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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-08/0006
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Die Markgrafschaft

Das markgräflid)e Pädagogium in Lörrach zu Beginn des 18. Jahrhunderts

Von Dr. A. Baumhauer, Lörrach

Die Schulstatuten des fürstlichen Pädagogiums
in Lörrach wurden am 18. Dezember 1719 in
allen Einzelheiten festgelegt. Sie gewähren uns
einen vorzüglichen Einblick in den auf Gottesfurcht
und Achtung vor der Autorität gegründeten
Lehrgang, der neben der Vermittlung eines
soliden, genau festgelegten Wissens dennoch auch
der freien Initiative von Lehrern wie Schülern
genügend Spielraum ließ.

Der Unterricht bewegte sich in den protestantischen
Schulen zu Beginn des 18. Jahrhunderts
noch im wesentlichen in den Formen, wie sie
Melanchthons, von Luther gebilligter Lehrplan
von 1528 geschaffen hatte. Die städtische Schule
für die Bürgersöhne, nicht nur für die künftigen
Vertreter akademischer Berufsarten, sondern auch
für die Kinder von Handwerkern, die später den
Beruf ihres Vaters ergreifen wollten, war die
Lateinschule; sie mußten in erster Linie das
Lateinische mündlich und schriftlich so gut als
möglich beherrschen lernen. Auch die äußere
Einrichtung dieser Lateinschulen wie auch der
landesfürstlichen Pädagogien, die als eigentliche
Gelehrtenschulen Vorbereitungsanstalten für das
akademische Studium waren, blieb die gleiche
vom 16. bis ins 18. Jahrhundert hinein. Sie zerfielen
in drei Klassen und zählten in der Regel
drei Lehrer, Rektor, Kantor und Bakkalaureus,
von denen jeder einer Klasse vorstand; sie standen
unter geistlicher Leitung. Zum Lateinischen
kam die Pflege des Griechischen und — für die
künftigen Theologen — des Hebräischen. Wurden
weitere Lehrkräfte eingestellt, so wurden sie
neben dem Rektor häufig nur numeriert als
Secundarius, Tertius, Quartus. Am Lörracher
Pädagogium haben wir die Titel Prorektor,
Diakonatsvikar und Präzeptoratsvikar.

In einem pädagogischen Werk von 1691 war
die für jene Zeit umwälzende Forderung aufgestellt
worden: „Man sollte eher einen Schüler
aus den oberen Klassen zierlich deutsch als unzierlich
griechisch oder in einem abgeschmackten
lateinischen Carmine perorieren (reden) lassen".
Dennoch vergingen noch Jahrzehnte, bis das
Deutsche und dann auch das Französische und in
ihrem Gefolge Mathematik, Physik, Geschichte,
Geographie als sogenannte „galante" Fächer
neben den alten Sprachen und dem theologischen
Unterricht entsprechend gepflegt und diesen
gegenübergestellt wurden. Fortschrittlich ist die
Schulordnung des Lörracher Pädagogiums vom
Jahre 1719 schon allein durch die Forderung: „Es
sei die teutsche Sprach selbsten, sowohl in Prosa,
als auch ligata, das heißt in der Dichtung, zu
exolieren (zu pflegen)".

Es ist wohl als sicher anzunehmen, daß die
Bestrebungen des berühmten zeitgenössischen
Pädagogen August Hermann Francke, der 1696
sein Pädagogium in Halle neben seinen sonstigen
Stiftungen gründete, für die Schulordnung des
Lörracher Pädagogiums (1719) Vorbild wurden.
Francke hatte ein pädagogisches Ideal geschaffen
, das in gleicher Weise in der Pflege der
wahren Frömmigkeit wie in der praktischen und
moralischen Ausbildung der Schüler bestand, sie
für den Himmel und die Erde zugleich erziehen
wollte. Seine pädagogischen Absichten gingen
dahin, die Jugend zu unterrichten: erstens in der
wahren Gottseligkeit, zweitens in den nötigen
Wissenschaften, drittens in einer geschickten
Beredsamkeit, viertens in wohlanständigen äußeren
Sitten. Genau dieselben Ziele werden auch
in den Schul-Leges des Lörracher Pädagogii aufgestellt
, die so viele interessante Einzelheiten
enthalten, daß es sich wohl lohnt, die verschiedenen
kulturgeschichtlich aufschlußreichen Abschnitte
an dieser Stelle ausführlich wiederzugeben
. Sie sind für den Geist des beginnenden
18. Jahrhunderts, für seine Gesellschaftsordnung
und seine pädagogischen wie moralischen Anschauungen
durchaus bezeichnend.

Die Lörracher Schulstatuten gliedern sich in
14 Teile: 1. Von der Gottesforcht und derselben
Übung; 2. Von wohlanständigen Sitten und Tugenden
; 3. Von der) Didactica in genere, das heißt
vom Unterricht im allgemeinen; 4. Von der
Didactica in specie (Stoffplan der drei Klassen);
5. Von der Musica und deren Übung; 6. Von der
Visitierung des Pädagogii (Inspektionen); 7. Von
denen Examinibus; 8. De promotionibus (die
Versetzungen und Beförderungen); 9. Von der
Schuldisziplin; 10. Von den Pflichten der Lehrer
im allgemeinen; 11. Die Befugnisse des Prorektors
; 12. Einzelbestimmungen für die Klassen
und Schüler, Kleidung, Benehmen; 13. Die Rechte
der Lehrer; 14. Die Ferien.

Die fürstliche Schulordnung für das Lörracher
Pädagogium stellt an den Anfang aller Verpflichtungen
die Erziehung der Jugend zur Gottesfurcht
als der Quelle aller übrigen Tugenden
und aller Wissenschaft. Die Praeceptores sollen
allen Fleiß darauf verwenden, daß die Schüler
mit zunehmendem Alter je länger je mehr im
Glauben bestärkt werden. So heißt es m\ der Einleitung
: „Damit auch der grundgütige Gott sowohl
hierzu als zu allen anderen dero Amts- und
Schulgeschäften desto mehr Segen und Gedeihen
gebe, so solle aller Lectionum, tarn publicarum
quam privatarum, Anfang mit dem gewöhnlichen
Gesang, biblischer Lesung und Gebet geschehen
, sich auch solcher Gestalten mit Gebet
und Gesang endigen". Prorector und Praeceptores
sollen die Schüler an allen Kirchtagen zum
fleißigen Besuch des Gottesdienstes anhalten, sie
sollen dabei das „vorwitzige Umgaffen, Schwätzen
oder andere Unanständigkeit" verhindern,
vielmehr die Schüler anhalten, ihre Handbibel
mit in die Kirche zu nehmen, um darin die Texte
der Predigt nachzuschlagen. Nach dem Gottesdienst
, in den die Schüler nach dem Namensaufruf
in gemeinsamer Prozession geführt werden
, müssen sie über den Inhalt und Aufbau der
gehörten Predigt befragt wurden. „Und damit in
der Gottesforcht die Jugend auch durch der


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