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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-04/0012
10

Die Markgrafschaft

sich. Ihre beiden Söhne mußte die Augusta wieder
früh hergeben. Auch der Augusta Ehemann,
der gute Kaspar, der noch manches Jahr Bürgermeister
in Lörrach gewesen war, segnete das
Zeitliche. Und als sie erfuhr, daß auch des Theobalds
zweite Frau, die Bärbel Bürgelin, gestorben
sei, ging sie zum erstenmal wieder nach
Riehen, um auf dem dortigen Friedhof einen
Maien aufs Grab des Theobald zu legen. Ihre beiden
Brüder, die unter ihrer Obhut aufgewachsen
waren: der Ferdinand, einige Jahre Pfarrer im
nahen Hauingen, und das Nesthäkchen, der Karl
Ludwig, der Pfarrer in Grenzach geworden war,
sanken ins Grab. Auch das gute Mineli schied von
ihrem Friedrich Wilhelm; deren Kinder waren
schon lange aus dem elterlichen Nest fortgeflogen
und standen in Amt und Beruf. So waren von
allen nur noch sie und der Friedrich Wilhelm
übrig geblieben, beide nun schon um die achtzig.
Unermüdlich rüstig und rührig stand der einstige
Zenoides noch in seinem hohen Alter im umfangreichen
Pfarrdienst. Und als auch er als zwei-
undachtzigjähriger noch in den Sielen plötzlich
verstarb, da war die Augusta nun wirklich die
alle „Überragende". Ihre einst vielgerühmten
Pfirsichbäcklein waren nun freilich auch nicht

mehr glänzig und glatt, sondern rubiig und runzlig
geworden. Und jetzt liebte sie wieder mehr
denn in den Jahren zuvor ihren alten, ersten
Rufnamen, den sie abgelegt hatte: Sophie, weil
sie die Weisheit, diese schönste Beigabe des
Alters, in der langen Schule des Lebens sich wieder
angeeignet hatte. Und bei ihren Bekannten
ward sie auch nur die „Tante Suffili" genannt.
Gerade die tiefe Weisheit, die sich in Hebels
„Vergänglichkeit" ausspricht, wurde ihr immer
deutlicher, wichtiger und größer. Immer und
immer wieder schlug sie in ihrem einsamen
Altenstübchen diese Dichtung auf, sie nach Art
des Alters halblaut vor sich hin zu lesen, und sie
konnte sie schon fast auswendig.

Fast hoffte sie noch, den hundertsten Geburtstag
des lieben, alten Parmenideus erleben zu
dürfen, des schlichten, großen Dichters, der ihr,
ohne es gewußt zu haben, in schwerer Herzensnot
und in trüben Lebensstunden so viel zu geben
vermocht hatte; aber zwei Jahre und einen Tag
vorher schied diese letzte überlebende Zeugin
eines edlen Freundeskreises der reinen Menschlichkeit
, diese stille, oft und nun wieder so
einsame Frau von dieser Erde „un möcht' jetz
nümmi hi".

„Petri Heilf" / von

Ihr mögt es nun glauben oder nicht, aber die
Geschichte hat sich genau so zugetragen, wie ich
sie hier erzähle. Ihr werdet darum verstehen,
daß ich den Ort, wo sie passierte, und die Hauptperson
nicht namhaft mache.

Also, unser Bürgermeister^ gab sich redliche
Mühe, das Dörfchen D. zu einer Sommerfrische
zu machen, weil Fremde bekanntlich Geld ins
Dorf bringen. Und gerade daran herrschte Mangel
in der Gemeindekasse. Wenn ich nun ganz ehrlich
sein will, muß ich allerdings bekennen, daß
D. den Fremden nicht viel zu bieten hatte.

Gewiß, ein kümmerliches Wäldeli war in der
Nähe; ferner die Burgruine Schreckenfels, wo
ein grausamer Raubritter gehaust haben sollte,
doch waren von der Ruine nur noch ein paar
Mauerbrocken vorhanden. Schließlich war da
noch ein idyllisch gelegener, kleiner Weiher,
den aber leider nur noch winzige Fischlein und
Frösche belebten.

Weil aber vor unvordenklichen Zeiten einmal
ein Bauer dort Forellenzucht betrieben haben
sollte, hieß er bei den Einheimischen immer noch
der „Forellen-Weiher".

Unser unternehmungslustiger Bürgermeister —
nebenbei bemerkt ein echter, geschäftstüchtiger
„Wälder" — ließ also in der Zeitung der benachbarten
Stadt eine Anzeige folgenden Wortlauts
los: „Herrliche Sommerfrische in Waldesnähe.
Gelegenheit zu Reit- und Angelsport. Bescheidene
Preise".

Die Bauern in D. waren selbst ganz überrascht
, als sie in der Zeitung lasen, in welch
bevorzugtem Fleckchen Erde sie eigentlich daheim
waren.

Werner Granville-Schmidt

Eines Tages traf denn auch ein Fremder mit
Sack und Pack ein und nahm Wohnung im
einzigen Gasthof, dem „Wilden Mann". Eigner
des Gasthofes aber war eben der Bürgermeister.

Der Fremde war forsch im Auftreten und
stellte allerlei unbequeme' Fragen. „Hören Sie
mal, ist das da hinten aller Wald hier in der
Nähe? Da kann man ja von Anfang bis Ende
hindurchgucken. Wie sieht es denn mit der
Reitgelegenheit aus? Ich bin nämlich passionierter
Reiter".

Der Bürgermeister machte sein treuherzigstes
Gesicht. „Ist die Landstraße zur Stadt nicht wie
geschaffen als Reitweg? Kein Autoverkehr, und
immer der Blick auf die fernen Berge".

„Und wie steht es mit dem Pferde-Material?"

„Hä", der Bürgermeister kratzte sich hinterm
Ohr, wie immer, wenn er sich in die Enge getrieben
sah. „Der Hasenfratz-Baschi hat noch seinen
Schimmel; aber der hat den Spat, und dem
Leimgruber ist seine Fuchsstute vorige Woche
verreckt. Er hat sich dafür eine Wälderkuh zugetan
".

„Danke", wehrte der Fremde knapp ab, „auf
Wälderkühen pflege ich nicht zu reiten. Übrigens,
wenn man sein Pferd selber mitbringen muß,
um Reitsport treiben zu können, dann hätten Sie
ja ebensogut inserieren können: Gelegenheit zur
Großwildjagd auf Tiger und Elefanten. — Mehr
Wahrheit in der Werbung, mein Lieber! — Wie
ist es denn nun mit dem Angelsport? Ich bin
auch begeisterter Angler".

„Hä, da wär der Forellen-Weiher hier eben
außerhalb des Ortes".

(Fortsetzung Seite 12)


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