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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-08/0003
Die Markgrafschaft

Nr. 8/4. Jahrgang

Monatszeitschrift des Hebelbundes

August 1952

it

aal MsPt

„Solange die Erde steht, soll nicht aufhören
Saat und Ernte.. . " So steht es wie eine verheißungsvolle
und unverbrüchliche Zusicherung
und unter dem Zeichen des Regenbogens nach der
Sintflut. In diesem Wort ist zugleich die große
Wechselwirkung wiedergegeben: der menschliche
Arbeitsanteil an Säen und Ernten und der große
Himmelssegen der Vervielfachung zur menschlichen
Tätigkeit. Zwischen beiden besteht eine
Art stillen Übereinkommens,
ein Naturgesetz und ein ur- _
sächlicher Zusammenhang.
Und dadurch wird hier wie
bei keiner anderen Tätigkeit
sowohl ein Zusammenschaffen
der göttlichen Macht mit
menschlicher Anstrengung
sichtbar als auch das menschliche
Schaffen, Leben und
Sterben gleichnishaft transparent
.

So läßt C. F. Meyer in seinen
„Huttens letzten Tagen"
Ulrich Zwingli aus seiner
Kindheit erzählen, wie er zum
erstenmal Säeleute bei ihrer
Arbeit sieht und seinen Vater
frägt: „Vater, was tun die
Männer Frommes dort?", worauf
der Vater zur Antwort
gibt: „Sie streuen das Brot
des lieben Gottes aus". Dem
kleinen Uli kommen dabei die
Tränen: „Ei, Vater, es ist gar
so feierlich". Auch Peter Rosegger gibt dieser Deutung
Ausdruck in seiner Erzählung vom Säemann:
„Keine Handlung im formenreichen Kultus ist
so würdevoll und heilig wie das Hinlegen des
Samenkorns in die Erde. Das ist Glaube und
Hoffnung, das ist ein liebevolles Begräbnis mit der
kindlichen Zuversicht an die Auferstehung. Ich
habe noch keinen lachenden, singenden oder
plaudernden Säemann gesehen; der tollste, ausgelassenste
Bursche schreitet bei dieser Arbeit
still und ernst einher, als sei er zur selbigen
Stunde ein Priester oder Wundermann, der mit
wenigen Broten viele speist. Es ist, als ob den
Säemann bei dieser Handlung eine Ahnung überkäme
von seinem eigenen Hinsinken in das Erdreich
und Wiederhervorgehen zu neuem Leben".
Und wenn unser Hebel seine alemannischen Ge-

Unser täglich Brot

dichte gerade an die „Freunde ländlicher Natur
und Sitten" adressiert, so will auch er immer
wieder das Augenmerk auf diesen stillen und
wundersamen Vorgang von Saat und Ernte lenken
. Der zufriedene Landmann spricht aus: „Der
Weize lit im füechte Grund, un mit em Tau im
Morgerot un mit siim Odem segnet's Gott". Und
vor allem im „Habermus" berichtet der Dichter
in epischer Breite diesen Ablauf der Wechselwirkung
von menschlichem Tun
und himmlischem Segen. Nach
der Aussaat sagt der himmlische
Vater zum Landmann:
„Jetz chasch wieder heimgoh;
aß es wachst un zitig wird,
für das willi sorge". Aber noch
sinnfälliger wird uns dies: „Solange
die Erde steht, soll nicht
aufhören Saat und Ernte" von
Hebel vor Augen geführt im
, ,Unverhofften Wiedersehen4 '.
Die 50-jährige Trennunngszeit
zwischen Bräutigam und Braut
überbrückt er mit dem Bericht
vom stetig-unsteten Auf und
Nieder der Weltgeschichte, wie
Könige und Königreiche da-
hinsinken, Revolutionen und
Kriege ausbrechen, neue Eroberer
auf den Plan treten —
und schließt damit: „Und die
Ackerleute säeten und schnitten
" — so, als ob nichts geschehen
wäre — und sie taten's
im Gleichmaß des Jahres und nach ewigen Gesetzen
.

Wenn wir nun wieder im Ablauf des Jahres
in der Erntezeit stehen, so ist uns dieser Zeitpunkt
immer wieder eine stille Mahnung an
unser Schaffen und Wirken im Leben. Wohl
uns, wenn auch unser Lebenswerk ein Säen und
Ernten ist, und das heißt, wenn es stehen darf
unter der Zusicherung des himmlischen Segens.
Es wird soviel gemacht in unserer Zeit, soviel
Künstliches aufgezogen — und das alles hat keinen
Bestand und birgt keinen Segen in sich; es
tut sich zwar groß vor der Welt, und die Menschen
machen bei all dem Sinnfälligen gerne mit,
aber es ist in Wirklichkeit schnell emporschießendes
Unkraut, das ebenso schnell wieder
welkt — niemandem wirklich zur Freude. Alles

Zeichnung v. K. Rang


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