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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-02/0006
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Die Markgrafschaft

denkt des „Chrüterma vo Badewiler" auch als
eines Gehilfen des Hausfreunds.) Als nun Goethe
in Begleitung Boisserees eintraf, ergab sich im
Hause Gmelins von selbst das persönliche Bekanntwerden
Hebels mit Goethe. Hebel wurde
gebeten, eines seiner alemannischen Gedichte vorzutragen
. Goethe fand es ärgerlich, daß die Frau
Oberforsträtin darnach eine Übersetzung verlangte
. Ihm schien es angebrachter, daß man dem
Dichter die Ehre antue,^ seine Sprache zu lernen!
Als Goethe in den Gesellschaftsräumen des
Museums weilte, war Hebel bei ihm und über
den Eindruck, den der Karlsruher Prälat dabei
auf ihn machte, klärt uns eine Notiz in den
„Annalen" auf, worin Goethe schrieb:

„Von Personen, hoch mit Ehrfurcht und Dankbarkeit
zu nennen: ... in Karlsruhe die Grafen
von Hochberg, Herrn Weinbrenner und Hebel".

Die Ehrung Hebels durch Goethe rückt nicht
nur den alemannischen Dichter und sein Werk in
helles Licht, sondern gibt auch all dem echten
„Heimatlichen" in der deutschen Kultur eine
Anerkennung. In der Hochschätzung, die Goethe
dem Verfasser der Alemannischen Gedichte
schenkte, kommt zugleich auch die herzliche Zuneigung
zum Ausdruck, die der „klassische" Dichter
allen echten und lebendigen Dingen des deutschen
Volkstums entgegenbrachte; die Verehrung
Hebels ist ein Zug in Goethes geistigem Wesen,
den man nicht übergehen darf.

Des Kaisers neue Kleider

Gedanken eines deutschen Malers / Von Hanns Bastanier, Müllheim (Baden)

Kennen Sie das wunderschöne Märchen von
Andersen „Des Kaisers neue Kleider"? — Nein?
Nun, dann will ich Ihnen den Inhalt ganz kurz
andeuten:

Die Höflinge eines Kaisers von China beredeten
ihn, kostbare Stoffe für seine Kleider bei
einem bestimmten Weber zu bestellen. Diese
Stoffe seien so fein und so schön, daß nur kluge
und vornehme Menschen sie sehen könnten. Als
die Stoffe fertig waren, lobten der Kaiser und
sein Gefolge die Schönheit der Webereien angesichts
des leeren Webstuhles; es wurden Kleider
aus ihnen gemacht, und der Kaiser zog in diesen
neuen Kleidern durch die ganze Stadt. Alle Welt
pries die Herrlichkeit dieser. Kleider, denn keiner
wollte „ungebildet" oder „unvornehm" sein, nur
ein kleines, unschuldiges Kind sagte ganz einfach
was es sah: Aber er hat ja gar nichts an!

Andersen erzählt das wunderschön, und Sie
müssen das Märchen öfter mal selber lesen, denn
es ist ein Meisterwerk und ein Schlüssel zu manchem
, was wir heute erleben.

Wieso? — Ja, betrachten wir zum Beispiel
die Lage der Kunst und der Künstler in unseren
Tagen! Da gibt es eine „moderne" und eine
„alte" oder, wie manche Leute gern sagen, eine
„veraltete" Kunst. Die „moderne" Kunst kümmert
sich nicht mehr um die Natur und versucht
selber Schöpfer zu spielen, die „alte" aber bemüht
sich, die Kunst aus der Natur durch ehrfürchtiges
Studium „herauszureißen", wie Dürer
einmal gesagt hat.

Ein solches lebenförderndes Nebeneinander
zweier verschiedener Kunstauffassungen wäre an
sich ganz natürlich, anregend und reizvoll, wenn
beide Richtungen unter gleichen Bedingungen
arbeiten könnten und gleichmäßig mit Aufträgen
und Ankäufen bedacht würden. In einem
Kulturvolk sollte jeder Bürger sich so zur Kunst
einstellen, wie es seiner Auffassung von „schön"
oder „unschön" entspricht. Denn wir leben in
einem demokratischen Staat, in dem jeder Bürger
seine Meinung haben, sich frei äußern und
betätigen kann. Das gehört zu den beschworenen
Grundrechten.

Aber nun sagen Sie einmal selber: Wer wagt
es denn heute, in Kunstfragen eine eigene Meinung
zu haben, geschweige denn, sie zu äußern
oder gar zu betätigen, wo eine Gruppe von einflußreichen
Männern, meist Kunsthistoriker und
Kunstkritiker, mit allen Mitteln der Propaganda
verkündet, daß nur die moderne Kunst
Ausdruck unserer Zeit sei, während die naturverbundene
alte Kunst nur als Überbleibsel einer
überwundenen Zeit angesehen werden könne, die
verdiene begraben oder doch totgeschwiegen zu
werden. Jeder „wahrhaft gebildete", „kluge" und
„fortschrittliche" Mensch müsse erkennen, daß
nur die moderne (also die abstrakte, kubistische,
futuristische, expressionistische, avantgardistische)
Kunst Anspruch darauf habe, als wertvoll und
förderungswürdig anerkannt zu werden. Wer das
nicht begreife, dem sei eben nicht zu helfen, und
man könne über solche „Reaktionäre" nur zur
Tagesordnung übergehen.

Nun ist es aber nicht jedermanns Sache, sich
von sogenannten Sachverständigen öffentlich s o
bezeichnen zu lassen, denn die vergangenen
Jahrzehnte haben uns gelehrt, daß es sogar
gefährlich sein kann, anders zu denken und zu
reden, als die sogenannte „öffentliche Meinung"
es durch die Presse vorschreibt. Viele Menschen
meinen daher, klug zu handeln, wenn sie solche
Urteile über den angeblichen Wert oder Unwert
einer bestimmten Kunstrichtung stillschweigend
hinnehmen, um nicht in den Verruf eines ungebildeten
Reaktionärs zu kommen. Dabei könnten
die Gegner der modernen Kunst, deren Ansichten
heute in der Presse nicht zur Geltung kommen,
die von ihr gelesenen Zeitungen leicht dazu
bringen, beide Richtungen gleichermaßen zu'
würdigen. Ein paar Tausend Abbestellungen
wegen allzu einseitiger Kunstbetrachtung würden
bestimmt nicht ohne Eindruck bleiben. Da die
Anhänger der alten Kunstrichtung aber schweigen
oder schweigen müssen, weil ihnen die
Sprachrohre der Presse fehlen, so ertönt der
Chorus der Propagandisten der modernen Kunst
in der Mehrzahl der Blätter ungehindert und in
voller Lautstärke. Ein Außenstehender kann,


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