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Die Markgrafschaft
R. G. H. im Januarheft dieses Jahrgangs glaubte.
Unsere Oberländer haben damals eine farbenfrohe
Tracht gehabt, und sie haben ihr Vorbild
sicher drüben in der Schweiz gesehen. Und weil
die Tracht mit ihrem schönen Kappenboden und
ihren vielen Bändern den Seidenbandwebern
reichlich Arbeit gab, darum blühte in der Schweiz
die Seidenbandweberei. Und darum wohl konnte
Karl Christian Mez, der in Kandern als Posamenter
anfing, schon nach kurzer Zeit über zwanzig
Gesellen beschäftigen. Freilich dürfen wir darüber
nicht vergessen, daß zu Hebels Zeiten der
Hut noch nicht verschwunden war, allerdings
trug man zur Kappe den Strohhut: „und der
Schiehuet nimmsch in d'Hand am siidene Bendel".
Es waren wirtschaftliche Gründe, die zur Einführung
der Strohflechterei in der Triberger
Gegend führten. Aber es darf nicht übersehen
werden, daß von Frankreich her das Schäferspiel
um die Mitte des 17. Jahrhunderts zu uns kam
v.nd daß auch bei uns die Damen das Schäferinnenkleid
mit dem breitrandigen Hut gerne trugen
. Die Mode machte auch hier ihren Einfluß
geltend!
Und nun noch ein Wort zur heutigen Lage.
Bei der Tagung der „Arbeitsgemeinschaft zur
Pflege der Heimatgeschichte" in Eimeidingen, als
ich zu Bürgermeister Rungs 70. Geburtstag seine
Verdienste um das Brauchtum der Heimat würdigen
durfte, bin ich bei manchen Teilnehmern
auf Widerstand gestoßen, weil ich damals schon
(im April 1938) darauf hingewiesen habe, daß
die Hörnerkappe nicht zu halten ist. Wenn wir
eine Markgräfler Tracht für die Zukunft wollen,
müssen wir zurückkehren zum Vorbild früherer
Zeiten, wie es später auch geschah in der Vreneli-
tracht, die wir heute an manchen Orten antreffen
. Es hat keinen Sinn, über den Rückgang der
Tracht zu klagen, wenn man nicht willens ist,
etwas anderes an ihre Stelle zu setzen. Wenn zu
Hebels Zeiten das Vrenele noch den Schiehut am
Arm trug, warum soll nicht bei echten Trachtenträgerinnen
, wenn der Rock und das Halstuch
schon da sind, auch die Hörnerkappe getragen
werden bei ganz besonderen Anlässen? Wo eine
Kappe in der Familie ist, darf das gar keine
Überlegung geben. Und es sind, Gott sei Dank,
noch genug Kappen auf unseren Landorten; man
denke nur an die verschiedenen Glockenweihen
der vergangenen Jahre! Aber wer dort dann in
der Tracht erscheinen darf (nicht kann oder will
oder gar muß, sondern darf!) mit der Hörnerkappe
, den wählt weder der Bürgermeister noch
der Pfarrer oder der Lehrer aus: das sind die,
die sich auch sonst zur Tracht bekennen, zur
Vreneletracht. Und ich hätte gar nichts dagegen
einzuwenden, wenn diese Mädchen bei einer
Feier zur Kirche und zum Festakt die Hörnerkappe
tragen, die sie am Abend zum Tanz mit
dem Vreneli tauschen. Wie schreibt Hebel vom
Schiehut: „und der Schiehut nimmsch in d'Hand
am siidene Bendel; d'Sunne gitt der wärmer und
schiint der besser in d'Auge, wer en in de Hände
treit, und 's stoht der au hübscher!"
„'s stoht der au hübscher", das ist es, was
den Ausschlag gab und gibt. Die Obrigkeit kann
keine Mode befehlen; sie kann gegen Mißbräuche
auftreten. Und wenn damals die Mädchen nicht
das Gefühl gehabt hätten, daß das Neue sie hübscher
macht, sie hätten es nicht übernommen.
A. Eisele
„Kleider madben Leute"
Wer wollte diese Tatsache widerlegen? Bei
seinem ersten Auftreten wirkt im allgemeinen
ein gut gekleideter Mensch zunächst sympathisch.
Was will man aber unter dem so üblichen „gut
gekleidet14 verstanden wissen?
Für manchen sollte die Garderobe teuer und
pompös ausfallen, dafür darf es ihr bei einem
anderen in nichts am Eindruck des Biederen und
Ursoliden mangeln, gar ein dritter hätte eventuell
noch hinzuzufügen: „Und bei allem sei der persönlichen
Note nicht vergessen!" Ja gerade sie
sollte in der Auswahl der Kleidung eine maßgebliche
Rolle übernehmen. Warum ist man
geneigt, so häufig hier eine Unterlassungssünde
nur aus dem einen Grunde zu begehen, weil man
„modern" sein will? Freilich sollen wir den reizvollen
Linien nachspüren, die die Mode launisch
in ihrem ständigen Wechsel zwischen den Jahreszeiten
uns vorzeichnet — doch: auf unsere Art!
Wenn wir aus der gebotenen Fülle von Einfällen
das heraussuchen, was uns, das heißt unserer
Figur, unserem ganzen Wesen am gemäßesten
erscheint, so kann darüber kein Zweifel herrschen
, daß wir dem Kreis der sogenannten „gut
Gekleideten" angehören werden.
Man muß sich Klarheit über seine Statur verschaffen
, seiner „geprägten Form" Stil und
Würde leihen: wird dann nicht von selbst aus
dem verlockenden Glanz der Schaufenster das
entsprechende Kleidungsstück wirken? Es vermag
sogar unter Umständen von verführerischer
Noblesse zu sein — wesentlich anziehender, als
vielleicht das neuste kostbare „Modell" mit seiner
kalten und fremden Prachtentfaltung. Nicht
nur materiell will ein Kleidungsstück erworben
werden, sondern auch gleichsam einen Hauch
unseres Wesens mit seinen Besonderheiten und
Mängeln empfangen. Ist unsere Garderobe nicht
Zeugin vieler freud- und kummervoller Stunden,
hilft sie nicht oft malerisch das Paradies der
Erinnerungen mit auszuschmücken? Und wir
sollen da säumen, ihr eine individuelle Note zu
verleihen! Das besondere Fluidum, das von
einem Menschen ausstrahlt, der Charme einer
jeden Geste, sollen durch diese Note nur einen
deutlicheren und vorteilhafteren Akzent erhalten
. Besteht auf diese Weise zwischen dem Menschen
und seiner Kleidung Harmonie und Einklang
, so wird man den Eindruck einer „gut
gekleideten" Persönlichkeit gewinnen.
Freilich nach einem allgemeingültigen Rezept
läßt sich nicht vorgehen; jede Gestalt,
jeder Stoff, jede Farbe haben ihre Gesetze, die
wohl beachtet werden müssen. Laßt uns sie ergründen
mit Liebe, Geduld und Einfühlungsvermögen
— und wir geben der Bemerkung Goethes
die Wahrheit: „So lassen Kleider und Hausrat
eines' Mannes sicher auf dessen Charakter
schließen!" Angelika Holler
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