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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1952-10/0017
Die Markgrafschaft

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der Festtafel, stumm und lautlos. Wer sich unter
den Anwesenden zuerst vom Staunen erholte, das
war der Adjunkt Hitzig (des Kräutermanns späterer
Schwiegersohn) und der Präzeptoratsvikari.

„Seid Ihr's, Kollege von Eimeidingen, oder
ist's Euer Geist?", sagte der Adjunkt und drängte
sich an die Erscheinung heran. Hebel tat einen
Griff nach der Hand des Kräutermannes und
merkte, daß man es hier mit einem Geist zu tun
habe, der einstweilen noch in einem soliden
Knochengerüst hauste und mit Fleisch umhüllt

Der Sorgenbredher

Volti Chrüesli, volli Becker
sin die beste Sorgebredoer,
drum veradbt si nit /
D'Welt isdb hüt e wüeste Hufe,
keiner loßt dr ander sdbnufe,
un 's git Büjf un Tritt.

Politiker un Juriste
gelte jetz as gueti Christe
un si wänris au syf
dod> es sait en Offebarig
un die besseri Erfahrig
Wohretlit imWii!

Hätt i numme großi Lager

guete hätte, Reckehager,

au vom Sdbäf dörft's sy!

O i Heß si gern kragehle,

's wurd mer douum no näume fehle,

's war mer wohl derbi!

V. Wolfsberger

sei; das verdorrte Kraut, wie es aus der Botanisierbüchse
hervorlugte, war auch nicht am
Acheron gewachsen. Der Eimeldinger holte zweimal
tief Atem und sagte mit hohler Stimme:
„Zuerst gebt mir um Gotteswillen einen Trunk
Wein und einen Bissen zu essen, dann will ich
alles haarklein erzählen. Ich bin nämlich seit acht
Tagen zu Altkirch drüben im Sundgau bei Wasser
und Brot als Spion eingesperrt gewesen und
wäre ums Haar, weil man mich mit dem Chevalier
de Saint Ange von Haltingen verwechselt und
am letzten Sonntag morgen auf der Märkter Insel
durch französische Hatschier hat abfangen lassen
, geköpft oder erschossen worden. Denn sie
machen dort drüben jetzt kurzen Prozeß". Jetzt
schlug die Tragödie in die Komödie um. Es erhob
sich ein unauslöschliches Gelächter, in welches
der Kräutermann wahrscheinlich auch selbst
mit eingestimmt hätte, wäre er nicht von Hitzig
und Hebel hüben und drüben erfaßt und im
Sturmschritt vor Obervogt und Spezial geführt

worden zum sofortigen Augenschein. Alles stand
von der Tafel auf und drängte sich um den
Pseudochevalier, welcher, nachdem er einige der
ihm entgegen gehaltenen Gläser geleert hatte,
zwischen Obervogt und Spezial auf einen Stuhl
niedergedrückt wurde. Aber du meine Güte, wie
sah das arme Menschenkind jetzt bei Licht
betrachtet aus! Sein sonst weinrotes Antlitz war
kölschblau, seine Augen rot unterlaufen, den
Hut hatte er tief im Nacken sitzen und behielt
ihn beharrlich auf, denn die Perücke, die sonst
sein kahles Haupt bedeckte, war abhanden gekommen
, sein§ Kleidung war zerrissen und
beschmutzt. Aber dessen gedachte er im Augenblick
nicht, sondern mit dem Heißhunger eines
Löwen stürzte er sich auf die Fleisch- und
Gemüseplatten. Wie aber war eine Verwechslung
möglich mit dem französischen Chevalier, der
seit einiger Zeit im jHirschen* zu Haltingen sein
Quartier aufgeschlagen hatte? Das blieb jedermann
ein Rätsel, der nicht wußte, daß der Herr
Pfarrer von Eimeidingen ein feines -Französisch
sprach, und im Moment, wo die französischen
Schergen ihn auf der Rheininsel packten, ihnen
den Gefallen tat, in gutem Französisch zu antworten
. Der Chevalier war ein behäbiger Emigrant
von der Partie des Prinzen von Conde und trieb
sich, viel Geld ausgebend, im Rebland herum.
Er hatte seit einiger Zeit sein Hauptquartier im
,Hirschen' zu Haltingen aufgeschlagen, und es
war kein Zweifel, daß er allerdings mit dem
linken Rheinufer Verbindungen unterhielt, die
den Sansculotten in Altkirch Gift waren. Jedermann
war gespannt auf die ausführliche Erzäh-.
lung der Altkircher Passionsgeschichte. -Sie war
wertvoller als jeder Kirbikram, den der Vogt
von Soundso seiner Eheliebsten und seinen Kindern
vom Marktstand heimbringen konnte..."

Wir sind nicht darüber unterrichtet, wie weit Alfo-
rechts Erzählung auf historischer Wahrheit beruht. Tatsächlich
war der Eimeldinger „Chrüterma" kein Junggeselle
. Seine Tochter Sophie Wilhelmine vermählte sich
am 8. Juni 1796 mit ihrem Vetter, dem Pfarrer Friedrich
Wilhelm Hitzig, Hebels getreuem Freunde. An die hundert
Briefe Hebels an des Kräutermanns Schwiegersohn
sind uns erhalten, keine Briefe aber an den Kräutermann
selbst, wohl aber wird er mehrfach in Briefen
Hebels, so an Gutsave Fecht und Karoline Güntert, erwähnt
. So schreibt Hebel im Januar 1808 an Karoline
Güntert:

Frau Vögtin in dem Unterröcklein
was treibt Sie und was macht Sie guts,
spinnt Sie vielleicht vergnügten Muts
Manschetten, Zwirn an einem Zöcklein?
Ich seh Sie zwar dafür nicht an,
daß Sie aus Kuder, so fein er ist,
Garn zu Battist

aus Kienruß-Puder erhexen kann...

Einst spann ein Zöcklein

im schwarzen Röcklein

zwar selbst Battist

für manchen Christ,

das fromme Möcklein,

das in Eimeidingen verstorben ist.

Mit diesem „Möcklein" ist unser Eimeldinger Pfarrherr
Georg Wilhelm Hitzig gemeint: der „Chrüterma". E. B.

Hebelschoppen

Sonntag, den 9. November, abends 8 Uhr, im Saal des
Gasthauses zur „Turnhalle" in Müllheim. Alle Hebelfreunde
sind herzlich eingeladen.


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