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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-01/0004
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Die Markgrafschaft

Kopf zerbrechen, welche Delikatesse wir unserem
Magen zuführen wollen, während wir kurz und
gut so tun, als sei ja wieder alles in bester Ordnung
, können die ersten Blitze zucken, und
unser Haus steht vielleicht in Flammen, während
wir den Schlaf der Gerechten schlafen. „Selig
die Schläfrigen, denn sie werden bald einnicken",
sagte Nietzsche, der die Bergpredigt zwar in
unerhörter Weise persiflierte, aber im Negativen
ebenso ungeheuer klar war.

Nun, wir können zu unserer Entschuldigung
sagen, daß wir verdammt lange wach und in
Atem gehalten wurden. Eine Generation, die zwei
wahnsinnige Kriege durchgelitten hat und der es

aufgetragen wurde, in der Abendstunde ihres
Daseins das Tagewerk wieder zu beginnen, eine
solche Generation weiß sehr wohl um das
schmerzliche Wachseinmüssen, wenn die Häxrcte
müde geworden sind. Aber noch ist nicht die
Zeit, den Feierabend zu beginnen, vor allem nicht
den Feierabend des Gewissens. Unsere tiefe
Sehnsucht nach Ruhe und Frieden bedarf zu
ihrer Erfüllung des unablässigen Tätigseins für
eine über Parteien und Konfessionen hinwegreichende
Ordnung, deren Wertskala aus der
Verpflichtung gegenüber unserer abendländischen
Tradition von Christentum und Humanismus sich
ergibt. l. Börsig

Jft unfect alemannifdje Wiunbavt in C^efatju?

So lautet die Überschrift des Hauptaufsatzes
in der Nummer 4 des „Lichtgang". Wilhelm Oswald
in Siegelau schreibt da unter anderem:

,,Bei den täglichen Mundartsendungen des
Senders Beromünster unserer alemannischen eidgenössischen
Nachbarn — und sie reden meist in
Mundart — stellt man oft unwillkürlich Vergleiche
an, warum so etwas in unserem alemannischen
Badnerlande einfach nicht mehr möglich
ist! — Reisen wir durch die Schweiz, so wird uns
sofort auffallen, daß in den industrie- und städtereichen
Kantonen, genau so wie in den bäuerlichen
Urkantonen, durchweg von der Bevölkerung
„schwzyerisch" gesprochen wird, immer mit
dem Akzentunterschied, der jedem Kanton eigen
ist. Man kann da etwa auf der Bahn oder beispielsweise
im internationalen Fremdenverkehrsbahnhof
Luzern mit Leuten zusammenkommen,
die nach unserem Begriff wie „Bauern" reden,
doch nachdem erfährt man, daß man mit dem
Bundesrat B. oder dem Professor G. oder sonst
mit irgend einem akademischen Herrn der
Schweiz gesprochen hat, und zwar im urchigsten
„Dütsch", das kein badischer Hotzenwälder besser
aussprechen könnte!

Wäre so etwas bei uns möglich? Dabei wird
es niemandem einfallen, zu behaupten, daß es im
Oberstüble des eidgenössischen Akademikers
weniger helle aussehe, als an derselben Stelle
eines deutschen Professors!

Wir wissen es ja nicht mehr, aber es muß in
dieser Hinsicht bei uns vor hundert Jahren auch
anders ausgesehen haben. Der Klassiker unserer
alemannischen Mundart, unser unsterblicher
Johann Peter Hebel, dessen Bildungsgang doch
sicher der eines Gelehrten war, muß noch vollständig
im Sprachgefühl seiner alemannischen
Heimat aufgegangen sein. Der sprachliche Verkehr
muß in jener Zeit auch in den Oberschichten
noch in der Mundart vor sich gegangen sein.
Hebel muß von ihrem Klang und Sang völlig
eingenommen worden sein. Die Mundart seiner

r-\

Haben Sie Ihren Verwandten und Bekannten unser
Blatt schon gezeigt? — Wenn nicht, holen Sie es
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V_._)

Heimat muß Lebensquell seines Dichtens und
Denkens gewesen sein, denn sonst häte er nicht
aus ihren Tiefen mit solcher Genialität die herrlichen
, poesievollen Herzensregungen aus seinem
urwüchsigen Sprachschatz hervorholen und formen
können. Es mache einmal jemand den Versuch
, seine alemannischen Gedichte in ein hochdeutsches
Gewand zu kleiden, wie kläglich würde
sich darin die Kunst und Poesie Hebels präsentieren
! —

Doch man frägt sich: wäre Hebel und seine
mundartliche Sprachgewalt heute noch möglich?
Wenn wir aufmerksam, etwa bei einem Hörspiel
aus der alemannischen Schweiz, darauf hinhorchen
, werden wir auf Worte, Ausdrücke und
Redewendungen stoßen, die wir einst von der
Mutter gehört haben, derer sich auch der große
Hebel bediente, die aber aus unserem heimatlichen
Sprachschatz verschwunden sind. Unser
Alemannisch diesseits des Rheins ist sprachlich
ärmer geworden. Die hochdeutsche Ausdrucksweise
hat es verdrängt. Der „sächsische Kanzleistil
" ist bis in die hintersten Winkel des Schwarzwaldes
vorgedrungen, vornehmlich durch die
Schulen nach 1870, und hat die Ausdrucksweise
des Volkes viel ärmer und poesieloser gemacht.

Für uns besteht die Pflicht, unsere Sprache
rein zu erhalten. Es ist schon in der wilhelminischen
Zeit auf den Kasernenhöfen genug
gegen unsere „Bauernsprache" gesündigt worden
. Außerdem wurde nach 1870, wie schon
erwähnt, an unseren Schulen der preußische
Sprachklang mit großem Eifer nachgemacht.
Jeder „Schandarm" oder jeder Ladenkommis
glaubte sich gebildeter auszudrücken und an
menschlicher Bedeutsamkeit zu steigen, wenn er
preußisch redete. Ja, dumme Bauernburschen
schämten sich ihrer Bauernsprache, wenn sie als
ausgewachsene „Hämmel" vom Kasernenhof wieder
in ihr Heimatdorf zurückkehrten, zum mindesten
durften sie nicht mehr „iser", sie mußten
„unser" sagen. Besinnen wir uns und reden wir
jederzeit und an allen Orten, vor allem auch bei
behördlichen Stellen, in unserer lieben, warmen
Alemannensprache. Wir brauchen uns ihrer absolut
nicht zu schämen, denn unser Hebel hat sie
unsterblich gemacht".

Ziehen wir daraus die Folgerung!


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