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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-07/0005
Die Markgrafschaft

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hat Thoma seine Mutter und seine Schwester
zusammen beim Bibellesen dargestellt. Wir können
uns einer guten Rührung nicht erwehren,
wenn wir die beschauliche Stille, die Harmonie
der Linien und den wahren Herzensfrieden, die
in diesem Bild offenbar werden, auf uns wirken
lassen.

Die Dinge, mit denen der kleine Hans Thoma
sich beschäftigt, sind vornehmlich die Schiefertafel
, die Bibel und der Kalender. Die Bibel ist
der sichere, ruhige Pol, um das sich das schlichte
und einfache Leben dreht. Der Kalender, als das
volkstümliche Schriftwerk, bringt die Erklärung
der Himmelszeichen und Weltbegebenheiten; er
enthält lustige und ernste Geschichten, in denen
sich auf eine einfältige, plastische Art und Weise
die Welt spiegelt. In ihnen vereinigt sich das, was
die Entwicklung einer in sich gefestigten Persönlichkeit
benötigt. Während der Kinder- und
Knabenjahre bleibt der Bildschmuck von Bibel
und Kalender die fast einzige künstlerische Anregung
. Thoma zeichnet sie zunächst ab und vergrößert
sie auf grauem Packpapier. Aus der
Beschäftigung mit den symbolischen Kalenderdarstellungen
erwächst ihm später ein umfangreicher
lithographischer Zyklus zum sogenannten
immerwährenden Kalender. Im Hans - Thoma -
Museum in Karlsruhe hat der 65jährige Bernauer
Maler das Leben Christi in einer reichen Bilderfolge
geschildert, unter denen das wohl großartigste
eine Versuchung Christi darstellt. Es ist
ohne weiteres zu erkennen, daß diese Szene sich
für Hans Thoma in der Schwarzwaldheimat abspielt
: im Hintergrund leuchten schwach die
Alpen mit ihrem Firn, rechts tief unten schlängelt
sich das Wiesental aus den Bergen hinaus ins
Freie.

In der Schule in Bernau herrschte nach
Thomas Darsellung ein rauher Ton. Aber Thoma
sitzt immer als Klassenbester in der ersten Bank.
Er nimmt alles, was um ihn herum vorgeht, mit
größtem Interesse auf, er hat ein ausgesuchtes
Erinnerungsvermögen an Farben, Gestalt, Luft
und Wetter. Frühzeitig beginnt er Fremdes mit
dem Gewohnten zu vergleichen. Im übrigen hilft
und macht er überall mit, beim Weiden der
Tiere, beim Klopfen der Weidenflöten, beim
Scheibenschlagen, bei den herbstlichen Kartoffelfeuern
. „Da loderten bis in die Nacht hinein die
Flammen", so schreibt Erls Busse in seinem
Thomabuch, „und es war wunderschön, wenn
sie sich wie feurige Zungen in die Herbstluft
reckten. Auf dem Heimweg lugte schon des
Mondes rundes Gesicht über den Berg, und
Sterne flimmerten ohne Zahl am Himmel. Oft
fror es den Hans ein klein bissei, aber er
merkte es meist nicht; denn er war ein richtiger
Hans-guck-in-die-Luft. Er schaute immer nur
in unseres Herrgotts wundersam sternhelle
Abendstube ... ".

Von diesem Schauen ist etwas in einem seiner
späten Werke, dem „Hüter im Tale". In der
silbrigen Nacht, in den der Mond auf der Rüstung
und auf den Dächern glänzt, steht der Ritter als
Wächter unter der Fahne. Einsam lauscht die
jünglingshafte Gestalt in die Nacht hinaus. Am

Himmel, dem Beschauer unsichtbar, scheint der
Mond als ein blasses Licht durch die Nachtwolken
. In einer ähnlichen Stimmung ist die
Landschaft mit dem einsamen Reiter, der schweigend
und unbeirrt den Berg hinauf reitet, ein
kraftvoller Ausdruck männlicher Entschlossenheit
. Hans Thoma selbst hat nichts erzwingen
wollen. „Ich bin nie etwas nachgelaufen; was

Bernau Foto: Dr. B.

einem beschieden ist, kommt von selbst, unge-
rufen und ungewollt".

Von Johann Peter Hebels Versen kannte der
junge Thoma, den man in Karlsruhe den „Kleinen
Schwarzwälderu nannte, viele auswendig.
Später übertrug er auch Hebels Gedichte „Der
Morgenstern" und „Das Spinnlein" ins Bildliche.

So hat Hans Thoma vieles von Familie, Heimat
und dörflicher Schulbildung als großen
Gewinn für sein künstlerisches Schaffen mitbekommen
. Die scheinbar kleinen Dinge seiner
Bernauer Welt gewannen bei ihm die größte
Bedeutung für sein Künstlertum. „Es gibt Güter,
die man ererbt", so bekennt Hans Thoma, „ohne
daß man sich deren bewußt wird, aber sie
begleiten doch unser Leben wie geheimnisvolle
Mächte.. . Ich war getrost; Trost und Trotz sind
gewiß nahe Verwandte. Es gibt Lagen im Leben,
in denen man sich nur durch Trotz behaupten
kann, durch Bejahung seines eigensten Wesens".

L. Börsig


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