Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-04/0004
2

Die Markgrafschaft

vier bis fünf Jahre, um alle gesetzlichen Bestimmungen
zu revidieren, die notwendig sind, um
das in der Verfassung festgelegte Prinzip der
Gleichberechtigung der Frau zu garantieren. Aber
die Schwierigkeit, um nicht zu sagen Unmöglichkeit
, des widernatürlichen Beginnens wird auch
von den eifrigsten Frauenrechtlerinnen nicht geleugnet
. Da und dort fängt man an zu ahnen, daß
der letzte Kampf um die Gleichberechtigung der
Frau zwangsläufig damit endet, daß die also
gleichberechtigte Frau ihres größten Vorrechtes,
das ihr die Natur verliehen hat, verlustig geht:
der Mutterschaft. Man übersieht, daß man nicht
ohne schwerwiegende Folgen die funktionellen
Rechte zugunsten einer falsch verstandenen

papierenen Gleichheit neutralisieren kann. Die
Hüterin und Bewahrerin der Familie als dem
Schoß der Nation wird degradiert zum Com-
pagnon eines Geschäftes, das anstelle eines schicksalhaften
Bundes nach Ansicht einiger Parlamentarierinnen
treten soll. Welche Rolle dabei
dem nichtverdienenden Kinde zugedacht ist —
was soll ein Kind in einer Handelsgesellschaft? —
das ist nicht gesagt. Auch ist nicht gesagt, um
welche Summe es sich handeln wird, die der
Steuerzahler für dieses nicht geschäftsfähige Kind
aufzubringen hat, das der zusätzlich vom Staat
hervorgerufenen Ehekrise zum Opfer gefallen ist,
wenn die so schrecklich aufgeklärten Parlamentsdamen
ihr Intelligenzwerk vollbracht haben. b.

Eine Generation braudht Hilfe

Nur wenige Wochen sind es her, da eine
junge Schülergeneration hoffnungs- und entlassungsfroh
die Schule verließ. Die Entlassungsfeiern
, die gehalten wurden, ergaben vielfach ein
erfreuliches Bild von der Arbeit der Schule.
Ganz hervorragend erschien dabei für jeden
Hebel- und Heimatfreund die Tatsache, daß in
unseren Schulen ein Geist der Heimatverbundenheit
, der Brüderlichkeit und der Ehrfurcht gepflegt
wird, der uns alle Achtung abverlangt. Es
ist erstaunlich, daß relativ kurz nach einer unerhörten
Katastrophe, die auch das ganze Erziehungswesen
in so großem Maße in Mitleidenschaft
gezogen und auch den Acker, auf dem der
Erzieher pflügen und säen muß, verwüstet hatte,
sich eine so erfreulich klare und saubere Haltung
der Schule entwickeln konnte.

Man bedenke, daß der Jahrgang, der an dieser
Ostern die Schule verließ, in den Krieg hineingeboren
wurde. Als dieser zu Ende war und die
bittere Ernte des Unsegens begann, begann für
sie die Schulzeit, deren erste Jahre in die große
Notzeit fiel. Wir vergessen sehr leicht, * was
diese Notzeit bedeutet hat. Sicher schließt das
Negative des Vergessens auch das Positive der
Uberwindung und des kraftvollen Weiterlebens
in sich ein. Aber wir erinnern in diesem Zusammenhang
an jene dunklen Jahre, die so randvoll
von Grauen, Tod, Hunger und Elend waren,
nicht aus einer mittelmäßigen Pedanterie. Auch
wollen wir bei dieser Gelegenheit keine moralinsaure
Betrachtung anstellen. Aber wir glauben,
daß es zum Verständnis für die jetzt aus der
Obhut der Schule Entlassenen notwendig ist, daß
wir uns an die schweren Dinge erinnern, die
diesen jungen Menschen in der Kindheit auferlegt
wurden. Insbesondere diejenigen unter
uns, die das Glück einer friedlichen und behüteten
Jugend hatten, sollten sich vergegenwärtigen,
was die heute Vierzehn- oder Fünfzehnjährigen
entbehren mußten. Wer durch ihre Reihen geht,
wird oft erschüttert sein von der Summe menschlichen
Leides, das einem hier von Kriegerwaisen,
Heimatlosen und Enterbten des Krieges ansieht.
Hier sind Kinder, die ihren Vater nicht kannten,
da sind Buben und Mädchen, die zu Hause niemand
lachen hören, dort ist ein Junge, dessen

Spielzeug schwere Arbeit hieß. Die Frühreife der
Kinder einerseits, die so oft beklagt wird, ihre
mangelhafte geistige Entwicklung andererseits,
die nicht zu leugnen ist, alle Vorwürfe, die man
gegen diese Generation so leicht bei der Hand hat,
haben ihren Ursprung in einem Schicksal, das der
Kraft aller bedarf, soll es überwunden werden.

Die jungen Menschen, die vor wenigen Wochen
so frisch und froh sangen „Jetzt geht es in
die Welt", erwartet eine ungewisse Zukunft.
Gewiß, wir hier, im konservativen Südwesten,
fühlen manche sozialen Probleme nicht so brennend
wie anderswo, und wir können in diesem
Zusammenhang von Glück reden, daß beispielsweise
der Lehrstellenmangel in unserer engeren
Heimat noch nicht so katastrophale Ausmaße
angenommen hat wie schon im benachbarten
Württemberg, wo in einem Kreis über 80 Prozent
aller Schulentlassenen noch keine Aussicht auf
eine Lehrstelle haben. Indessen ist auch bei uns
dieses Problem schwer genug, und auch mit der
glücklichen Eroberung einer Ausbildungsstelle
sind die Belastungen, mit denen diese Generation
als Erbe einer nationalen Tragödie behaftet
ist, nicht einfach abzustreifen. Im Gegenteil,
dann beginnen sie sich erst für manchen schmerzlich
auszuwirken. Deshalb ist es notwendig, das
Gesicht dieser Jugend aus dem Wissen um ihre
schwere Kindheit heraus zu verstehen. Deshalb
ist es auch erforderlich, daß wir alle da und
dort, wo immer es möglich ist, die Hand reichen
zur'Hilfe. Die Schule hat eine große und schwierige
Aufgabe in den letzten Jahren bewältigt.
Aber die Erziehungs- und Bildungsarbeit darf
nicht als beendet betrachtet werden. Wer weiß,
daß diese jungen Menschen in einem ganz entscheidenden
Entwicklungsstadium aus einer
kontinuierlichen Erziehungsarbeit entlassen werden
, wird immer dafür eintreten müssen, daß
sich alle Stellen für die pflegliche Betreuung
dieser Jugendlichen einzusetzen haben. Aber
auch das sei festgestellt: diese amtliche, von Verbänden
und Organisationen getragene Betreuung
kann nicht der menschlich-nachbarlichen Hilfe in
dieser Sache entbehren. Sie zu wecken und zu
fördern möge allen, die zur Einsicht bereit sind,
eine ernste Aufgabe sein. L.B.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-04/0004