Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-01/0016
14

Die Markgrafschaft

Zur altbadischen Regierung hat er zwar nicht
gehört, bei weitem nicht! — Auch zu Hitlers
Zeiten hatte er nichts zu melden. Da hat er den
Anschluß verpaßt! — Aber da er ein eifriger
Leser aller erreichbaren Tagesblätter war, kam
es selten vor, daß er mit irgend einer Frage in
Verlegenheit zu bringen war. Paßte ihm aber
eine Verfügung der altbadischen Regierung nicht,
so hörte man ihn sagen: ,,Wenn ich uf Friburg
abe gang in d' Erbprinzestroß, — dene will ich's
scho sage!" — Aber dabei blieb es auch und
findige Köpfe fanden den Namen ,,Minister" für
ihn passend. Wer weiß, vielleicht hätte er auch
einen solchen Posten ausgefüllt, wenn. . . Einen
gescheiten Kopf hatte er ja. Darum sollte er
auch Kaufmann werden, und bei diesem Beruf
kam ihm dies sehr zustatten. Und so hatte er
sich in einem Schwarzwälder Fabrikationsbetrieb
bis zum ersten Buchhalter hinaufgearbeitet. Das
waren für ihn die Glanzzeiten seines Lebens, die
Jahre im Schwarzwald. Da spielte er eine Rolle.
Brachte man ihn auf dieses Thema, so war sein
Redefluß nicht zu hemmen. Er schwelgte in
Erinnerungen an Falkau, Altglashütten, Hinterzarten
, den Feldberg. Ein Schmunzeln ging über
sein Gesicht, wenn er über die Erfolge bei der
holden Weiblichkeit berichtete. Von den Liebesbriefen
konnte er sich gar nicht trennen; die hatte
er noch nach Jahrzehnten in sicherem Gewahrsam
. Wollte er uns seine einstige „Unwiderstehlichkeit
" beweisen, so las er mitunter so ein
zartes „Liebesgedicht" vor. — „Des glaube mir
nit, daß du so zärtlichi Brief überchu hesch,
sunscht» wärsch doch nit sone alte Chracher worde
un hättsch dr eini usglese!" bekam er des öfteren
zu hören. — „Wisset ihr, mir hän halt alli gfalle,
's sin alles eso netti Maidli gsi. Hätti eini gnu,
so hätt's der andere weh do. Drum hanis halt
blibe lo. I hätt halt solle 's Hälmli zieh!" — Und
so blieb er eben ein Junggeselle. Den ersten
Weltkrieg hat er gut überstanden. Er war bis
zum Vizewachtmeister befördert worden. Die
schweren Nachkriegs jähre, die Inflation, warfen
ihn völlig aus der Bahn. Und da suchte er Trost
im Alkohol, suchte zu vergessen, daß er um das
in langen Jahren ersparte, selbstverdiente Geld
betrogen war. Manch ein Fäßchen „Markgräfler"
reiste von seinem Heimatdorf in den Schwarzwald
, sehr zum Schaden für seinen Beruf. Und
so ließen die Folgen auch nicht allzu lange auf
sich warten: er wurde entlassen. Nun trat er die
Reise an zum Wein, der brauchte nicht mehr zu
ihm in den Schwarzwald reisen. — „Er hat ein
chronisches Leberleiden", meinte einmal ein
Spaßvogel. „Seine Leber hat immer Durst!" —
Und so war es auch. — „I ha halt 's Leberli uf
der Sunnesite!" konnte man ihn sagen hören.

die Monatszeitschrift des Hebelbundes

Sie erscheint monatlich und kostet 50 Pfg., im Postversand
60 Pfg., ins Ausland 65 Pfg.

Machte man ihm aber ernstliche Vorhaltungen,
so hieß es: ,,d' Rebbure chönnte bigott froh si,
wenn sie e mengge so hätte wie mi; i heb doch
auch dr Wiikonsum!" — Und das stimmte ja. Er
verlegte sich auf das Arbeiten im Taglohn. Verschiedene
Familien gehörten sozusagen zu „seinen
Kunden". Alle waren soweit mit ihm zufrieden
. Man mochte ihn auch hinstellen, wohin
man wollte, er stellte seinen Mann. Was er aber
auf diese Art verdiente, wurde in Alkohol umgesetzt
, und so verbrachte er jeden Feierabend
im Wirtshaus. Die Kleiderfrage machte ihm aber
auch gar nie Kopfzerbrechen. Etwas ließ er sich
nicht nehmen. Kragen und Selbstbinder waren
unzertrennlich von ihm, was er auch für eine
Arbeit verrichtete. Die Frage: wo bekomme ich
billigst einen Selbstbinder?, war für ihn bald
gelöst. Immer fand er weibliche Wesen, die in
der Lage waren, zwei Strumpflängen in schwarz
für ihn zusammen zu nähen. Und der „Minister"
hatte wieder seinen Binder.

Der Herr Minister war am „genießbarsten",
wenn er sich ein gewisses Quantum Alkohol einverleibt
hatte. Sonst konnte er mitunter ein
rechter Nörgler sein. Vom Sparen, an die alten
Tage denken, wollte er nichts wissen. Ohne Bedenken
fing er an, die von seinen Eltern ererbten
Grundstücke zu veräußern — eines nach dem
andern mußte dran glauben. Das „Schlemmerleben
", das er nun führte, war jedoch nur von
kurzer Dauer. Bald hörte man ihn klagen: „Isch
des nit e Unverschämtheit! Jetz hän si mi mundtot
gmacht, hän mi unter Kuratel gstellt. Des
goht doch ander Lit e Sch. . dreck a, was i mit
minere Sach mach! Un wenn i 65 Johr alt bi, so
chumm i jo mi Rente über!" — Die schönen Tage
von Aranjuez waren nun vorbei. Er spielte keine
große Rolle in den verschiedenen Gasthäusern.
Dann brachte das Jahr 1938/39 durch den Bau
des Westwalles reges Leben in das Dorf. Wir
machten uns Gedanken über die Zukunft, über
den drohenden Krieg. Ihn berührte dies kaum.
Er machte sich auch wenig Sorgen, als es im
Jahr 1940 hieß, das Dorf müsse geräumt werden
. Ein kleines Köfferchen barg seine Habseligkeiten
. — „Un in dem chliine Kifferli isch di
ganzi Sach, Herr Minister?!" — „Jä, jä, des isch
mi ganzi Bagasch; mir längts! Was nützt dem
Seemann sein Geld, wenn er damit ins Wasser
fällt?" — Damals war er fast zu beneiden. Und
er fand mit seinem Wenigen in Kandern gleich
einen Unterschlupf. Da gab es über das Unterbringen
kein Kopfzerbrechen. Er brauchte sich
keine Sorgen zu machen über das in der Heimat
Zurückgelassene. Und uns war so schwer ums
Herz.

Durch die harten, schweren Kriegs jähre hatte
er sich so hindurchgeschlängelt. Im Jahre 1945
hat es ihn doch noch erwischt. Da hatte ihn ein
Granatsplitter am linken Arm verwundet. —
„I mueß scho sage, die Dökter z'Badewiler hän
mi Arm guet zämmegflickt!" hörte man ihn erzählen
, als er wieder keimkam und seinen Arm


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-01/0016