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Die Markgrafschaft
Nr. 1 / 6. Jahrgang
Monatszeitschrift des Hebelbundes
Januar 1954
Von bm ?ridjen bzn ?rit
Nach den vielen Feiertagen kommt nun wieder
der Alltag zu seinem Recht, und es sind wohl
viele, denen die Unterbrechung der gewohnten
Arbeit fast zu lange wurde. Mit vielen Glückwünschen
versehen haben wir unsere Arbeit wieder
begonnen, und wir wollen hoffen, daß mit
den mehr oder weniger bunten Neujahrskärt-
ehen hie und da auch ein echter brüderlicher
Wunsch in unser Haus kam, hinter dem auch
ein Stückchen jener Herzenskraft stand, deren
Mitteilung wir bedürftig sind wie eh und je.
Einen solchen Wunsch möchten
wir hier jedenfalls unseren
Lesern und Freunden mit dem
ersten Heft des neuen Jahres
nochmals übermitteln. Möge
unsern Lesern und Freunden
das Jahr 1954 eine gesegnete
Zeit sein und Werte bringen,
die den flüchtigen Augenblick
überdauern.
Wir möchten diesen Wunsch
bewußt an den Anfang dieser
Zeilen schreiben, weil ihr Ende
vielleicht den Eindruck erwek-
ken könnte, daß wir zu einer
unpassenden Zeit den Schwarzseher
spielen wollen. Dies trifft
allerdings nicht zu, und wir
Wünschen unseren Freunden
den besten Lebensoptimismus,
der sie befähigt, das, was wir
nicht nur schwarz sehen, sondern
was auch reichlich dunkel
ist, im besten Sinne zu bestehen
. Was wir freilich als
gefährlich bezeichnen müssen
und um dessetwillen diese Zeilen auch geschrieben
werden, das ist jener Zweckoptimismus,
der unserer eigentlichen Situation am wenigsten
gerecht werden kann.
Nach dem heillosen Ende von 1945 ergingen
sich viele, vor allem junge Menschen, in Gedankengängen
des Nihilismus. Dies war bei dem
lähmenden Entsetzen angesichts unserer nationalen
Katastrophe kaum verwunderlich. Andererseits
begannen damals in kleineren und größeren
Gemeinschaften und Zirkeln Gespräche, in denen
sich verantwortungsbewußte Menschen ehrlich
bemühten, unter den geistigen Trümmern der
Zeit nach jenen Gütern zu graben, die das große
Feuer überstanden und sich als bleibend erwiesen
hatten. Mühsam und mit zerschundenen Händen
wurde oftmals gesucht und manches Wertvolle,
das kaum freigelegt war, wurde in jenen dunklen
'tagen der Rache wieder verschüttet. Immerhin
können wir einen Teil der Bemühungen als ge-
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glückt bezeichnen, und manche brauchbare Wertskala
für ein menschenwürdiges Leben wurde
überzeugend nachgewiesen. Das war noch in der
großen Notzeit, an die uns zu erinnern wir wahrscheinlich
mehr Gelegenheit nehmen sollten als
wir dies im allgemeinen tun. Dann kamen die
Jahre des raschen Wiederaufstieges. Kaum auf
die schmerzlichste Weise belehrt über die Vergänglichkeit
der Güter dieser Welt, begannen wir
frischfröhlich und in gewohnt robuster Weise die
Jagd nach neuem Besitz. Auch dies wird angesichts
unserer menschlichen
Eigenschaften kaum zu verwundern
sein, und es wäre
sehr töricht, wenn wir den
mutigen Wiederaufbau der
letzten Jahre in seinen guten
Erscheinungen herabmindern
wollten. Was uns aber zu denken
gibt, ist die Feststellung,
daß eben jene Gespräche, die
angesichts der trostlosen Trümmerhaufen
geführt wurden,
verstummten. Der Nihilismus
ist als Gespenst weit in den
Hintergrund getreten. Die damals
dieses tristen . Glaubens
angeklagte Jugend fährt knatternd
auf schweren Motorrädern
an den kopfschüttelnden
Alten vorbei, unbekümmert
und unbesorgt. Ihr Glauben an
die PS ihrer Maschine ist jung
und unverbraucht. Aber auch
dieser Tatbestand gibt uns
noch keinen Anlaß zu ernsterer
Beunruhigung. Die größere
Beunruhigung, zu der wir glauben Anlaß genug
zu haben, resultiert aus dem Zweckoptimismus
der Massen in einem Augenblick,
in dem man bereits deutlich den Atem eines
erbitterten geistigen Ringens verspüren kann,
in einem Augenblick, da sich die Schicksalswolke
des Jahres 1954 für unser Volk drohend
am Horizont erhebt. Niemand weiß,
wie das geistige Ringen endet, niemand weiß
auch, ob die Gewitterentladung unserer Schick-
salswolke, die über Berlin steht, Segen oder
Unheil bringt. Deshalb sind wir tief beunruhigt,
weil uns unter Umständen das nationale und
internationale Unglück wie ein Blitz aus heiterem
Himmel treffen kann. Während wir noch an die
Pünktlichkeit des Milchmannes glauben und uns
an der seichten Sensationslust unserer Illustrierten
ergötzen, während wir in tiefer bürgerlicher
Ruhe unser wenig sonntägliches Sonntagsprogramm
machen und uns im Metzgerladen den
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