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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-04/0003
Die Markgrafschaft

Nr. 4/5. Jahrgang

Monatszeitschrift des Hebelbundes

April 1953

f

Die Osterfeiertage liegen zwar wieder hinter
uns, aber es ist vielleicht nicht ganz müßig zu
fragen, wie für uns der gewiß hundertfach gespendete
Wunsch zu guten Feiertagen in Erfüllung
gegangen ist, und, das heißt — weil wir ja
gerade an den Feiertagen eigene Gestaltungsmöglichkeit
haben — was wir damit angefangen
haben. Unser Altmeister Goethe hat ja in dem
bekannten Osterspaziergang aus dem „Faust"
geradezu klassisch dokumentiert, wie die Spießbürger
ihre Lust haben an Kritik über die örtlichen
Belange und an Uninteressiertheit über
das Weltgeschehen, wie Handwerksburschen,
Mägde und Bürgermädchen ihren Flirt treiben
und wie das Volk sein Vergnügen hat an groben
Späßen. In noch gesteigertem Maße sucht der
moderne Mensch seine sonntägliche Befriedigung
in einer höchst fragwürdigen Ungebundenheit; er
frägt sich nur: Wo ist am Sonntag was „los"?
Und die Antwort wird ihm in tausendfachem
Angebot gegeben. Der Vergleich mit einem von
der Kette gelassenen Hunct, der seine Freiheit
durch tolles Springen und unbändiges Bellen
genießt, ist zwar für den Menschen nicht schmeichelhaft
, aber doch naheliegend. Am Schluß
jenes Osterspaziergangs läßt Goethe aber den
Faust das bedeutsame Wort sagen: „Doch ist es
jedem eingeboren, daß sein Gefühl hinauf und
vorwärts dringt". Damit ist aber der Sinn des
Sonntags klar gegeben: eine Freiheit, die eine
neue Bindung anstrebt und in dieser Bindung
zur Befreiung wird. Wir entdecken ja bei Hebel
auch diese gleiche Hinführung zum Sonntag. Es
dürfte wohl nicht nur die poetische Schönheit
und lyrische Feinheit der Hebel'schen „Sonntagsfrühe
" gewesen sein, die in Goethe die besondere
Freude an diesem Gedicht hervorgerufen
haben,' sondern auch und nachdrücklich die
Schilderung des sonntäglichen Menschen, der,
frei von Fron, gleichsam ins Paradies zurückversetzt
, die Schöpfung betrachtet. Bei Hgbel
steht ja in der Tat viel öfter und stärker der
siebente Tag, die Vollendung der Schöpfung, der
Ruhetag im, Vordergrund seiner Anschauung vom
Sonntag. Er spricht es auch einmal offen aus,
daß der Mensch kein Anrecht habe, den Sonntag
als den ersten Tag der Woche zu feiern, sondern
daß er ihn sich als) Lohn für die Mühe der Werktage
schenken lassen müsse. Indeß fehlt auch bei
Hebel nicht die christliche Auffassung vom
Sonntag als Auferstehungstag. Die ganze winterliche
Natur harrt ja bei ihm ihrem großen
Ostertag entgegen, und von Ostern ab währt für
ihn (siehe „Hephatha") ein einziger großer
Feiertag in der Frühlingsnatur bis Pfingsten.

Und beides zusammen: der alttestamentliche
Ruhetag und der urchristliche „Tag des Herrn"

tut sich ja auch in dem schönen Wort' „Urständ"
aus dem alten Osterlied kund; und „Urständ"
bedeutet doch sowohl: Urzustand, nämlich wie
bei der Erschaffung als auch Auferstehung.
Und darum liegt dieser doppelte Sinn in jedem
Feiertag: er will uns befreien, daß wir wieder
Menschen sein können nach unserer ursprünglichen
Bestimmung: vom Bilde Gottes her — und
zugleich uns wandelten zum neuen Menschen,
zum Bilde Gottes hin.

Daß wir doch so den Sonntag wieder besser
verstünden und verwirklichten und dadurch
unserem Dasein einen höheren Sinn geben
könnten. Es ist doch erstaunlich, mit welch harthartnäckiger
Zähigkeit Hebel schon in seinen
Löjracher Vikars jähren seinen Sonntag als Ruhetag
verteidigt hat, auch wenn er dafür Verweise
einstecken mußte. Denn der Tag war ihm
heilig — wie tritt das doch im „Mann im Mond",
in „Riedligers Tochter" und anderen Gedichten
so klar hervor — und er bezeichnet sich ja selbst
einmal als Sonntagskind; er ist ja offenbar in
der Nacht vom Samstag, dem 10. auf Sonntag,
dem 11. Mai geboren, und die beiden Zeilen aus
Burtes Sonett auf Hebel treffen vielleicht das
Schönste an unserem Dichter:

„Im *Sunntigchinderland bisch all deheim,
vo luter Liecht un. Liebi überspunne".

Und Hebelleute sollten aHe mehr Sonntagskinder
sein, die wieder dem Sonntag die ursprüngliche
Bestimmung zurückgeben, und das
würde für uns selbst zum großen Segen sein.

Richard Nutzinger

Vorredht oder Gleidoberedotigung ?

Die sogenannte Emanzipation der Frau ist
dabei, sich selbst zu überschlagen. Von der politischen
Seite her ins Groteske gesteigert, beginnt
die Sache, die einer besseren Vernunft wert wäre,
an den Punkt zu kommen, wo das Erhabene ins
Lächerliche hinüberwechselt, wo das Bestreben
zur Manie, Sinn zum Unsinn und fügliches Recht
zum groben Unfug werden. Das Rechtskuriosum
auf dem Gebiet des Ehe- und Familienrechts, wo
das alte Recht formell noch gilt aber eigentlich
nicht mehr gelten soll, ist eingetreten. In seiner
Folge weiß kein Richter mehr, was rechtens ist,
es sei denn, er früge seine Frau; für Glossenzeichner
ein ergötzlicher Stoff, für Gerichte und Ämter
ein Ärgernis der Unordnung. Was für die Frau
ein bedenkliches Danaergeschenk bedeutet, wird
für das Kind nicht selten von katastrophaler
Wirkung sein und zwar gerade in den Fällen, wo
es durch eine Ehekrise sowieso schon sehr gefährdet
ist. Man sagt nun, man bräüchte noch


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