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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-07/0015
Die Markgrafschaft

13

HöfliSkeit,

Höflichkeit gilt seit jeher als
besondere Tugend, und selbst eine
höfliche Redensart, auch wenn sie
einmal an verkehrtem Ort angewendet
wird, ist immer noch besser
als eine Wahrheit, die in
ein grobes Kleid gesteckt wurde.
Jene wird ein verständnisinniges
Schmunzeln hervorrufen, diese aber
mit einer vielleicht noch stärkeren
Grobheit quittiert und ein begütigendes
Lächeln des andern im
Keime ersticken.

Man denke nur nicht, daß die
Stadtleute allein die Höflichkeit in
Pacht genommen hätten. Denn bei
ihnen wird ebenso wie bei den
Leuten auf dem Lande Grobbrot
wie Feinbrot gegessen. Das Mar-
grethli aber hatte das Glück gehabt
, daß sie damals von ihrem
langjährigen Dienst bei einer Stadtherrschaft
eine tüchtige Portion
verbindlicher Umgangsformen und
schöner Redensarten mitgebracht.
Und da sie zudem ein sonniges
Wesen besaß, hatte sie sich nach
ihrer Heimkehr ins Dorf dem Minzinger
Karl, dem Köhlermattbauer,
ins Herz gelacht, daß er sie beinahe
vom Fleck weg zum Eheweib
nahm. Und er war gut dabei gefahren
, denn unter ihrer allzeit
sonnigen Ausgeglichenheit gediehen
gleichermaßen ihre Kinder wie das
Vieh in den Ställen, gedieh vor
allem das schöne Einvernehmen
zwischen Mann und Frau.

In einem Spät jähr pressierte es
arg mit der Kartoffelernte. Bei dem ewigen Regen
mußte man die Zeit dazu förmlich stehlen.

„Margrethli", sagte der Bauer, „gang zuem
Lehrer un frog en, ob mir d'Buebe e paar Dag
us der Schuel b'halte chönne, mer schaffes suscht
nit. I ha kei Zitt, un du chasch au zünftiger mit
em rede."

Also ging das Margrethli zum Lehrer, der
aber gerade eine dringliche Abhaltung hatte. Die
Lehrersfrau führte die Bäuerin in die Stube und
bat sie einen Augenblick um Geduld. Das Margrethli
schaute sich nach Frauenart im Zimmer
um, betrachtete vor allem mit Interesse die
Familienbilder über dem Sofa. Indem trat ein
alter Herr, der Vater der Lehrersfrau, in die
Stube. Sie hatte ihn, der für einige Tage aus der
Stadt herübergekommen war, der Bäuerin zur
Unterhaltung geschickt. Das Margrethli wußte
die Ehre wohl zu schätzen, kramte aus ihrem
städtischen Erinnerungssack ihre besten Redensarten
ans Licht und unterhielt sich solcherweise
mit dem alten Herrn aufs trefflichste.

Als das Gespräch einmal ins Stocken geriet,
fiel ihr Blick zufällig wieder auf die Familien-

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Regensburg

Holzschnitt von Bodo Zimmermann

bilder und, während ihre Augen zwischen jenen
und dem Besuch des Hauses hin und wider
wanderten, deutete sie zuletzt auf ein Bild im
Goldrahmen und meinte in ihrem besten Hochdeutsch
: „Gelt, Herr Oberlehrer, das Bild dort
ist doch Ihre Wenigkeit?"

Um den Mund des alten Herrn züngelte ein
schelmisches Lächeln. „Sie haben schon recht
gesehen, Frau Minzinger, nur war ich damals
noch ein gutes Dutzend Jahre jünger".

Das Margrethli schaute ihn lange schweigend
an, dann wiederum das Bild, wiegte endlich
nachdenklich den Kopf und, aus solcher Nachdenklichkeit
unbewußt in ihr geliebtes Alemannisch
zurückfallend, sagte sie in bedauerndem
Ton: „Nei, nei, wie doch der Mensch verwäse
cha!"

Über solcher abgründigen Anmerkung vermochte
der alte Herr seine ernsthafte Miene
nicht mehr zu bewahren. Er lachte dem guten
Margrethli ins Gesicht und rief fröhlich in
bestem Alemannisch — denn er war auch nicht
„weit her" —: „Aber gälle Sie, bis zue minere
Beärdigung längts doch no lang nit?!" f.Sch.


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