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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-08/0013
Die Markgrafschaft

11

mir altem Zipfelchrist mit einer Büchsenkugel
das Lebenslicht ausgeblasen worden. So hat mich
in meinem Leben noch kein Mensch erschreckt
wie Er. Da steh' ich im Anstand auf einen Zwölfender
in der Lichtimg, — sein Gespenst ist aber
nichts als eine dürrgelbe Farnkrautstaude und
hat schon mehr als einem Gichter in den Leib
gejagt, besonders wenn der Mond drauf scheint,
— da hör' ich auf einmal, kaum, daß das Donnerwetter
ausgetobt, einen Wagen durch den Wald
herunterrasseln, der kommt immer näher und
näher, ich altes Pekus bekomme Gänsehaut, denn
ich hätte noch vor einer halben Stunde einen Eid
geschworen, ein solch Kunststück bringe nur der
leibhaftige Gottseibeiuns zuweg. Und nicht genug
damit, es kommt auch noch einer schnurkerzen-
gerad auf mich, den Förster Hippel von Zwingenberg
, los. Ich muß es gestehen, ich habe nichts
anderes gemeint, als die Zeit sei da, wo mich der
Teufel holen wolle. Das Ding ist noch gut abgelaufen
. Aber jetzt schnell vorwärts; hier ist kein
Platz zum Ständchen halten, denn ich sehe, Sie
frieren, gnädiges Fräulein. In fünf Minuten sind
wir im Grund. Astor, geb' Er dem Fräulein seinen
Arm, ich will Rößlein und Wagen vollends
bergab führen".

Mit diesen Worten band er das Pferd vom
Baum los, faßte es am Zügel und leitete so das
Gefährt behutsam den steilen Abhang hinunter.

Astor faßte Natalie bei der linken Hand und
schlang dieselbe durch seinen rechten Arm; seine
Linke hielt ihre Rechte fest. So langten sie glücklich
im Wiesengrund an und waren endlich auf
gebahntem Weg. Dort schwang sich der Förster
auf den Vordersitz und nahm die Zügel zur
Hand; Astor und Natalie nahmen auf dem Polster
Platz, und nach einer halben Stunde gelangten
sie ohne weitere Abenteuer ins Zwingen-
berger Burgtor.

Die Tante war vor Angst, Sorge und Aufregung
fast vergangen. Als der Amtsvogt gegen
Abend von seinem Gang nach Breitenbronn
heimgekommen war, und von der abenteuerlichen
Ausfahrt Nättelchens mit Astor hörte,
während er die Tante daheim im Lehnstuhl traf,
da war wieder ein Gewitter im Anzug, welches
für die alte Dame vielleicht noch schlimmer
gewesen wäre, als dasjenige, das die jungen
Leute erlebt hatten. Der Löwenwirt in Neunkirchen
hatte dem Amtsvogt am Morgen, als
Letzterer daselbst einkehrte, einen unverblümten
Glückwunsch zur demnächstigen Verlobung
Nataliens mit Astor dargebracht. Herr von Erlenbaum
war über „den schlechten Witz" des
Löwenwirts in Aufregung geraten; dieser hatte
ihm aber versichert, man halte die projektierte
Mariage in der ganzen Gegend für eine ausgemachte
Sache, worüber der Amtsvogt wie aus
den Wolken fiel. Als er seine Geschäfte auf dem
linken Neckarufer beendet hatte, trabte er spornstreichs
Zwingenberg zu, wo Stoff genug vorhanden
war zum Blitzen, Donnern und Einschlagen
, nicht nur in der Luft.

Daß aber dieses letzte Gewitter nicht einmal
ganz zum Ausbruch kam, und mit einer dem
Hausknecht applizierten saftigen Ohrfeige seinen

Anfang und zugleich sein Ende nahm, daran war
niemand anders schuld, als der Herr Hofprediger
von Mannheim, der der guten Tante unter so-
tanen Umständen wie ein Schutzengel erschien*
Er war kurz vor der Rückkunft des Amtsvogts
im Schloß erschienen, um sich zu verabschieden.
Die Tante hatte ihm ihr schwerbekümmertes
Herz ausgeschüttet und zu ihrem Trost erfahren,
daß der Hofprediger auf der Hinfahrt der Stellvertreter
der Tante gewesen. Überdem war der
Amtsvogt gekommen, die Tante hatte Bericht
erstattet, man erwartete die Heimkehr der jungen
Leute; der Hofprediger nahm gern die Einladung
an, auf dem herrschaftlichen Schiff morgen früh
die Fahrt bis nach Heidelberg mitzumachen, —
so besänftigte sich das Gemüt des gestrengen
Herrn bald so, daß er Sambuga sein Herz betreff
dessen öffnete, was ihm vom Löwenwirt „gesteckt
" worden war, und er wünschte, die Meinung
des geistlichen Herrn über diesen Kasus zu
erfahren.

Der Entscheid desselben muß wohl eine beschwichtigende
Wirkung auf seine Gestrengen
ausgeübt haben. Denn als nach dem Weggang
Sambuga's die Erwarteten endlich, vom Förster
kutschiert, im Schloßhof anlangten, war die
väterliche Liebe wieder völlig zur Herrschaft über
den Zorn gelangt. Astor kam mit einem gelinden
Nasenstüber davon, daß er die Abfahrt von Mosbach
nicht energischer betrieben, zugleich aber
erhielt er auch wieder als heilenden Balsam die
Mitteilung, daß ihm für die Zeit der vierzehntägigen
Abwesenheit des Amtsvogts die Stellvertretung
im Dienst übertragen sei, und daß er
sich gleich am folgenden Tag, morgens früh um
acht Uhr, auf den Weg nach Schollbrunn zu
machen habe, um auf dem dortigen Ratszimmer
die Wild- und Forstfrevelschädigung für das
laufende Quartal in Gemeinschaft mit dem Förster
und dem Schollbrunner Vogt vorzunehmen.

Nättelchen war mittlerweile, schwer erkältet
vom Regenguß und der Nachtfahrt, durch die
Tante ins Bett spediert worden.

Kapitel IX

Tiefe Schatten

Der von der Tante zubereitete Geburtstagskuchen
, welcher Astor bei seiner Rückkehr in
der Nacht auf dem Tisch seiner Turmstube vorfand
, verfehlte seinen Zweck insofern, als der damit
Beschenkte auch am Morgen des achtzehnten
Juli durchaus keine Zeit fand, dem ausgezeichneten
Backwerk der Frau Moorband die gebührende
Ehre anzutun. Es war beim Herrn
Amtsvogt noch allerhand zu erfragen vor dessen
Abreise und über verschiedenes Geschäftliche
Instruktionen einzuholen.

Als Astor den Korridor, der zur Wohnstube
führte, betrat, meldete ihm die Tante in einem
Ton, aus welchem es wie Vorwurf klang, Natalie
sei doch recht krank, sie habe in der Nacht Fieber
gehabt, und der Herr Amtsmedikus sei bereits
aufs Schloß entboten. Der Herr Amtsvogt
dürfe aber vor seiner Abreise nichts davon erfahren
; er sei gestern abend schon sehr geneigt


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