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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-10/0012
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Die Markgrafschaft

Bilder aus einer merkwürdigen Stadt I K. Schäfer

Von der merkwürdigen Entstehung der merkwürdigen Stadt

(1. Fortsetzung.)

Es entspricht ganz dem Wesen dieser preisgegebenen
Stadt, daß sie nicht wie eine Wunderblume
aus eigener Kraft emporsproß und sich
entfaltete, ihre Strahlung und Lockung hinausschickend
in die nähere und weitere Umgebung
und in die näheren und weiteren Zeitenläufe,
vielmehr ihren Ursprung einer Kraft von außen
verdankt, die willkürlich ihr befahl und aus
deren Gesetz heraus sie ihr Leben begann.

Im großen Mühlenspiel der Geschichte ist
nicht nur der richtige Zug entscheidend, sondern
als Voraussetzung dieses entscheidenden Zuges
die richtige Plazierung der Steine. Neuenburg
war solch ein Stein auf dem Spielbrett der Geschichte
. Die Spieler waren der Stauferkaiser
Barbarossa und der Zähringerherzog Berthold IV.,
den man den Städtegründer nannte. Es war die
hohe Zeit der Städtegründung, das 12. Jahrhundert
. Der Weife Heinrich der Löwe und die
Zähringer waren die bedeutendsten Schöpfer
neuen städtischen Lebens. 1120 war am Ausgang
des Dreisamtales Freiburg gegründet worden. Im
Jahre 1146 war der große Rufer Bernhard von
Clairvaux auf seiner Kreuzpredigtfahrt von
Süden kommend auf der Straße am Gebirgs-
rande entlang durch unsere Gegend gezogen.
Durch seine Predigt aufgerüttelt, machten sich
die Lothringer und die Süddeutschen zum zweiten
Kreuzzuge auf. Die sächsischen Ritter aber
bewegte er zum Zuge gegen den heidnischen
Abodritenfürsten Niklot, dem Stammvater des
bis 1918 regierenden mecklenburgischen Fürstenhauses
. Berthold IV., der Zähringer, war der
getreue Anhänger Barbarossas. Als während der
Kämpfe mit den oberitalienischen Städten und
dem Papste Alexander III. der Kaiser in den
Kirchenbann geriet, wurde auch der Zähringer
vom Bannstrahl getroffen.

Nun hatte Berthold IV. im Jahre 1161 das
Kloster Tennenbach gegründet und die Schutzherrschaft
darüber übernommen. Er hatte dabei
dem Abte Hesso für 30 Reichsmark einen Wirtschaftshof
und den Grund und Boden darum
verkauft, eben denselben Boden, auf dem heute
die Stadt Neuenburg steht. Bald aber änderten
sich die Verhältnisse und Berthold hatte Ursache,
diesen Verkauf zu bereuen. Heinrich der Löwe,
Herzog von Sachsen und Baiern, hatte von seiner
Gemahlin Klementine, die eine Schwester Bert-
holds II. war, als Mitgift neben 100 Hofgütern
auch die Herrschaft Badenweiler in die Ehe eingebracht
erhalten. Für ihn bedeuteten diese Güter
und diese Herrschaft nicht viel. Ihm war viel
mehr an Sachsen gelegen. So verkaufte er die
Güter gegen andere in Sachsen an den Kaiser
Barbarossa, für den sie einen wichtigen Stein im
Mühlenspiel bedeuteten. Durch diese Erwerbung
wollte er eine unmittelbare Verbindung zum
Elsaß gewinnen, wo die Hohenstaufen mit dem
Landgrafenamte belehnt waren. Außerdem war
ihm eine verstärkte Möglichkeit geboten, Einfluß

zu nehmen auf die Freigrafschaft Burgund, auf
welche Berthold Anspruch erhob. Die Folge war
eine Trübung des Verhältnisses der beiden. Das
Spiel war eröffnet. Berthold setzte seinen Stein
dagegen, und dieser Stein war Neuenburg. Er
fühlte sich durch die veränderten Verhältnisse
berechtigt, dem Tennenbacher Kloster den verkauften
Grund und Boden wegzunehmen und
hier eine Stadt zu gründen als einen Sperriegel
am Rheine. So ist es auch zu erklären, daß wir
so früh hier schon einen zahlreichen wehrhaften
Ritteradel versammelt finden. Hinzu kam noch,
daß Berthold befürchten mußte, sein festes
Schloß Breisach über kurz oder lang als Reichslehen
zu verlieren. Auch darum mußte ihm gelegen
sein, sich einen andern gesicherten Punkt
am Rheine zu verschaffen. In einem Lagerbuch
des Klosters Tennenbach aus dem Jahre %1341
wird über diesen Raub bewegte Klage geführt.
Es heißt dort: „Der Boden der Stadt Neuenburg
selbst war Eigentum unseres Klosters, es war
nur eine Scheuer und ein Brunnen dort, wo jetzt
die Stadt liegt. Dieses Gut mit allem Zubehör
und dem Boden haben unsere Vorgänger vom
Herzog Berthold für 30 Reichsmark gekauft. Als
sie aber dieses Gut mehr als zehn Jahre besessen
hatten, ohne Unterbrechung und ungestört, da
fiel es dem Herzog ein, die Mönche gewaltsam zu
vertreiben und eine Stadt zu errichten. Und so
geschah es auch".

Die streitbaren Mönche nahmen das Unrecht
aber nicht ohne weiteres hin. Sie wandten sich
an den Papst Alexander nach Rom und baten
ihn, als Schiedsrichter in dem Streite zwischen
Herzog und Kloster ihnen zu ihrem Rechte zu
verhelfen. Papst Alexander aber fällte einen
bemerkenswert milden Spruch. Sie sollten alles
von ihrem Besitze zurückerhalten, was außerhalb
der Stadtmauer liege und außerdem für
immer das Patronatsrecht über die Pfarrkirche.
Der Papst hatte von den Unstimmigkeiten zwischen
Kaiser und Herzog gehört und hoffte daher
, Berthold durch diesen Spruch für sich zu
gewinnen. Er selbst war nämlich inzwischen in
eine schwierige Lage geraten, weil der Kaiser
als Antwort auf den ausgesprochenen Kirchenbann
einen Gegenpapst aufgestellt hatte. Berthold
nutzte aber diese Lage aus und erklärte den
Spruch des Papstes als für ihn nicht gültig, da er
sich nicht mehr an diesen Papst gebunden fühle.
So blieb es bei seiner Tat, die übrigens später
sein Schwiegersohn, ein Graf Egeno I. von Urach,
der Bärtige genannt, durch reiche Geschenke an
das Kloster sühnte.

Alle diese politischen Ereignisse gaben den
Ausschlag zur Gründung der Stadt. So standen
Streit, Gegenzug und Unrecht an ihrer Wiege.
Streit, Zug und Gegenzug und Unrecht bestimmten
fortan die Geschicke der Stadt. Trennendes
zu sein, war ihre aufgezwungene Bestimmung,
während sie ihrer Lage nach Verbindung und
Brücke hätte sein sollen. In diesen Streit und


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