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Die Markgraf schalt
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Am Grabe Wilhelm Schöpflins
Der Hebelbund nahm Abschied von einem Heimatfreund
Dem Kalender nach war es eigentlich schon
Frühling. Man notierte Dienstag, den 25. März,
aber draußen lag die Natur noch im Ringen mit
der Unbill des Winters, der sich so leicht nicht
geschlagen geben wollte. Feucht und regenschwer
lag die Luft über den Hängen des Schwarzwaldes
und es war kein Tag, der einem eine besondere
Fröhlichkeit ins Herz senkte. In den Nachmittagsstunden
dieses Tages war es, als der Hebelbund
durch seinen Archivar sich im Krankenzimmer
der Medizinischen Universitätsklinik zu Freiburg
melden ließ, um an das Krankenbett des Fabrikanten
Wilhelm Schöpflin als Zeichen treuen
Gedenkens einen frischen Blumengruß zu bringen.
Die Freude des Wiedersehens war auf beiden
Seiten sehr groß, und der Eintretende hatte sich
dabei gedacht, mit einem Schwerkranken höchstens
eine Unterredung von wenigen Minuten
führen zu können. Es wurden auf Wunsch des
Patienten, der sich an diesem Tage frischer und
wohler als sonst fühlte, zwei Stunden. Die Gedanken
bewegten sich wieder einmal um die
Arbeit des Hebelbundes, stand doch der 7. Hebeltag
mit dem Besuch des Bundespräsidenten,
Professor Dr. Theodor Heuss, unmittelbar bevor
und hatte Wilhelm Schöpflin noch zu der Berufung
seiner Person in den Ehrenausschuß zur
Durchführung dieses denkwürdigen Tages bereitwillig
seine Zusage gegeben. Vieles wollte er
wissen vom Leben draußen im Tale seiner Heimat
, wie in der großen Welt, denen er immer
sein lebendiges Interesse und seine Aufmerksamkeit
entgegenbrachte. Vieles hat er dem Besucher
mitgegeben an Anregungen und Wünschen, an
Vorschlägen, Ideen und Hinweisen; es war, als
wolle er alles noch mitteilen, ehe für ihn die
letzte Stunde zu kommen schien.
Dann kam jener sommerschwüle Dienstagmorgen
, der 8. Juli, wo Wilhelm Schöpflin in
seinem Heim zu Haagen, kurz vor Vollendung
seines 71. Lebensjahres, seine Augen für immer
schloß. Während sie im angebauten Werk die
kurze Vormittagspause einlegten, trat der Schnitter
Tod an sein Krankenlager und holte ihn heim
in die Heimat aller Heimat.
Uns und viele andere, die wir ihm während
eines Vierteljahrhunderts nahe stehen durften,
hat sein Sterben tief bewegt. Noch einmal gingen
wir den Weg mit ihm zurück, der an jenem
26. September 1881 in Haagen begann, wo Wilhelm
Schöpflin als Sohn ehrsamer Bauersleute
das Licht der Welt erblickte. Er besuchte die
Volksschule in Haagen, später das Hebel-Gymnasium
in Lörrach, absolvierte seine kaufmännische
Lehre bei der Firma Gebrüder Großmann
in Brombach, kam von dort nach Basel, um das
Speditionsfach zu erlernen, erwarb sich in der
französischen Schweiz Sprachkenntnisse und
kehrte von dort wieder in das Tal seiner Heimat
zurück, wo er am 22. März 1906 in der evangelischen
Kirche zu Brombach mit Wilhelmine, geborene
Sütterlin, den Ehebund schloß. In dem Haus
in Haagen richteten die beiden Eheleute zunächst
ein Gemischtwarengeschäft ein. Demselben gliederten
sie später eine Abteilung des Großhandels
an. Die entscheidende Wende erfolgte im Jahre
1929/30, wo sie neben dem Engros-Geschäft ein
Versandgeschäft der Wiesentäler Webwaren errichteten
. Hier setzte nun der sprichwörtlich zähe
alemannische Fleiß ein, der dieses Unternehmen
zu einem Erfolg werden ließ, und zwar gerade in
den Jahren, als die Not der Arbeitslosigkeit im
Wiesental Einkehr hielt, sich Fabrik- und Werktore
schlössen und der wirtschaftliche Zusammenbruch
vor der Türe stand. Jene Zeit war Wilhelm
Schöpflins große Stunde, denn hier hat er mit
seltenem Wagemut und Unternehmergeist die
Betriebe am Leben erhalten und sie durch Auftragserteilung
durch eine schwere Zeit hindurchgerissen
. Damit hat er vielen verzweifelten Menschen
Arbeit und Brot und dadurch wieder
Freude am Dasein gegeben. Im Jahre 1937 erwarb
er das Werk Gebrüder Großmann, Brombach
; heute zählen die Textilmanufaktur und dieses
Werk zusammen weit über tausend Arbeiter.
Das war das Denkmal, das sich zeitlebens Wilhelm
Schöpflin als weitblickender Kaufmann und
Unternehmer gesetzt hat. Wohl haben namentlich
der zweite Weltkrieg und der 1945 erfolgte
totale Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft
ihn auf die härteste Probe gestellt. Unverdrossen
aber leitete er mit seiner Frau und seinen beiden
Söhnen Hans und Rudolf den Wiederaufbau ein.
Dann kamen die Jahre, wo er sich mehr oder
weniger von der Leitung zurückzog und sie in
die Hände seiner beiden Söhne legte. Sein Herz
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