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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-06/0004
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Die Markgrafschaft

6in gans trefflicher Wann

Kein Geringerer als Goethe selbst hat diese
Beurteilung über unsern Dichter abgegeben:
„Hebel ist ein ganz trefflicher Mann". Mit diesem
Satz sagt er ja nichts über Hebels Dichtung
aus, sondern charakterisiert treffend die Persönlichkeit
selbst. Das Eigenartige ist dabei, daß
Goethe diese Behauptung nicht etwa erst auf
Grund der persönlichen Bekanntschaft mit Hebel
aufstellte, die im Jahre 1815 erfolgte, und wir
wissen, daß der Alte von Weimar dies sein
günstiges „Vorurteil" nicht auf diese Begegnung
hin zu revidieren brauchte, sondern sich sehr
beglückt darüber ausspricht, daß er damals unter
anderen bedeutenden Persönlichkeiten in Karlsruhe
auch Hebel kennen gelernt habe. Goethe
hat also von den Gedichten auf den Dichter,
von den Werken auf den Schöpfer den
Schluß gezogen, daß er es da mit einem „ganz
trefflichen Mann" zu tun habe. Dieser Rückschluß
kann ja ein sehr trügerischer sein; denn für die
große Mehrheit der Dichter trifft ja wohl die
allgemein gemachte Feststellung zu, daß es besser
sei, den Poeten nicht persönlich kennen zu
lernen, denn er enttäusche meistens, weil er dem
Bild, das man sich von ihm aus seinen Dichtungen
her gemacht hat, nicht entspreche. Goethe
hält also bei Hebel mit Recht eine solche Enttäuschung
von vorneherein für ausgeschlossen,
denn er ist ihm eben ein „ganz trefflicher Mann"
— und das heißt doch wohl: bei Hebel treffen
Werk und Wesen ganz zusammen, decken sich in
völliger Übereinstimmung. Das hat ein so großer
Menschenkenner wie Goethe sehr klar herausgefühlt
.

Und dies Urteil soll wohl auch bedeuten:
Hebel ist ein ganz vor trefflicher Mann, also ein
Mensch, den man von vorneherein antrifft als
einen hervorragenden Charakter, einer, den man
sich nicht anders vorstellen kann und der darum
nie enttäuschen wird. Und „vortrefflich" heißt
doch auch im eigentlichen Sinn des Wortes ein
Mensch, der schon vorher den Augenblick, die
Lebenslage getroffen hat, die wir andern Sterblichen
erst nacherleben, aber in der Spur des
Dichters tiefer und mit froher Zustimmung erleben
. Das ist ja Goethe selbst so ergangen,, wenn
er in „Dichtung und Wahrheit" durch den schönen
Sonntagmorgen, an dem er zu Friedericke
Brion nach Seesenheim hinausritt, sich an Hebels
„Sonntagsfrühe" erinnert fühlt. Und wie oft geht
es uns Hebelfreunden auch so, daß wir ganz von
selbst Hebel zitieren in einer beglückenden
Stunde und auf der Fährte seines Erlebens
unseres Augenblicks froh werden.

So heißt schließlich „ganz trefflich" auch:
ganz treffsicher. Und das ist ja im Grunde, was
den Dichter ausmacht, daß er mit seinem Wort
sicher das trifft, was er meint und daß er sich so
auszudrücken versteht, daß er auch den Leser
trifft, ihn zu packen versteht und ihm etwas zu
sagen hat und jeden Menschen mit seinem Anspruch
anspricht. Und wer könnte das bei unserm
Hebel leugnen? Mit einer Treffsicherheit ohnegleichen
hat er damals sein alemannisches Volk
angesprochen und spricht es heute noch an —,
und uns ist, als rede er uns aus dem Herzen.

Und endlich: Goethe nennt ihn einen „Mann",
und das will doch gewiß wiederum heißen: ein
ganzer Mann, eine in sich geschlossene Persönlichkeit
. Es gilt für ihn das Wort Hamlets über
seinen Vater:

„Er war ein Mann, nehmt alles nur in allem,
ihr werdet nimmer seinesgleichen seh'n". —

Oder haben wir doch gerade in der Gegenwart
noch einmal seinesgleichen gesehen in
Albert Schweitzer, bei dem auch Wesen und
Werk eine Einheit bilden? So verschieden Hebel
und Schweitzer in ihrem Werdegang und ihrem
Wirken sind, verwandt sind sie in der Ganzheit
ihrer Menschengüte und ihrer ehrfürchtigen
Lebensanschauung. Und rein als Mensch genommen
, verdient Albert Schweitzer gewiß am ehesten
den Hebelpreis. Das haben wir ihm auch
gesagt, als er meinte, er sei, da er nie ein alemannisches
Gedicht zuwegegebracht habe, des
Preises unwürdig.

Wir dürfen uns schon rühmen, in Hebel
einen Dichter zu haben, der auch Mensch ist,
einen Menschen zu haben, der auch Dichter ist,
weil sich in seiner Person Dichtung zur Wahrheit,
Wahrheit zur Dichtung verdichtet hat — und
diese Dichter sind selten. Darum rangiert er, obwohl
er nur verhältnismäßig Weniges geschaffen
hat, in der Tat unter den größten Dichtern unseres
Volkes, denn bei ihm trifft Werk und Wesen,
Schaffen und Schöpfer, Wort und Künder zusammen
, ihn treffen wir immer vorne an — und
er trifft uns sicher mit seinem Wort, und das
macht ihn uns unsterblich. Wahrlich, er ist in des
Wortes weitester und tiefster Bedeutung „ein
ganz trefflicher Mann".

Richard Nutzinger

W\t man am 2£armtjer?igPeit raffert wkb

In eine Barbierstube kommt ein armer Mann
mit einem starken, schwarzen Bart, und statt
eines Stücklein Brotes bittet er, der Meister soll
so gut sein und ihm den Bart abnehmen um
Gottes willen, daß er doch auch wieder aussehe
wie ein Christ. Der Meister nimmt das schlechteste
Messer, wo er hat, denn er dachte: Was soll
ich ein gutes daran stumpfhacken für nichts und
wieder nichts? Während er an dem armen Teufel
hackt und schabt, und er darf nichts sagen, weil's
ihm der Schinder umsonst tut, heult der Hund
auf dem Hof. Der Meister sagt: „Was fehlt dem
Mopper, daß er so winselt und heult?" Der
Christoph sagt: „Ich weiß nicht". Der Hans Frieder
sagt: „Ich weiß auch nicht". Der arme Teufel
unter dem Messer aber sagt: „Er wird vermutlich
auch um Gottes willen halbiert wie ich". j.p.h.


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