Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-04/0017
Die Markgrafschaft

15

haft. Das große Stück Wurst, das sie ihm einwickelte
, nahm der Soldat dankend an. Doch den
Gruß konnte er ihm nicht mehr bestellen, als er
heimkam. Wie er in Erfahrung brachte, hatte
der „Meister" hier als Ehevermittler fungiert.
Er hatte den Metzger nach dem Tode seiner
ersten Frau veranlaßt, seine Magd zu heiraten,
und der Metzger hatte ihr das ganze Vermögen
verschrieben, bevor er starb.

In Oberburnhaupt hatte ein Bauer einen großen
Hof, ein verschlossenes Hoftor und einen
bissigen Hund, der keinen hineinließ. Trotzdem
verschwanden ihm seit langer Zeit viele Dinge,
und er konnte den Täter nicht feststellen. Da
ging er schließlich zu dem „Wundertäter" und
erzählte ihm seine Not. Dieser ging am darauffolgenden
Sonntag mit ihm zur Kirche und
stellte sich vor die Kirchentür als die Besucher
herauskamen. Alle Leute betrachtete er mit
scharfem Blick. Beim Mittagessen erklärte er
dem Bauern, daß er innerhalb drei Tagen seine
Sachen wieder haben werde, außer der Frucht
und den Kartoffeln, die bereits verzehrt seien.
Den Dieb werde er „zwicken", daß er keine Ruhe
habe. Nachmittags schickte er den Bauer mit
seiner Familie zur Kapelle, wo sie fünf Rosenkränze
beten mußten. Zwei Nächte darauf lagen
vor des Bauern Haus tatsächlich alle Ketten,
Säcke und noch mehr Sachen als er vermißte. In
einem Papier eingewickelt fand er dabei noch
zwanzig Mark und auf einem Zettel dabei stand,
daß diese für die gestohlenen Lebensmittel seien.
Dem Bauer ging des „Hexenbanners" Wein nicht
mehr aus. Aber die Nachbarn lachten, denn sie
kannten den Dieb schon lange. Es war ein früherer
Knecht, dem der Bauer seinen Lohn abgezwackt
hatte, und der sich so bezahlt machen
wollte. Darum ließ ihn auch der Hund ein und
aus. Als es bekannt wurde, daß der „Meister"
kommen und den Dieb „zwicken" werde, was
der Bauer überall erzählte, und als der Knecht
diesen vor der Kirchentüre erblickte und dieser
ihn so scharf ansah, sei er .furchtbar erschrocken.
Da ihn die Leute, die davon wußten, noch
ängstigten, habe er dann alles zurückgebracht.

Die jungen Burschen seines Dorfes waren
dem Meister nicht grün. Darum holten sie ihm
im Hausgarten das frühe Obst von den Bäumen,
obschon er höllisch aufpaßte. Den Feldhüter
Benz wollte er mit Schnaps gefügig machen, aber
der wußte Bescheid. Er kam nicht gegen sie auf,
und das verdroß ihn. Mit einem Knecht vom
Schwarzwald, der bei einem großen Bauer des
Dorfes diente, schmiedete er einen Plan, der seine
„Kunst" erneut unter Beweis stellen sollte. Eines
Morgens mußte der Sepp um vier Uhr in seinen
Grasgarten schleichen und die frühreifen Erntebirnen
schütteln. Der „Hexenbanner" erschien
und rief: „So, hani di, du Schelm!", hob seinen
Ochsenziemer und rief laut, daß es in der ganzen
Nachbarschaft zu hören war: „Melcher, Kasper,
Baiser! Sie hän di festbannt!" Der Sepp ließ die
Birnen fallen, kam aber nicht mehr von der
Stelle. Er schrie jämmerlich, als die hageldichten
Prügel prasselnd auf sein Hinterteil fielen.
Schließlich kamen die Leute zu rennen, durch

sein Gebrüll angelockt. Als genug gafften, ließ
er den Sepp laufen, der dicht hielt.

Nun hatte die Haushälterin des Bauern, bei
dem der Sepp diente, einen Neuthaler verloren,
der nicht aufzufinden war. Als der Sepp am
Sonntag darauf einen Neuthaler in der Wirtschaft
wechseln ließ, fiel der Verdacht auf ihn,
er habe ihn gestohlen. Er mußte vor den Vogt,
wo er schließlich den Plan des Schwindlers eingestand
, der ihn mit Schnaps und guten Worten
zu der Komödie überredet hatte und ihm noch
einen Neuthaler schenkte. Er hatte sich mit
Watte den Rücken belegen und oben darüber
Brettchen binden müssen, damit es „fest gekracht
" habe. Wie ein Lauffeuer ging diese Geschichte
durch den Ort. Die Haushälterin hatte
inzwischen ihren Neuthaler wieder gefunden. Der
„Hexenbanner" aber war so wütend über den
mißglückten Handel, daß er im Spät jähr den
frühen Birnbaum ummachen ließ.

Weniger lustig ging es aber aus, wenn leichtgläubige
Patienten in seine Hände fielen, anstatt
einen Arzt aufzusuchen. Manche starben nach
schweren Krankheiten, denn wenn es zu spät
war, konnte auch der Arzt nicht mehr helfen.
Oft wurde er mangels an Beweisen freigesprochen
, aber schließlich geriet er doch in die Falle.

Im Nachbarort „behandelte" er schon lange
eine alte Witwe und kam dann auch in ihre
Nachbarsfamilien. Für seine Gänge ließ er sich
gut bezahlen. Als er angezeigt wurde und es zu
einer Verhandlung kam, sagte die Witwe unter
Eid aus, daß sie ihm nichts geben durfte, und
das Schöffengericht mußte ihn freisprechen. Aber
vorher hatte er ihr geschrieben, daß sie den Eid
ablegen müsse, nichts an ihn gegeben zu haben.
Nach der Verhandlung blies der Wind ihr den
Brief durchs Stubenfenster auf die Straße. Zufällig
kam einer aus seinem Dorf vorbei, hob den
Brief auf und trug ihn, nachdem er ihn gelesen,
an die richtige Stelle.

Nun kam er vor das Schwurgericht und die
Witwe erhielt ein Vierteljahr Gefängnis. Wegen
Meineid und Anstiftung zum Meineid bekam er
zweieinhalb Jahre Zuchthaus, die er in Bruchsal
absitzen mußte, wo er auch starb. Man sagte, er
habe sich aufgehängt.

Deshalb konnte ihm der „Schorsch" auch den
Gruß von der Metzgersfrau nicht mehr bestellen.

Sein Vermögen kam in fremde Hände. Seine
Haushälterin erbte sein Anwesen, aber als einmal
später ein Elsässer nach dem „Hexenbanner"
frug, und ob sie ihn nicht gefürchtet hätte, sagte
sie verächtlich: „Sin Ihr au sone Esel, wu an ihn
glaubt het? 's isch guet, daß er nüt meh astelle
cha. Er het gnueg gmacht in sym Lebe, der alt
Strolch" Damit sprach das Annemei ihm ihr
Urteil, lebte noch lange vergnügt und starb in
hohem Alter. Paula Hollenweger.

Herausgeber: Hebelbund Lörrach und Müllheim (Baden)
Gesamtredaktion: L. Börsig, Müllheim
Verantwortlich für den Lönacher Heimatteil: Max Demmler

Telefon: Lörrach 2900 — Müllheim 358
Anzeigen-Annahme: F. Wolfsberger, Müllheim, Wehrgasse 3
Postscheckkonto 68889 Karlsruhe
Druck: Markgräfler Druckerei, Müllheim (Baden)


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-04/0017