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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-01/0014
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Die Markgrafschaft

(Btnbütm, <$e|penft, ßaminftger unb Tkufel

Unser alter Kaminfeger Sch. war ein Unikum.
Er konnte erzählen und Sprüche machen, konnte
sich aber auch ducken, wenn es Not tat. Und den
Wein liebte er sehr, trotzdem er kein Markgräfler
war. Es geht halt den Kaminfegern wie den
Tierärzten; wenn sie in ein Bauernhaus kommen
, heißt es: „Chömme si, trinke si e Schöppli",
oder im Winter: ,,Nämet au e Brenz, vor dr
wyter göhnt". Und so summieren sich die
Schöppli und die Brenz, ohne daß der Beglückte
es merkt. Doch ich will zum Eigentlichen
kommen.

Im ersten Weltkrieg verlegte man das damals
so notwendige Geschäft des Hamsterns am besten
in die Abend- und Nachtstunden, welche vom
Auge des Gesetzes doch nicht so leicht zu durchdringen
waren, wie die hellen Tagstunden. Ja,
sogar die Hüter der Ordnung gingen ihm oft
selbst nach, wie es einmal Hans erlebte. Er ging
nach Riedlingen, um Milch zu holen. Ein Lodenumhang
deckte die verräterische Kanne, konnte
aber den Träger nicht unsichtbar machen. Auf
der Höhe des Käppelebuck hörte er kräftige
Schritte im Pulverturmweg. Eine große, ebenso
bekleidete Gestalt tauchte aus der Dunkelheit,
und eine wohlbekannte, tiefe Stimme sagte:
„Quten Abend, Herr Lehrer. Wollen Sie hamstern
gehen?" Es war die Stimme des Gendarmeriewachtmeisters
. „Oha, jetzt bin ich verkauft
", dachte Hans, sagte aber herzhaft: „Ja,
Herr Wachtmeister". „Soo, na dann können wir
ja zusammengehen; ich nämlich auch!"

Solche amtliche Begegnung hatte ich allerdings
nicht, aber eine andere. Ein Tag in der
Woche gehörte Tannenkirch, bezw. Ettingen. Die
Witwe Strohmeier (Straumeiere) mit ihren beiden
Töchtern wohnte am Ende des Ortsteils. Ein
Mann war nicht im Hause, so mußte sie sich mit
ihren Mädels tüchtig abschinden bis in den späten
Abend. Es war oft schon dunkel, wenn sie
mit dem Fuhrwerk vom Felde heimkamen. So
ging ich meistens erst den ,,Hühner" hinauf,
wenn die anderen Hamsterer schon auf dem
Heimweg waren. Marie, die jüngere, war meist
vorausgegangen, um das Nachtessen zu richten
und das Sach zum Melken bereit zu stellen. Wir
kannten uns gut aus unserem Laden, und sie
war eine gute Seele. Mehr als einmal stellte sie
mir ein Schüssele Milch und ein Stückchen
Bauernbrot auf den Stubentisch, damit mir das
Warten nicht zu lang würde. Das tat auch meinem
eingeschrumpften Magen gut.

Wenn ich mich dann auf den Heimweg machte,
war es meist schon „chüttige Nacht", mit Ausnahme
der Sommermonate. Ich denke nun an
eine kalte, mondhelle Winternacht. Der Boden
war steinhart gefroren und meine Schritte klangen
laut. Ich ging gerade durch die Tannenkir-
cher Reben am Ortsausgang, als ich ein leises
Klirren hinter mir hörte. Ich schaute mich um.
Die Straße machte einen Bogen, so sah ich nichts.
Ich ging schneller, das Klirren auch. Schritte
hörte ich aber nicht. Als die Straße wieder gerade
wurde, sah ich ziemlich weit hinter mir im

hellen Mondschein eine lange schwarze Gestalt,
unnatürlich lang, mit einem komischen runden
Kopf hoch oben; sie klirrte bei jedem Schritt.
Was konnte das für ein Wesen sein? Mein Herz
klopfte stärker, aber meine Neugierde wurde
wach. Ich lief schneller, das lange Ding auch.
Jetzt war ich vorne, wo die neue und die alte
Straße sich teilten. Sollte ich der neuen Straße
nach oder den „Hühner" hinunter? Ich blieb
stehen und überlegte. Inzwischen kam das
Schwarze näher. Das Klirren wurde lauter, aber
auch schlürfende Schritte hörte ich jetzt.

Am hohen Rain links der neuen Straße stand
viel Gebüsch, in dessen Schatten ich mich bergen
konnte, um abzuwarten. Und dann war es da,
oder eigentlich er, der Kaminfeger. Er hatte den
linken Arm durch die Leiter gestreckt und sie
aufrecht getragen. Hoch oben darauf thronte als
Kopf die Besenkugel im geringelten Draht. Über
der Schulter klirrte die Kette bei jedem Schritt.
Ein Gespenst war es also nicht, aber er ging
unter der Macht ,,eines Geistes", der seine
Schritte stockend und schlürfend machte, seine
Augen hielt, daß er mich nicht merkte, und seinem
Mund Murmeln und halblautes Lachen
entlockte. „So, hat's dich", dachte ich und ließ
den schwarzen Mann ein schönes Stück vorangehen
, bis ich auch den steinigen „Hühner"
hinunter stolperte, heimzu.

Irgendwo erzählte ich die Geschichte. Da
lachte Maria und sagte: „Ich weiß noch etwas
Lustigeres. Sch. hat's mir selbst erzählt". Das
war so: Sch. war in jüngeren Jahren auf dem
Schwarzwald, wo die Höfe stundenweit auseinanderliegen
, und der Kaminfeger von seiner
Tour an manchem Abend nicht heimkommt. Wie
oft mußte er in einem der Höfe um Nachtquartier
bitten, besonders im Winter, wenn hoher
Schnee lag und die Wege unsichtbar machte.

So kam Sch. auch an einem wüsten Winterabend
in den Beisihansenhof, der hoch oben auf
einem einsamen Bühl lag. Ein Hurliwetter trieb
die nassen Schneeflocken im Wirbel, und die
Kälte biß auf der Haut. Der schwarze Mann
klopfte den nassen Schnee ab und klinkte die
Haustüre auf. Alles war still, nur aus der Küche
fiel ein schmaler, schwacher Lichtschein in den
Hausgang. Er rief: „Isch noch einer uff?" Die
alte Magd machte die Küchentüre weit auf und
sah den vor Kälte schnatternden Kaminfeger da
stehen. „Was, Ihr sin's! By dem Wetter, un so
spoot?" Schnell rückte sie ihm einen Hocker an
den gemauerten Herd, auf dem noch der irdene
Kaffeetopf stand. ,,Do, wärmet ich und trinket e
Chachle Kaffi". Sie goß ihm einen Stampf Kirsch
hinein. Sch. setzte sich und schlürfte dankend
den heißen Trank. Dann fragte er um ein Nachtlager
. Doch damit sah es diesmal bös aus. Der
Schneider und der Schuster waren gleichzeitig
für einige Tage hier ,,auf der Stör", so daß kein
Bett frei war. In der Scheune war es bei diesem
schlimmen Wetter zu kalt und windig. Blieb nur
die Kunst in der Stube. „Besser as nüt", sagte


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