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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-05/0016
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Die Markgrafschaft

der Bahnvorstand erst nach vielen begütigenden
Worten abgehalten werden konnte.

Hältst du dich in den bescheidenen Grenzen
des „Spaziergangs", so haben auch die Gefahrenmomente
,. die jeden Ausflug bedrohen, ihre ärgsten
Schrecken verloren. Man weiß, daß es
Staats- und Rechtsanwälte gibt und das Haftpflichtgesetz
, und — nicht zu vergessen — die
Erziehungsberechtigten! Aber die Werte, die dir
und deinen Buben und Mädchen an dem Tag
zugewachsen sind, wiegen einen unhöflichen
Vaterbrief oder einen beängstigenden Mutterbesuch
oder auch ein kopfschüttelndes Direktorenhaupt
bei weitem auf. Wenn du am Bahnhof
dem letzten deiner Jungen die Hand gegeben
und über das noch heiße Haar gestrichen hast,
dann schick ein kurzes Dankgebet zum Himmel,
und ist ein Wirtshaus am Wege, so trinke im
gleichen Sinn ein Glas, du hast es verdient. Und
wenn vor dem Schlafengehen zum Schrecken
deiner Frau noch ein paar Maikäfer aus deinen
Kleidern surren, so freue dich, denn sie sagen
dir, daß deine Buben dich lieb haben.

Alfred Holler

I$\Z (JcftgebUCt / <3rzät)lung uon ffravi If)rinnct) v. TTcubronner

Als Hans Baumann von einem abendlichen
Rundgang durch die Felder seines Hofes Schwerfeld
zurückkehrte, den er vor einem halben Jahr
übernommen hatte, eilte ihm sein Knecht entgegen
und winkte und rief aufgeregt. Baumann
wußte sogleich, worum es sich handelte. Der
lange erwartete Tag war gekommen; die Kalbin
Patrizia sah ihrer schweren Stunde entgegen. Er
folgte dem Knecht in den Stall. Patrizia war
unruhig. Bald legte sie sich hin, bald wurde sie
von den Wehen hochgerissen. Sie versuchte über
ihre hochgetriebene Flanke zu lecken, blickte
zugleich ängstlich und duldend zu den Männern
und zerrte immer wieder heftig an ihrer Kette,
als wollte sie dem Unabwendbaren noch in letzter
Minute entfliehen.

Dann wischte sie mit ihrer großen, trockenen
Zunge ziellos durch die Futterkrippe, als wollte
sie sich ablenken. Endlich blieb sie ganz ruhig
stehen und ließ sich dann, vor Schreck und
Ungewißheit erschöpft, endgültig in die Streu
fallen. Um sie herrschte die unbekümmerte,
beschauliche Ruhe eines dämmernden Stalles.
Nur zuweilen vernahm man das genießerische
Kauen der Kühe, ihr schlappendes Maulen oder
ihr blasendes Schnaufen. Zuweilen auch klirrten
ihre Ketten oder patschte eine ihren Schweif
gegen ihren weichen Leib.

Nun wurde Patrizia wieder erregt und preßte
stark. Endlich zeigten sich zwei eng zusammengeschlossene
, zierliche Hufe in der bald zerplatzenden
Wasserblase, so als seien sie neugierig
, aber noch keineswegs entschlossen. Sie
verschwanden sogleich wieder in dem ergebenen
Tierleib. Aber es ging gar nicht lange, da stießen
sie ein zweites und dann ein drittes Mal ins
Licht, immer kräftiger und verlangender, als
wüßten sie sehr genau, worauf es im Leben ankommt
, nämlich fest auf den Beinen zu stehen.
Nun zeigte sich auch, daß der eine Huf honig-
farben war, der andere etwas dunkler, als liege
ein Schatten auf ihm. Baumann blickte auf seine
Uhr. Es war Zeit. Er knotete vorsichtig einen
Strick um die Hufe und zog langsam und gleichmäßig
abwärts, der Stallgasse zu, bis die Beine
mit dem darauf geschmiegten Gesicht und dann
der ganze Körper des schönen, rotgefleckten
Kuhkalbs mit pinem mutigen Kopfsprung in das
Stroh und damit in das Erdendasein glitt.
Schnell entfernte er den Schleim aus dem weichen
Kälbermaul, während der Knecht die Weisung
erhielt, das Jodfläschchen zu holen, damit
der Nabel desinfiziert werden konnte. Die Männer
sprachen der Kalbin gut zu, bis sie aufstand
und sie ihr das Kälbchen zum ablecken vorlegen
konnten. Patrizia vollzog das mütterliche Geschäft
mit aller Sorgfalt. Danach trug Baumann
den ersten Stallzuwachs stolz in die mit Stroh
ausgepolsterte Kälberbucht. Pätrizia muhte sofort
nach ihrem Kind. Der Bauer klopfte ihr beruhigend
auf die Hinterhand und sagte: „Deiner
Tochter wird nichts abgehen, sie soll Prima
heißen, die Erste. Möge sie dem Stall viel Glück
bringen. Du hast deine Sache brav gemacht".

In der Folgezeit wurde Prima der erklärte
Liebling des Hofes. Ihr galt des Bauern erster
und letzter Blick im Stall und sie dankte es ihm
durch muntere Wüchsigkeit. Selbst die alte Magd
Berta bewunderte sie in den gebührlichen Grenzen
: „Schließlich", so meinte sie, „bleibt Kalb
Kalb, und man hat gar keinen Grund vernarrt
zu sein, ehe solch ein Stückle groß ist und Milch
gibt, und bis dahin vergehen noch drei Jahre.
Freilich tadeln will ich nichts daran". Prima behielt
auch zukünftig ihre Vorzugsstellung, auch
als sich weitere Kälber einfanden, denn sie war
nun einmal die glückliche Erstgeburt und mit
ihr begann der Aufstieg der Schwerfelder Zucht.

/77ol)ann fleter f)ebel7/

Den Namen trägst von deinem Paten du.
Gott legte dir die Eigenschaften zu.

Nach welchem Johann hat man dich benannt?
Du bist dem Magier Faust ja nicht verwandt.

Die Mutter wüßt es nach zwei Jahr'n bereits:
Du warst mit ihr Johannes unterm Kreuz.

Als „Petrus" schrieb man dich ins Schulbuch ein.
Du solltest auch der andre Jünger sein.

Auch deine Zeit bracht' Christus vor Gericht.
Du standst im Hof, verleugnet hast du nicht.

Der Vater, der den Namen: Hebel lieh,
der heit're Pfälzer starb dir allzu früh.

Du wardst der alemann'schen Mutter Kind.
Bedächt'ge Schwere ist dein Angebind'.

Als Dichter doch dienst du als Hebel gut:
Du hebst in frohes Licht das träge Blut.

Darum — was sinn' und rat' und red' ich lang?
„Hanspeter Hebel" — das hat vollen Klang.

Und müßig ist, daß dich mein Liedlein preist.
Wir wissen wie du heißt und was das heißt.

Richard Nutzinger


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