
die Mutter einen Küchenhocker in die Lücke
zwischen Ofen und Ladenschränkchen. Da gefiel
es ihm sehr gut, denn er konnte die Leute im
Laden beobachten, ohne selbst gesehen zu werden
. Das Viertele Johannisbeerwein, den Vater
immer selbst bereitete, wurde leer, wieder aufgefüllt
, wieder leer und wieder gefüllt, und so
hatte der Kähny bald ein kleines Dudeli. Der
Schlaf übermannte ihn in seiner warmen Ecke.
Herunterfallen konnte er nicht; denn er war von
drei Seiten gestützt, und so regte er sich nicht
mehr und wurde im Trubel des Geschäftes vergessen
. Als es allmählich stiller wurde im Laden,
erwachte er. Das Schläflein hatte ihm gut getan
und der Rote seine Laune gehoben. Er lachte
still vor sich hin — ich hatte ihn um die Ofenecke
herum heimlich beobachtet — setzte sich
aufrecht, und plötzlich ertönte, zum Gaudi aller
noch im Laden Anwesenden, eine krächzende
Männerstimme hinter dem Ofen hervor: „Als
Kaiser Napoleon von Frankreich gezo—ogen
kam ..." Kähny, sang selig sein Leiblied: „Der
Brand von Moskau".

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