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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-02/0005
Die Markgrafschaft

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Ernst, ja melancholisch zum Ausdruck kommen.
Es sind die packenden: Auf einem Grabe, Der
Wächter in der Mitternacht, Wächterruf, und die
eigenartige Vergänglichkeit. Die erzählenden Gedichte
vom Karfunkel und vom Stadthalter von
Schopfheim nennt Goethe zwei Volksmärchen.

Es war sicherlich für den im fränkischen
Mundartgebiet aufgewachsenen und dann in
Thüringen lebenden Dichter nicht so einfach, dem
Alemannischen gerecht zu werden. Goethe nahm
aber diese Dinge so wichtig, daß er die Zeit, die
er an sie wandte, nicht zu kostbar dafür fand.
Ganz fremd war ihm das Alemannische keineswegs
. Er hatte die Mundart bereits auf der
Schweizerreise im Jahre 1775 kennen gelernt und
dabei sich das alemannische Wort „sauwohl" angeeignet
. Schon durch Herder mag er dann auf
die Bedeutung der Mundarten für die Volksdichtung
aufmerksam geworden sein: in der Herderschen
Sammlung war bereits ein mundartliches
schweizerisches Lied aufgenommen: „Es hett e
Bur es Töchterli... ", und in Goethes eigenen
Gedichten findet sich ein alemannisches Schweizerlied
:

Ufin Bergli
bin i gsässe,
ha de Vögle
zugeschaut;
hänt gesunge,
hänt gesprunge,
hänt 's Nestli
gebaut.

So verwundert es nicht weiter, daß auf Goethe
die alemannischen Gedichte von Hebel noch 1811
den angenehmen Eindruck machen, „den wir bei
Annäherung von Stammverwandten immer
empfinden". Er rühmt das Alemannische als eine
behagliche, naive Sprache, die für den Dichter
durch kurze leichte Silben und neue Reime
manchen Vorteil bringt.

Goethes allgemeine Wertschätzung der Mundart
kommt jedoch aus tieferen Erkenntnissen. In
einer Besprechung des „Pfingstmontag", eines
elsässischen Schauspiels in Mundart, kommt er
auf „unbedachte Reden" zu sprechen, die forderten
, die Deutschen sollten ihre verschiedenen
Mundarten durcheinander mischen, um zu einer
wahren Volkseinheit zu gelangen. Goethe erklärte,
daß diese seltsame Sprachmengerei nicht allein
zur Verderbnis des guten sondernden Geschmacks
führen würde, sondern auch zum innerlichsten
Zerstören des eigentlichen Charakters der Nation!
In der Würdigung der Hebel-Gedichte kommt
Goethe sogar zu dem merkwürdigen Vorschlag,
man solle „hochdeutsche" Gedichte in die heimatliche
Mundart übertragen, und er weist auf die
Italiener hin, die ihren Tasso in mehrere Dialekte
übersetzten.

Da im mittleren und niederen Deutschland
das Alemannische durch seine seltsame Aussprache
und Schreibart Schwierigkeiten bereite,
empfiehlt Goethe zwei Mittel zur Erleichterung
des Verstehens: zunächst einmal eine Annäherung
der Mundart an die gewohnte Schreib- und
Sprechweise, und außerdem das Vorlesen. Goethe
war bemüht, seinem Bekanntenkreis die Hebel-

schen Gedichte durch Vorlesen nahezubringen.
So berichtet Johanna Schopenhauer, die Mutter
des bekannten Philosophen, in einem Briefe an
ihren Sohn Arthur über einen Abend bei Goethe
im Februar 1807, daß zuletzt das Gespräch auf
Hebels Alemannische Gedichte gekommen sei.
Meyer, ein Schweizer, und Legationsrat Weyland,
ein Elsässer, lasen manches daraus, was Johanna
Schopenhauer hübsch fand. Dann aber las Goethe
selbst, und zwar sein Lieblingsstück, „Das Gespenst
an der Kanderer Straße", von dem er
viel hält:

's gitt Gspengster, seil isch us und isch verbey!
Gang nummen in der Nacht vo Chander hei,
und bring e Rusch! De triffsch e Plätzli a,
und dort verirrsch. I setz e Büeßli dra.

Aus Bregenz am Bodensee

Holzschnitt von Joseph Lipp

Er las es, schreibt Johanna Schopenhauer, „wie
nur er lesen kann". Angelegentlichst empfiehlt
die Schriftstellerin ihrem Sohn die alemannischen
Gedichte.

Das Zusammentreffen Goethes mit Hebel zu
Karlsruhe im Jahre 1815 bestätigte für Goethe
den Eindruck, den er schon 1804 beim Lesen der
Alemannischen Gedichte von dem Verfasser gewonnen
hatte. Auf Wunsch seines Herzogs reiste
Goethe am 3. Oktober von Heidelberg nach Karlsruhe
, um in drei Tagen das Gmelin'sche Naturalienkabinett
zu besichtigen.

Oberforstrat Karl Christian Gmelin war ein
guter Freund Hebels, der den Naturfreund auf
seinen Exkursionen gern begleitete. (Hebel ge-


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