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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-12/0016
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Die Markgrafschaft

ahnen konnte. Der Jörg lächelte unter seiner
weißen Lammfellmütze, schnalzte mit der Zunge
und blinzelte in das leichte Schneetreiben. Fröhlich
war er, ganz inwendig" fröhlich. Die weiße
Stille bedrückte ihn nicht. So hörte er sich selbst
besser, seine Freude, die in ihm mit heller
Stimme sang.

Als er über die Höhe fuhr und aus dem Wald
kam, wurden die Tiere unruhig. So versponnen
Jörg auch in seinen glücklichen Gedanken war,
er merkte sofort, daß etwas nicht stimmte. Er
hielt an und ging um seinen Schlitten. Aber da
fehlte nichts. Hüh, sagte der Schweizer-Müller,
die Pferde zogen an und liefen eine Weile, die
Köpfe in die Höhe werfend und laut Atem ausstoßend
. Das Leitpferd zerrte und tänzelte unruhig
. Die Stute spielte nervös mit den Ohren,
aber sie zog noch gleichmäßig. Der Mann unter
der Lammfellmütze ließ wieder halten und
redete mit seinen Rappen. Sie spitzten die
Ohren. Aber als es wieder losging, zeigten sie
sich noch unruhiger. Und da überkam den jungen
Müller eine Furcht. Er blieb wieder stehen und
lauschte in das Tal hinaus. Die Tiere tänzelten
vor dem Schlitten und warfen ihre Köpfe. Jörg
sah über ihre naßglänzenden schwarzen Rücken,
und da bemerkte er eine Helle, die aus dem Tal
in die Höhe stieg. Der Himmel begann gelb und
rot zu werden. Jörg versuchte zu erkennen, was
dies sei. „Feuer", schrie er plötzlich und wurde
hellwach. War es seine Mühle? War es das
Schulhaus? Jörg sprang auf den Schlitten, zog
die Leine fest und schon liefen die Pferde, die
die Hand ihres Herrn wieder spürten, an. Wieder
ging es durch den Wald. Die Bäume huschten
wie große aufrechte Wattebäusche vorbei. Jörg
dachte an Gertrud. Merkwürdig, sagte er zu sich,
merkwürdig, daß ich nicht an die Mutter denke.
Es könnte auch daheim das Unglück sein. Er
schüttelte den Kopf und gab auf den Weg acht.
Die beiden Rappen liefen mit schönem Schwung
und gleichmäßig. Der Wille ihres Herrn zeigte
sich ihnen wieder fest und nicht weich und verschwommen
wie vorhin. Jetzt waren es nur noch
zwei Biegungen bis ins Dorf. Der Schweizer-
Müller fuhr vor den ersten Hof. Eine Frau
stürzte aus dem Hause und schrie: „Die Schule
brennt!" Da gebrauchte Jörg die Peitsche, der
Schlitten schoß davon. Als er am Schulplatz ankam
, sah er seinen alten Knecht, er warf ihm die
Zügel zu und lief zum Haus, dessen Dachstuhl
in hellen Flammen stand. Kein Wasser, riefen
die Leute, und es geschah so gut wie nichts. Der
alte, weißhaarige Lehrer stürzte mit versengtem
Haar aus seiner Schule, in jeder Hand ein paar
Bücher. Wo ist die Gertrud, rief Jörg. Der Lehrer
antwortete nicht. In seiner Verzweiflung verwirrten
sich ihm alle Gedanken. „Jörg, hilf!",
sagte er und ging wieder in seine Schule. Der
junge Schweizer-Müller war schon die Treppen
zu der im oberen Stock gelegenen Wohnung gerannt
, da kam ihm Gertrud und einige Männer
mit Hausrat, Betten, Kleidern, Nötigem und
Unnötigem entgegen. Jörg schaffte, befahl, bat.
Bald hatte sich eine lange Eimerkette gebildet
bis zur Schweizer-Mühle. Dort gab es Wasser.
Jörg rannte wieder und wieder die Treppe hinauf
. Eine Sekunde streifte ihn ein Lächeln. Er
lachte aus rußigem Gesicht und schaffte doppelt.
Aber trotz allen Anstrengungen wurde die Lage
bedrohlich. Die Treppe begann zu glühen:. Das
obere Stockwerk war nicht mehr zu retten. Niemand
durfte mehr ins Haus. Da rief jemand nach
dem alten Lehrer. Gertrud stürzte zu Jörg. Der
Vater ist oben, sagte sie tonlos. Einige Minuten
später trug Jörg einen bewußtlosen alten Mann
aus dem Schulhaus. Er hatte einige angekohlte
Bücher in seinen verbrannten Händen.

Jörg goß sich einen Eimer Wasser über den
Kopf. Es war eisig, aber es tat wohl. Später kam
seine Mutter. Sie schickte ihn heim ins Bett. Die
Schweizer-Müllerin hatte Eimer um Eimer gereicht
. Sie brachte einen Wagen, lud die Habe
der Lehrersfamilie auf und fuhr damit nach der
Schweizer-Mühle. Der alte Lehrer starb in den
Armen seiner Tochter noch am gleichen Abend.
Die Schweizer-Müllerin richtete alles in ihrer
ruhigen, guten Art.

Als das neue Jahr begann, legte sie die
Hände ihres Sohnes in diejenigen Gertruds. Jörg
war still. Er legte seine Arme um die Mutter
und die Lehrerstochter. So ging das Jahr in den
Sommer und in den Herbst. Als auf der Scheideck
der Winter begann und es gegen Weihnachten
ging, fuhr Jörg wieder mit seinen zwei Rappen
ins Kandertal. Neben ihm saß Gertrud. Er hielt
ihre Hand und sie schwiegen als sie an die Stelle
kamen, wo damals die Pferde unruhig wurden.

Gis

/-:-\

HEBELBUND MÜLLHEIM

Am Sonntag, dem 24. Januar 1954, 20 Uhr,
findet in der Festhalle in Müllheim unsere

Jahresfeier

statt, zu der wir heute schon die Bevölkerung
von Müllheim herzlich einladen.

„Die Markgrafschaft4'

Monatszeitschrift des Hebelbundes

stellt die Verbindung zwischen den Hebelfreunden in der
Heimat und in der Ferne dar. Wer sie abonniert, hilft
dem Hebelbund bei der Erfüllung seiner vielen und
schönen Aufgaben.

Einzelheft.......DM -.50

Halbjahresabonnement = 6 Hefte DM 3.—
Jahresabonnement für 12 Hefte . DM 6.—

Bestellungen nimmt jederzeit entgegen:

Hebelbund Lörrach, und
Hebelbund Müllheim (Baden)

Herausgeber: Hebelbund Lörrach und Müllheim (Baden)
Redaktionskommission des Hebelbundes
Gesamtredaktion: L. Börsig, Müllheim
Verantwortlich für den Löriacher Heimatteil: Max Demmler
Telefon: Lörrach 2900 — Müllheim 358
Manuskriptzusendungen an: Hebelbund Lörrach und Hebelbund Müllheim
Redaktionsschluß jeweils am 1. jeden Monats
Anzeigen-Annahme: F. Wolfsberger, Müllheim, Wehrgasse 3
Postscheckkonto 68889 Karlsruhe
Druck: Markgräfler Druckerei, Müllheim (Baden)


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