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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-08/0014
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Die Markgrafschaft

gewesen, alle Schuld wegen der verspäteten
Heimkehr auf ihn, den Inzipienten, abzuladen.
Sie hoffe übrigens, daß die Sache ohne Gefahr
verlaufe, und Natalie bei sorgfältiger Pflege in
ein paar Tagen wieder hergestellt sein werde.
Der Herr Amtsvogt befinde sich beim Frühstück,
und auch der Herr Hofprediger, der ja mifreise,
sei schon im Wohnzimmer.

Als Astor dort eintrat, verabschiedete sich
Sambuga herzlichst von ihm. Die beiden Herren
brachen auf, und in wenigen Minuten befanden
sie sich an der Schiffslände, wo ein frischer Morgenwind
bereits das ausgespannte Segel des
herrschaftlichen Schiffes schwellte. Gleich darauf
stach dasselbe in die Flut, und Astor blieb am
Ufer zurück, für wichtige dienstliche Obliegenheiten
seinem eigenen Witz überlassen. Er ging
aufs Schloß zurück und fand kaum Zeit, sein
Frühstück einzunehmen. Da erschien die Tante
händeringend und fragte Astor, ob es ihm nicht
möglich sei, heute im Schloß zu bleiben und die
Tagfahrt zu verschieben. Der Zustand Nataliens
sei in der letzten Viertelstunde so schlimm geworden
, daß für das Kind mindestens die
„hitzige Kopfkrankheit" zu befürchten stehe. Ihr
wäre es ein wahrer Trost, wenn sie in Astor
einen so gescheiten und resoluten Mann im
Schloß wisse.

Der Amtsvogt hätte wohl ohne Zweifel die
Freveltätigung von der Tagesordnung abgesetzt.
Die Tante erwartete daher gar nichts anderes, als
daß ihr Wunsch für ihren Schützling das heiligste
Gebot sein werde. Sie war aber nicht wenig erstaunt
, als Astor nicht gleich antwortete und
nachsann, und verließ in äußerstem Unwillen das
Zimmer. Er wollte ihr erklären, ein Verschieben
der Tagfahrt sei unmöglich, da sie schon vor
vierzehn Tagen hätte stattfinden sollen; daß er
aber hoffe, bis Mittag wieder da zu sein. Aber
die Tante kam nicht wieder, obwohl er noch eine
Weile wartete/ So verließ denn auch er in großer
Mißstimmung, die Redlichkeit seiner Meinung auf
einmal so verkannt zu sehen, den Burgzwinger,
und traf an der Waldsteige den schon seiner harrenden
Förster, der an Astor einen stillen und
geduldigen Zuhörer hatte. Die Krankheit Nataliens
und der Zorn der Tante, der so ungerecht
auf ihm lastete, beschwerten sein Gemüt, und
er war froh, als er endlich die freie Höhe in der
Schollbrunner Gemarkung gewonnen hatte. Seit
dem Unfall im Hause des Vogts Damian war er
nicht oben gewesen.

Zu jener Zeit war der Wildstand in den gräflich
Wyser'schen Forsten ein bedeutender, die
Waldungen hatten ihren Hauptwert als Wildgehege
. Wo man ging und stand, zeigte sich das
herrlichste Hochwild, aber die Untertanen hatten
unsäglichen Schaden und Tag und Nacht zu
wachen, um die Frucht ihrer mühseligen Arbeit,
welche trotzdem immer stark gezehntet war, in
ihren Kellern, Scheunen und Speichern zu bergen
. Wurde Wildschaden angemeldet, so wurde
meist etwas dafür vergütet. Man hatte aber dann
den Amtsvogt und besonders die Waldbediensteten
der Herrschaft zu geschworenen Feinden.

(Fortsetzung folgt.)

Martin vom Sägewerk

Martin, der kleine, alte Mann beim Sägewerk,
ist ein einfacher Mensch. Die Woche über trägt
er einen grauen Stoppelbart in seinem runden
guten Gesicht. Zu den Bartstoppeln paßt auch
sein Filzhut, der von unbestimmter Farbe ist.
Martin bindet Wellen, jahraus, jahrein; er setzt
sie fein säuberlich aufeinander, die Front ist
gerade wie eine Hausfront. Manchmal kommt ein
großes Lastauto und nimmt die ganze Herrlichkeit
wieder mit. Aber Martin beginnt geduldig
wieder von vorn; Welle um Welle bindet er und
setzt sie gerade und sauber hin. Er hilft den
Frauen, Schwartenholz und Sägmehlsäcke aufladen
, und er hat drüben viel Vergeltsgott gutgeschrieben
bekommen. Das ist sicher. So ein
einfacher Mensch ist Martin, ein braver Arbeiter
vor dem Herrn, einer, der sein einfaches Tagewerk
erfüllt, pünktlich und genau.

Jetzt wohnt er mit seiner Schwester zusammen
, einer Jungfrau, der nachgesagt wird, daß
sie Haare auf den Zähnen habe, und nicht so
knapp. Wer sie sieht mit ihrer spitzen Nase, den
knochigen Händen und dem dünnen, aber straff
frisierten Haar, glaubt's gerne. Martin ist zu ihr
gezogen, als seine Frau starb. Ja, er hatte eine
gute Frau. Mancher Seufzer gilt ihrem Gedächtnis
, wenn die Anna, die spitze Schwester, die

schon immer einen Mann wollte und keinen
bekam, wieder einmal durch das Haus fegt wie
der Leibhaftige. Manchmal wird es auch dem
gutmütigen Martin, diesem geduldigen einfachen
Menschen, zuviel, und dann trinkt er in der
,,Krone*' nebenan einen. Ein Bier und einen
Schnaps bringt die Agnes, die Wirtin, und lacht
ihn freundlich an. Sie weiß wohl, weshalb er ab
und zu kommt. Die beiden kennen sich schon
lange, von Kindsbeinen an. Agnes, wohl zehn
Jahre jünger, ist Martin immer noch dankbar,
daß er sie damals vom Marterpfahl errettet hat.
Aber Martin hat nie darauf angespielt. Die
Kronenwirtin erzählt das manchmal, wenn sie
ein wenig Zeit hat und wenn jemand da ist, der
es nicht schon zehnmal gehört hat. Also, sagt sie,
der Martin kam damals, ich ging in das sechste
Schuljahr, mit seinem Holzfuhrwerk vorbei, als
mich der Fritz und sein unzertrennlicher Freund,
der Josef, an meinen langen Zöpfen an die Telegraphenstange
gebunden hatten. Das heißt, er
kam erst vorbei, als ich schon eine halbe Stunde
angefroren und angebunden um Hilfe schrie.
Aber dann hat er die zwei Missetäter verprügelt
und mich losgebunden. Der eine davon, der Fritz,
was mein verstorbener Mann war, dachte sein
Leben lang daran.


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