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Die Markgrafschaft

15

Hochzeit eingeladen waren, haben wir noch tagelang
daheim von dem schönen Essen geschwärmt.
Also die Fleischsuppe mit Butterknöpfli war
einfach pikobello, und den Brotschinken macht
dir keiner nach. Ganz zu schweigen vom Kalbsnierenbraten
, und den Meringen mit Schlagrahm
. Mir läuft jetzt noch das Wasser im Munde
zusammen. Aber ich bleib bei meiner Behauptung
: zufrieden sind sie nie, die Dienstboten!"

Und weil die junge Frau dies nun absolut
nicht gelten lassen will, schließen sie eine entsprechende
Wette in Höhe von fünf Mark ab.
Die junge Frau soll also am Sonntag das Mittagessen
kochen — genau wie es bei ihrer Hochzeit
war — und dann wollen sie heimlich an der
Küchentür lauschen, was der Jobbi, der Stefan
und das Vreneli darüber zu sagen haben.

„Du wirst sehen, du verlierst!" schmunzelt
der Müller-Baschi.

„Du wirst sehen, ich gewinne die fünf Mark!"
trumpft die junge Frau siegessicher auf.

Am Sonntag vormittag steht dann auch die
junge Frau am Küchenherd und kocht, bratet,
bruzzelt und backt, daß es nur so eine Art hat.

In ihrer blütenweißen, großen Schürze, den
glühenden Backen und fröhlich leuchtenden
Augen sieht sie ja zum Anbeißen aus. Das findet
sogar der sonst so bärbeißige Jobbi, der in der
Mühle eine Art Vertrauensstellung hat, und
dessen Urteil bei allen Dienstboten etwas gilt.
Wie ein verliebter Kater streicht er in der Küche
umher, obwohl er sich nie sehen läßt, wenn die
alte Bäuerin kocht.

Während die junge Frau mit den Pfannen und
Kesseln rasselt, rührt und probiert, rechnet sie
sich schon wohlgelaunt aus, was sie für die fünf
Mark, die sie sich heute verdient, kaufen will.

Bis es schließlich soweit ist. Als alle Dienstboten
erwartungsvoll um den Tisch sitzen, der
guten Dinge harrend, die man durchs ganze Haus
schmeckt, bringt die junge Frau selbst die Speisen
herein. Mit verheißungsvollem Lächeln
wünscht sie allen „E guete!", und dann baut sie
sich mit dem Müller-Baschi hinter der Küchentür
auf und lauscht.

Drinnen darf sie natürlich nicht bleiben, weil
das die Leute einschüchtern, oder sonst beeinflussen
könnte. Schließlich will man ja ihr ungeschminktes
Urteil hören.

Ein ganze Weile hören die Lauschenden nichts
wie Besteckklirren, Tellerklappern und wohliges
Schmatzen.

Einmal sagt der Jobbi: „Jetzt muß ich mir
den Hosenbund locker machen, oder es verklepft
mich. Soviel hab' ich in zehn Jahren nicht gegessen
!"

Die junge Frau lächelt stolz. Sie kann zwar
den Jobbi nicht recht leiden. Schon wegen seiner
umfangreichen, blaugeäderten Viertelenase nicht,
und den anrüchigen „Sprüchen", die er gerne
klopft; aber heute ist ihr sein Lob wie Musik in
den Ohren. Wenn er zufrieden ist, dann hat sie
die Wette sozusagen schon hundertprozentig gewonnen
, denn der Jobbi ist gewissermaßen
Autorität.

Der Stefan stimmt eifrig zu: „Du sagst es,
Jobbi! Ich könnt' stundenlang weiteressen, wenn
ich nicht Angst hätte, Magenerweiterung zu bekommen
. Wirklich, ein hochanständiges Essen!"

Und das Vreneli schwärmt: „Genau so will
ich es an meiner Hochzeit auch mal haben. —
Ha, diese Meringen! — Wie auf der Hochzeit zu
Kanada!"

„Kanaa, heißt es, du Dübel!" verbessert sie
der Jobbi. „Aber das kann ich euch sagen, wenn
ich nun sagen sollte, daß ich wirklich zufrieden
bin, dann müßt' ich lügen".

„Nanu?" entfährt es dem Stefan. „Das versteh
ich nicht. — Was fehlt denn noch, damit du
richtig zufrieden wärst?"

Da grinst der Jobbi über sein ganzes Faungesicht
: „Jetzt müßt ich, als Dessert, von der
jungen Frau noch e herzhaft Schmützli kriege, —
dann wär' ich richtig zufrieden!"

Hinter der Tür aber bekam die junge Bäuerin
vor Ärger rote Ohren — und der Müller-Baschi
lachte sich eins.

Werner Granville-Schmidt

Ins neue Land (Fortsetzung von S. 10)

Es verstand sich also von selbst, daß Astor allein
zu Pferde nach Mosbach ziehe. Der von der Tante
zubereitete Geburtstagskuchen, den man hatte
gemeinsam auf der Fahrt verspeisen wollen,
konnte auch am Abend nach Astors Rückkehr
beschert werden.

Da kam die Tante aber schön an: es gab zwischen
ihr und Nättelchen eine heftige Szene,
deren Erfolg war, daß das Wägelchen eben doch
vorgeführt wurde; nur mußte der „kleine Eigensinn
" ein heiliges Versprechen geben, daß der
Inzipient seinen besonderen, gewöhnlichen Sitz
als Kutscher vornen, Natalie aber den reichgepolsterten
Hauptsitz in der Mitte des Gefährts
habe.

Der Amtsvogt konnte sein Familienvotum in
dieser Etiquettesache nicht abgeben, denn er war
schon mit Tagesanbruch nach Breitenbronn hinübergeritten
.

Kaum aber waren die beiden jungen Menschenkinder
den Schloßweg hinab und außer
Sicht, als der Tante in ihrem Bett diese Nachgiebigkeit
mehr Schmerzen verursachte, als der
Rheumatismus. Und Frau Moorband hätte doch
wahrhaftig keine Besorgnis zu hegen brauchen;
Nättelchen hielt ihr Wort getreulich, nur daß ihr
Sitz vom Knecht ein wenig mehr nach vorne
gerückt werden mußte; denn auf dem holprigen
Weg nach Gerach hätte man ja sonst nicht ein
Wörtlein reden oder verstehen können. Überdies
stieß man zwischen Gerach und Reichenbuch auf
den Mannheimer Hofprediger, der den gleichen


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