Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-01/0005
Die Markgrafschaft

3

7ot)ann 4)eter fabele
©pcactjftinft

Wie er als Lehrer nur
das Bild eines frohen
Schulmannes gegeben haben
will, so ist er als
Kalendermann, als Erzähler
ein froher Seelsorger
. Jede Geschichte ist
ihm ein Beispiel, jede soll
beitragen, den kräftigen
und strebenden, witzigen
und gewitzten, hilfsbereiten
und lebensfrohen
Menschen auszugestalten,
jede soll mit der Welle
der Begeisterung oder der
Freude oder des Behagens
den Willen, das Geblüt
des Lesers wecken
oder erneuern. Hebel will
das moralische Bewußtwerden
des Menschen
fördern. Seine Beispiele
stammen fast alle aus
dem Kreise des Bauern,
Soldaten oder Landstädters
, an den er sich richtet
; aber die Kunst, mit
der er sie gestaltet und
vorträgt, ist vom höchsten
Grade, so fein und wesenhaft
wie irgendeine. Er
findet seine Stoffe in
Zeitungen, im Leben, in
alten Büchern (Behaghel
hat in seiner Hebelausgabe
viele Vorlagen abgedruckt
) und man staunt
über seine Kraft der Aneignung
. Es ist, als ob
er nach der formlosesten
Masse nur den Finger auszustrecken
brauchte, damit
sie, durch Anziehung
und Abstoßung umgewandelt
, sich selbst nach dem in ihr schlummernden
Formgesetze dehnte und der Hand des Künstlers
entgegenkäme.

Seine Formsicherheit, die auch das kleinste
Gebilde nicht mit einem Zuge, nicht mit einem
Wort überlastet, ist unbedingt. Er beginnt etwa,
um den Leser für die richtige Aufnahme der
folgenden Geschichte einzustellen, mit einem
Satze, der an ein religiöses oder soziales Grundverhältnis
erinnert; die Geschichte selbst aber
erzählt er durchaus nicht auf die Moral, sondern
einzig auf ihren Lebensgehalt hin, nicht aus
Lehrabsicht, sondern aus Künstlerfreude mit
aller/ Farbe, allem Relief und Reflexlicht, das sein
reiches Auge sieht. Und in der Tat findet der
einfache Leser das Beispiel, das er erwartet; der
künstlerisch empfindende aber empfängt ein kleines
Kunstwerk, das durchaus im Lichte eigenen
Lebens leuchtet und den moralischen Schein-

"Winterfreuden

(Photo W. & Tr.)

werfer weit überstrahlt, dessen Fügung und Formung
den Kunstverstand überrascht und entzückt
, dessen Worte von unverwelklicher Farbe,
Fülle und Natur sind.

Leicht und rasch wie ein Blick aus dem Auge
kommt ihm das Wort; es klingt und schwingt
von Nebentönen, Verwandtschaft und Heimlichkeit
, es trägt so kurz oder so weit, wie es gerade
soll. Sein Sprachgefühl ist so durchgebildet und
süßreif, daß es ihm allein gelungen ist (denn es
war ihm ein Spiel), volkstümlich zu schreiben,
ohne gesucht oder süßlich oder roh zu werden.
Hebel, wie jeder Brief, jede Erzählung beweist,
der reinsten Form, der geschmeidigsten und anmutigsten
Wendung kundig und fähig, hat eben
darum auch die feine Zunge für die — in ihrem
Bereich — zartere Abgetöntheit der Volkssprache
und die flüssigeren Formen ihrer Syntax; und
mit all diesen Unregelmäßigkeiten, die ihm so


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-01/0005