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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-04/0014
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Die Markgrafschaft

„Petri Heill" (Fortsetzung von Seite 10)

„So, Forellen-Weiher? Na ja, das läßt sich
schon eher hören. — Also gut, ich pachte den
Weiher für die zwei Wochen, die ich zu bleiben
gedenke'

Am folgenden Morgen ging der Fremde zum
Angeln. Als er geschlagene drei Stunden am
Teichufer gehockt hatte, ohne daß sich auch nur
ein Schwanz gezeigt, geschweige denn angebissen
hätte, gab er's auf und packte fluchend sein
Angelgerät zusammen.

Am Dorfeingang traf er zwei Buben, die ein
paar magere Geißen den Rain abgrasen ließen.
„Horcht einmal", inquirierte sie der Fremde,
„ihr wißt hier doch sicher gut Bescheid. Was für
Fische hat es denn eigentlich in eurem Forellen-
Weiher?"

Die Buben blickten sich einen Augenblick
nicht gerade sehr geistreich an; aber dann verzog
ein Grinsen ihre Gesichter. „Wißfisch und
Frosch!" platzte der- eine heraus, und der andere
nickte Zustimmung.

Der Fremde zog die Augsbrauen hoch, als
wollte, er vielleicht sagen: „Also dahe;r weht der
Wind? Herr Bürgermeister, ihr sucht wohl
Dumme?"

Als er heimkam und sein Gastgeber scheinheilig
forschte: „Nun, hat's ausgegeben, oder
beißen sie bei der Hitee nicht?", da zuckte er
nur lächelnd! die Schulter. „Heut' noch nicht, aber
morgen früh gehe ich zur Stadt und besorge mir
einen Spezial-Köder. Es müßte, ja komisch zugehen
, wenn die Viecher dann nicht beißen!"

„Des mein i au!", stimmte der Bürgermeister-
Wirt zu und lachte auf dem Stockzahn; denn es
machte ihm immer besonderen Spaß, die Leute
ein wenig am Seil herabzulassen.

Am nächsten Vormittag, als der Fremde aus
der Stadt zurückkam, wies er, als er mit Angelgerät
und Fischtrommel zum Weiher wollte, geheimnisvoll
blinzelnd auf ein Päckchen in seiner
Hand. „Die Spezial-Köder, Herr Bürgermeister.
Damit habe ich vor Jahren sogar im Roten Meer
Haifische gefangen!"

Wie er heimkam, ging er schnurstracks in die
Küche, öffnete die Fischtrommel und haute zwei
gewichtige Forellen auf den Tisch.

„Blaugesotten, mit zerlassener Butter und
Meerrettich, wenn ich bitten darf!"

Der Bürgermeister war sprachlos und forschte
dann kleinlaut: „Jo — hän Sie die in unserem
Weiher gfange?"

„Freilich, freilich!" bestätigte der Fremde
strahlend.

Der Bürgermeister kratzte sich mal wieder
hinter dem Ohr^ „Dann müssen Sie die Pacht
aber mindestens verdoppeln!"

„Ausgeschlossen, mein Lieber! Vertrag ist
Vertrag! — Wenn ich abgereist bin, können Sie
die Pacht ja erhöhen!"

Da half dem Dorf gewaltigen ja nun alle
Schlauheit nichts. Schon jetzt war er aber entschlossen
, die Fischereigerechtigkeit in seine
Hände zu bringen. Da hatte man sich immer eingebildet
, der Weiher beherberge nur Kaulquab-
ben und Schnaken, und statt dessen wimmelte es
anscheinend von Forellen. Das konnte ja eine
richtige Goldgrube werden! Was ließ sich da
herauswirtschaften, wenn man die Forellen in
die Stadt verkaufte.

Am nächsten Tage erbat er sich die Erlaubnis,
den Fremden begleiten zu dürfen; denn mißtrauisch
wie er war, wollte er sich gerne durch
den Augenschein überzeugen. Und tatsächlich,
wiederum bissen ein paar stramme Burschen an.
Das Herz konnte . einem im Leibe lachen als
Angler. Dem Bürgermeister allerdings blutete es,
weil es ihm um jede Forelle, leid tat, die der
Fremde so billig bekam. Jeden Tag fing der
Fremde etwas, und er verteilte die Fische zuletzt
unter die Dorfbewohner, weil er sich an den
„ewigen Forellen in Blau" schier übergessen hatte.

Als die Ferien um waren und der Fremde mit
Sack und Pack wieder verschwunden war, berief
der Bürgermeister schnell entschlossen den Gemeinderat
ein und setzte es durch, daß der
Weiher zur öffentlichen Versteigerung gebracht
wurde. Für die Dauer von zwölf Jahren, wie es
so üblich ist. Natürlich boten fast alle mit, denn
es hatte sich ja herumgesprochen, wie ergiebig
der Forellen-Weiher war.

Nun, der Bürgermeister war der „betuchteste"
Mann im Dorf, und schließlich wollte ihm auch
keiner dazwischenfunken, als es offensichtlich
wurde, welchen Wert er darauf legte, den Weiher
zu pachten. Für 200 Mark jährlich ersteigerte er
ihn zuletzt.

Schon am folgenden Tag stiefelte der Bürgermeister
in aller Herrgottsfrühe zum Weiher hinaus
. Stundenlang hockte er mit Engelsgeduld am
Ufer, ohne auch nur einen Schwanz zu entdecken.
Sollte es vielleicht doch etwas mit dem SpezialKöder
auf sich! haben? — Ach was, ihm pressierte
es; er wollte Geld sehen! Also verfertigte er sich
einen Ketscher, um den Weiher auszufischen.
Die Forellen würde\ er leicht bei den Gasthäusern
der Stadt an den Mann bringen.

Doch wie er auch mit dem Netzbeutel an
langer Stange bis auf den Grund des Weihers
herumketscherte, der Erfolg war: Fehlanzeige!

„Piffedeckel!" hätte der Hunziger Guschti gesagt
, wenn er Zeuge gewesen wäre dieses Fischzuges
, der gar keiner war.

Nebenbei bemerkt, ein neckisches Kärtchen
von des Fremden Hand — ohne Absender allerdings
— klärte das Forellen-Wunder auf. Daraus
ging nämlich eindeutig hervor, daß er dem gar
zu interessierten Herrn Bürgermeister einen
Spuck gespielt hatte, indem er heimlich in der
Stadt zwanzig lebende Forellen gekauft und sie
ebenso heimlich im Forellen-Weiher hätte aussetzen
lassen. Die Karte schloß: „Behalten Sie
mich in guter Erinnerung. Petri Heil!"

Übrigens: der Bürgermeister angelte nie wieder
, obwohl er für zwölf Jahre das verbriefte
Recht dazu hatte.


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