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Die Markgrafschaft
Roffmann von Sallecöleben im f)cbellanb
Es ist bekannt, daß Heinrich Hoffmann von
Fallersleben, der Dichter des Deutschlandliedes,
der in Breslau seines Amtes als Professor wegen
seiner freiheitlichen Gesinnung enthoben wurde,
eine besondere Sympathie hatte für das badische
Land, wo er viele Gesinnungsfreunde fand. Er
weilte gern in Mannheim und Heidelberg, zumal
auch in Lahr, dessen Bürger er beinahe geworden
wäre.
Schon in jungen Jahren hatte sich Hoff mann
auch für den alemannischen Dichter Joh. Peter
Hebel begeistert. Er war noch Student in Berlin,
als er das erste alemannische Gedicht schrieb.
(Um Hebel ganz zu verstehen, hatte der Germanist
Hoffmann die alemannische Mundart
gründlich studiert.) Sein erstes alemannisches
Gedicht brachte er bei einem Gartenfest, anläßlich
des Geburtstages seines Freundes, des Musikers
Mersebach in Berlin, zum Vortrag. Wir
teilen den Anfang und das Ende jenes Gedichtes
mit:
's isch hüt hier wohl e Fiirtig gsi?
Isch's nit, ihr Chindli, so?
He friili jo, ne schöne Tag,
Drum simmer au so froh . . .
Doch heimli hani no ne Wunsch,
Sei goht ich just nüt a:
I wünsch im Her meng sufer Buech
Mit schöne Aria.
Er het jo sini Freude dra,
Drum mueß mer's ihm au lo,
Und wenni Liedli näume wüßt,
Er sött sie übercho!
Wenn der Kenner der alemannischen Mundart
auch nicht mit jeder Wendung dieses Gedichtes
ganz einverstanden sein wird, wir müssen
doch die Einfühlungsgabe des Norddeutschen in
unser Alemannisch bewundern.
Vier Jahre später gab Hoffmann ein ganzes
Bändchen „Alemannische Lieder" heraus. Er ließ
sie in Celle auf eigene Kosten drucken. Das
Bändchen umfaßt 66 Seiten. Die Auflage betrug
140 Exemplare. Leider ist uns das Bändchen
nicht zur Hand. Es ist dies wohl ein einmaliger
Fall, daß ein Andersstämmiger sich so in die
Hebel'sche Art einlebte, wie Hoffmann.
Der Dichter war 45 Jahre alt, als er das Land
Hebels persönlich besucht hat. Er weilte zuvor in
Mannheim und Heidelberg. In Heidelberg hatten
ihm die Studenten bei Fackelschein ein Ständchen
gebracht. Über seine Reise auf Hebels Spuren
erzählt der Dichter in seinen Lebenserinnerungen
:
„Am 5. September 1843 reiste ich ins badische
Oberland, um das Wiesental und seine Mundart
noch gründlicher kennen zu lernen. Ich fuhr über
Straßburg nach Basel und dann nach Lörrach.
Es war gerade an einem Sonntag, am 10. September
, als ich bei heiterem Wetter durch die
schöne Gegend fuhr. Überall begrüßten mich
freundliche Gesichter. Um Mittag besuchte ich
den jüngeren Grether (wohl den Sohn von
Hebels Lehrer Andreas Grether von Hausen). Ich
traf ihn in der Küche beim Kugelgießen. „Nun,
es geht wohl hier recht kriegerisch her?", sagte
ich zu ihm. — „Ja, es ist heute Schützenfest in
Schopf heim, fahren Sie mit!" erwiderte er. Ich
war dazu bereit, und wir fuhren im Einspänner
nach Schopfheim. Wir kamen kurz vor einem
Gewitter an. Wir kehrten im „Pflug" ein und
gingen dann zum Ball der Schützengesellschaft
im „Engel". Grethers Schwager, der Bürgermeister
Gottschalk, empfing mich herzlich wie
einen alten Freund. Es ging lustig her. Die Bergmusikanten
von Kandern spielten, und die
Schopfheimer Meidle im schwarzen Kopfputz
mit langen Zöpfen ließen keinen Tanz vorübergehen
. Um 12 Uhr setzte sich alles zu Tisch.
Gottschalk hielt eine Rede in alemannischer
Mundart und brachte ein Hoch auf mich aus.
Alles stimmte freudig ein.
Am andern Tag gingen wir zum neuen
Schießhaus. Sechs Scheiben waren aufgestellt. Dfe
Preise hingen an einem Schirmdach. Es wurde
mit Stutzen geschossen, 200 Schritt weit und aus
freier Hand. Auch ich wurde aufgefordert, mein
Heil zu versuchen. Ich dankte aber, denn wenn
man vorbeischießt, so kommt hinter der Scheibe
ein Hampelmann hervor, der die Hände überm
Kopf zusammenschlägt, worauf ein allgemeines
Hohngelächter erfolgt. Ich dachte: Was nicht
deines Amtes ist, da laß deinen Fürwitz. Abends
um 9 Uhr fuhren wir beim Mondschein heim.
Am andern Tag lernte ich den Rechtsanwalt
Euler kennen. Ich sprach vom Hauptzweck meiner
Reise und bat ihn, mir behilflich zu sein. Er
war sehr bereitwillig. Damit wir recht ungestört
das Alemannische betreiben konnten, lud er mich
ein, bei ihm zu wohnen. Das war mir sehr willkommen
. Euler kannte genau die Mundart seiner
Heimat und hatte auch alemannisch gedichtet.
Die Durchsicht meiner Lieder, die wir sofort
begannen, war bald beendet, ebenfalls der Nachtrag
„Grammatisches".
Schon am 17. September schrieb ich meine
Vorrede zu meinem neuen Buch und konnte am
Schluß mit Recht sagen: „Herr Rechtsanwalt
Euler war so gütig, mir über die Aussprache und
Formenlehre, sowie über die Bedeutung der
Wörter Auskunft zu erteilen, meine früheren
und einige neuere alemannische Gedichte streng
durchzugehen, und ihnen ein echtes mundartliche
Gepräge zu geben, so daß kein Sprachforscher
und auch kein Eingeborener hinfort die
Form anfechten kann. In dieser neuen sprachlichen
Gesichertheit übergebe ich nun mit vollständigeren
Worterklärungen meine Sammlung
der deutschen Welt und wünsche, daß sie dort
Teilnahme findet, wo sie bis jetzt als eine Heimatlose
betrachtet worden ist. (Demnach gab also
Hoffmann seine „Alemannischen Lieder" neu
und erweitert heraus. Sie erschienen im Verlag
von Friedrich Bassermann in Mannheim.)
Euler war ein lieber, gemütvoller Mensch. Er
widmete mir seine Zeit. Damit mir die Erinnerung
an seine Heimat eine nachhaltig angenehme
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