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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-07/0014
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Die Markgrafschaft

den Boden. Es gefiel ihnen hier. Sie erbauten die
Kapelle und lebten und starben wie die Blumen
auf den Wiesen. Mein Urahne betete noch jeden
Sonntag in dieser Kapelle vor der kleinen Gemeinde
. Im Laufe der Jahre verschwägerten sich
die Kinder der Ahnen mit den Leuten der Umgebung
. Ihre Nachkommen gingen zur Orthodoxen
Kirche über, weil dies der rechte Glaube
sei, wie der Pope sagte. Die Großmutter und ich
aber waren beim alten Glauben geblieben. Jetzt
ist unser Kirchlein verlassen; die Blumen kehren
in jedem Jahre wieder, die Toten aber nicht. —
Eines Tages rief mich die Mutter zur sterbenden
Ahne. Auf den Knien mußte ich ihr schwören,
daß ich, solange ich lebte, zu Ostern, besonders
aber zu Allerseelen, die Glocke läuten werde.
Diesen ^Schwur habe ich gehalten, und noch jetzt
läute ich. Besonders zu Allerseelen läute ich
lange. Es ist ein Gebet für die Verstorbenen,
sagte einmal die Ahne — sie wußte, was sie
sagte, denn sie war eine kluge Frau". — „Sind
Sie denn allein geblieben; haben Sie niemanden
?" „Nein. Ich habe geheiratet, aber mein
Mann — Gott hab ihn selig! — war orthodox,
obwohl sein Vater noch Deutscher war. Meine
Kinder wurden wie er; sie nahmen seinen Glauben
an. Kennen Sie, Cucoane (gnädiger Herr),
den blonden Michail, der mit den Büffeln fährt,
nicht? Er ist mein Enkelsohn, der stärkste Mann
in unserem Dorf". — „Ja, ich kenne ihn. Ist aber
niemand von den Leuten geblieben, die Deutsch
können?" „Nein, die Deutschen sind nicht mehr
da. Ich habe etwas Zeit, Ihre Hausfrau kommt

noch nicht — ich führe Sie zum deutschen
Friedhof".

Verlassener kann keine Waise sein, als der
Ort mit den alten, eingesunkenen Gräbern. Wild
wuchern die Brombeeren und Heckenrosen auf
ihnen, und oft sind, die Steinkreuze überwachsen
und die meisten Namen der Verstorbenen verwischt
. Doch finde ich Namen wie Friedrich
Steinbock, Andreas Ruh und manche andere.

Als die Sonne zwischen den leichten Wolken
hervorbricht und die Gegend vergoldet, scheint
der Friedhof nicht mehr so verlassen. Bienen
summen, Vögel singen, Falter, fliegenden Blumen
gleich, besuchen die Gräber, und die schlanken
Birken erscheinen wie brennende Fackeln
in der Herbstsonne. Sogar das alte Weiblein
schaut nicht mehr so verfallen aus.

Die Nachkommen dieser alten Siedler sind
Motzen geworden; sie arbeiten, wie es ihre hergezogenen
Ahnen taten, und fühlen nicht, daß
sie Kinder einer verlorenen Heimat sind. Die
Fremde ist ihnen Heimat geworden. „Muntii
nostri aur poarta..." singen sie noch heute und
geduldig trafen sie ihre Armut.

Läutet noch das Glöcklein zu Allerseelen?

Die Hände, die damals, als ich dort war, die
Glocke erklingen ließen, ruhen wohl schon lange
auf dem alten Friedhof. Das Großmütterchen
war die letzte von den alten deutschen Siedlern.

Requiescat in pace!

v. Bukow

Der Markt von Schlierigen im Wandel der Zeiten / von e. Jäger

Heute macht er nicht viel von sich reden, der
„Schlienge-Märt". Abseits der Landstraße wickelt
er sich ab. Das war zu Anfang dieses Jahrhunderts
anders. Damals wurde der Vieh- und
Schweinemarkt auf dem Dorfplatz abgehalten.
Der damalige Verkehr ließ dies ja zu. Der Markt
war manchmal recht gut befahren. Verkäufer
und Käufer hatten sich genügend eingefunden.
Damals wußte man noch nichts von „Vieh-Kaufleuten
". Nur Handelsjuden — Juden ihrer Abstammung
nach — kannte man. Mitunter gab es
aber auch „Christen-Juden", die den andern
ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen waren.

Vu Mülle sin si als chu: der Landschade-Sepp,
der Grawatte-Sepp un wie si alli gheiße hän. Der
Rieser wänn mer au nit vergesse. Er het zwar
nit mit Vieh ghandlet. Z' Mülle het er e Lädeli
gha mit Ziig. Mit sim Wägeli isch er als uf
Schlienge chu un het sini Stöffli verchaufe welle.
Mängmol het er au e Suppehuehn oder e Guler
in Zahlig gnu. Er het au märte lo, un het's eis
verstände, so het er's nit übervorteilt, der Abraham
Rieser, das chlei, zäch Männli!

Doch zurück zum Markt. Ein abgeschlossener
Handel wurde meistens im Gasthaus zur Sonne
durch einen Trunk bekräftigt. Diese Sache zog
sich mitunter in die Länge, denn bei einem Viertele
Markgräfler blieb es meistens nicht. Während
dieser Zeit waren die Tiere des öfteren an
der Stange vor der „Sonne" angebunden und
mußten sich in Geduld üben. Die Sonnenwirtin
hörte das ungeduldige muh-muh-muh! nicht
allzu gerne, — die Viecher hän si halt duurt in
der Seel inne! — Dem Sonnenwirt ging es nicht
so sehr zu Herzen; er war Geschäftsmann durch
und durch.

Und doch, was waren diese Märkte gegen die
von früher, vom vorigen Jahrhundert. Er wäre
schön gewesen, der „Schlienge-Märt". Jä, jä! mir
z'Schlienge hän früehjer au e guete Märt gha,
nit numme d'Müllemer! — Bis Ende der 80er
Jahre wurde in unserem Dorf viermal im Jahre
Markt abgehalten und zwar am Fasnacht-Montag,
nach dem Dreifaltigkeits-Sonntag, im September
und im Dezember.

Laßt euch erzählen:

Isch des e Läbe un Tribe gsi im Dorf! Us de
Nochbersdörfer sin si chu un us em Elsiß sin si
mit de Waidlig über der Rhii chu. Alles het me
chönne ha uf em Märt: Herz was begehrsch! Mul,
was wit! Drei Reihe Ständ sin uf em Dorf platz
gsi. Die mittleri Reihe isch de Chinder un de
junge Lit all die liebsti gsi. D' Granitzlerständ
het me numme gsait. Do hets ge: Halschettene
Fingerring un Ohrering, Rosechränzli — mr het
als au Betnuster gsait —, Heiligebildli oder


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