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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-07/0017
Die Markgrafschaft

15

„Aber mir nicht!", trumpft Graubinkler auf.
„Vive muß man sein, Ernestine. Bei mir ist in
der Hinsicht kein Blumentopf zu gewinnen!"

„Ja, ich weiß", resigniert die Frau. „Du bist
halt einer von seile, die das Gras wachsen und
die Fliegen husten hören. Wenn sie dich nur
nicht auch mal verwitschen mit deiner Vivheit!"

Ein paar Tage später, als Graubinkler und
seine Frau gemeinsam hinter dem Ladentisch
stehen, kommt eine junge, vielleicht ein bißchen
zu sehr zurechtgemachte Frau in den Laden. Mit
hellem Regenmantel, ohne Kopfbedeckung und
mit einer Einkaufstasche über den Arm gehängt.

„Bitte zwei Pfund Kaffee vom besten, und
gleich durchgemahlen", flötet sie.

Graubinkler schwänzelt hinter'm Ladentisch
herum. Erstens wegen der Zurechtgemachten
— seine Frau ist nicht für solche Fisematenten —
und zweitens, weil er eine neue Kundin wittert.
Kundendienst wird groß geschrieben bei ihm;
denn er ist ja vive, wie er zu sagen pflegt.

Während er den Kaffee in der elektrischen
Mühle durchmahlen läßt, geht sein Mundwerk
wie ein Schwert. „Gut, daß die ewige Kälte mal
vorbei ist. — Ein schöner Tag heute. — Sie sind
wohl auch nicht von hier?"

„Nein. — Das heißt, ich bin jetzt Wirtschafterin
beim Notar Meier".

Graubinkler ist im Bilde. Notar Meier wohnt
am Marktplatz und ist verwitwet. Bisher hat er
nie bei ihm gekauft. Also ein neuer Kunde, den
man sich warm halten muß. „Sodeli, junge Frau.
Und darf's sonst noch was sein?" Er reicht ihr
die Tüte mit Kaffee über den Ladenisch. Mit
einem schelmischen Augenaufschlag sagt die
Kundin: „Ach, schütten Sie den Kaffee bitte in
die Blechbüchse hier. Dann verriecht er nicht so,
und Sie sparen eine Düte!"

Graubinkler schüttet ihr den Kaffee über den
Ladentisch hinweg in die in der Einkaufstasche
stehende Blechdose; denn der Wunsch einer
Kundin ist ihm Befehl.

Die Frau zieht die Börse; doch auf einmal
fällt ihr etwas ein. „Darf ich die Dose mit Kaffee
hier eben ein paar Minuten stehen lassen? Ich
muß noch schnell zur Post und zum Konditor!"

„Hajo!" stimmt Graubinkler zu. „Ich werd'
schon auf die Dose aufpassen, daß sie keiner
mitgehen heißt".

Die Kundin stellt die Dose schön an die Seite
des Ladentisches, daß sie nicht im Wege ist.
Warum soll man schließlich auch ein Kilo mit
herumtragen, wenn man es bequemer haben
kann?

So ähnlich denkt auch Graubinkler, als sie
aus dem Laden schwebt. Seine Blicke folgen ihr
wohlgefällig. „Du, Ernestine, wo isch die denn
her? — Wo seit mer Düte? — I glaub', die
isch ebbis Bessers gsi früehjer!"

„Jo — e Charemensch — mit ihre platinblonde
Hoor un gschminkte Lippe", lacht Frau
Ernestine gereizt. „Du alte Esel wirsch au
riümme gscheit!"

Kunden kommen und gehen. Als eine Stunde
um war, ohne daß die Kaffeekäuferin wiederkommt
, stichelt Frau Graubinkler: „Du, Migger,
die versetzt di. Dere isch's wohl leid um die
sechsedrißig Mark für e Kilo!"

„Das spielt kei Rolle!", entgegnete Graü-
binkler und tut gleichgültig. „Gemahlen oder
ungemahlen; Hauptsache ist: der Kaffee ist da
und kann weiter verkauft werden. — Die wird

Pappeln am Bach Foto: F. W.

sich irgendwo festgedeert haben. — Gib die Dose
her, ich stell' sie unter den Ladentisch".

Frau Ernestine nimmt die Dose auf; doch da
sieht sie richtig einfältig aus. Die Dose war
hopfenleicht. Kein Wunder, denn sie war leer. —
Es stellte sich heraus, daß sie gar keinen Boden
hatte und daß der Kaffee also in die Einkaufstasche
wanderte, die die saubere Kundin mitgenommen
hatte.

Graubinkler besieht die Dose von allen Seiten
und berechnet den Verlust. Genau sechsunddreißig
Mark außer der Blamage vor der eigenen
Frau. Die verzieht übrigens keine Miene, sondern
sagt nur: „Jojo!" Weiter nichts; aber Graubinkler
kann sich das übrige hinzudenken, denn
es ist ja sein Leib- und Magenspruch! .

w. G. S.


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