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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-07/0016
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Die Markgrafschaft

Ein Mißverständnis

oder: Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich!

Es war zu Zeiten, als ein Spaziergang des
Sonntags in das Nachbardorf noch zur guten
Sitte gehörte. Wer es sich leisten konnte, spannte
den Braunen vor's Bernerwägeli. Wer es noch
nicht so weit hatte, ging zu Fuß. Noch machte
kein Auto oder Motorrad den kleinen Ausflug
zum Selsbtmordversuch. Es waren noch Zeiten
geruhsamer Stunden.

Im Markgräfler Hinterland wußte man auch
damals schon einen Tropfen des Vorderlandes
besser zu schätzen als den eigenen. Wenn es
auch niemand offen eingestehen konnte. So kam
denn eines schönen Sonntags ein gräflicher Gast
aus einem benachbarten Ort ins hiesige Weindorf
, um dem bekannten Gutedel seine Ergebenheit
zu erweisen. In der gemütlichen Gaststube,
in der der blaue Rauch der langen Tabakspfeifen
unter der Decke hing, herrschte weinfrohe Stimmung
. Am runden Tisch stachen „G'stieß" und
„Papperli" und die Herbstaussichten wurden lebhaft
besprochen. Dem Gast machte man Platz
und bald kreisten die Gläser in der Runde. Gegen
Abend lichtete sich der Kreis. Es war Futterszeit.
Die Zeit, bis die Zechbrüder wieder erschienen,
nutzte unser Herr Graf, um sich durch eine feste
Unterlage auf die kommenden Stunden vorzubereiten
. Er hatte nämlich gut bemerkt, wie der
Frieder dem Hansjörg ein verständliches Zeichen
gegeben hatte. Beide hatten versprochen, nach
„z'Nacht" wieder zu kommen. Da sie gut
„geeicht" und immer zu tollen Streichen aufgelegt
waren, wußten die Eingeweihten, daß

heute wieder einige auf der Wallstatt des Bacchus
bleiben werden. Und so kam es dann auch.

Klein aber hitzig war die Runde um den Ofen
geworden, als der Dorfpolizist mit waagrecht
gezwirbeltem Schnurrbart und blanker Säbelscheidenspitze
zur späten Stunde zum ersten Mal
„Feierabend'* bot. Sein geschultes Auge und Ohr
wußte aber, daß diese „Bäume" nicht auf den
ersten Streich fallen, und so fuhr er sein schwerstes
Geschütz noch nicht auf, als seiner Aufforderung
keine Folge geleistet wurde. Nach einer
dienstlich durchaus vertretbaren Zeit erschien
der wackere Polizist wieder, um nun ohne Konzessionen
seiner Aufgabe gerecht zu werden.'
Die Einheimischen wußten, daß beim zweiten
Male nicht gut Kirschen essen war mit dem
alten „Vize". Sie erhoben sich und gingen. Aber
nicht weit. Den Spaß mit dem Hüter des Gesetzes
und dem hohen Gast wollten sie sich nicht
entgehen lassen. Wie nun der Graf sich im Stich
gelassen sah, bäumte sich sein verletzter Stolz
ob dieser Feigheit auf. Mit allen Mitteln widersetzte
er sich der Dorfgewalt. In seiner höchsten
Bedrängnis glaubte der weinselige Zecher als
letztes Hilfsmittel den gräflichen Namen in die
Waagschale werfen zu müssen und rief: „Ich bin
der Schloßherr von L.!" Sei es, daß die schwere
Zunge undeutlich sprach, sei es, daß der Dorfpolizist
nicht gut hörte, antwortete er geringschätzig
: „Schlosser hie, Schlosser her, ins Hüsli
mit dr!" Und so geschah es.

Alfred Gugedmeier

Die Dummen werden nidht alle!

Manche werden ihn kennen, den selbstgerechten
Gemischtwarenhändler Graubinkler — wenn
er auch in Wirklichkeit nicht so heißt — in dem
kleinen markgräfler Städtchen. Bei jeder passenden
, und zuweilen auch unpassenden Gelegenheit
wendet er seine Lieblingsredensart an, die da
lautet: „Die Dummen werden nicht alle!"

Er sollte recht haben, denn kürzlich passierte
folgendes: den Laden betritt ein fremder, alter
Mann, dem man den Walzbruder schon an der
Nase ansieht. Ein wenig Wurstabfall möchte er
haben; so die Anschnitte und Zipfel, die nachzubleiben
pflegen.

Während Frau Graubinkler ihm ein paar
Reste zusammensucht, greift er plötzlich nach
dem Herzen, stöhnt erbärmlich und bittet um

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Gottes Willen um ein Glas Wasser, da ihm
sterbensübel geworden sei.

Gutmütig, wie Frau Graubinkler nun einmal
ist — kein Bub oder Maidli verläßt den Laden
ohne ein Gulfseli — geht sie in die Küche, um
ein Glas Wasser zu holen. Als sie zurückkommt,
ist der Vogel ausgeflogen, und mit ihm eine
ganze Salami, die zur Ansicht auf dem Ladentisch
lag.

Frau Graubinkler tritt vor die Tür, schaut
nach rechts und nach links, aber von dem Walzbruder
ist nichts mehr zu sehen.

Als Herr Graubinkler, der jeden Nachmittag
im „Löwen" seinen Kaffee-Kirsch-Jaß zu klopfen
pflegt, heimkommt, klagt sie ihm ihr Leid.

Da sollte man nun Graubinkler hören. „Natürlich
, mit euch Wibervölkern kann man es machen.
Ich sag's ja immer: die Dummen werden nicht
alle!"

„Migger", verteidigt sich seine Frau, „schwätz
doch keinen Hafenkäs! Das kann doch jedem
passieren!"


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