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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-06/0014
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Die Markgrafschaft

Vierteljahresverdienst von ca. 25 Mark. Erwähnt
sei noch, daß diese Löhne bezahlt wurden für
eine durchschnittliche Arbeitsleistung von 16 bis
18 Stunden täglich. Und solche Löhne bezahlten
Leute, denen zum Teil Millionen zur Verfügung
standen und die allmorgentlich einen Zinsgewinn
von Hunderten von Mark in ihren Beutel strichen
, den Gewinn nicht eingerechnet, der ihnen
täglich durch die Sklavenarbeit ihrer Knechte,
Mägde und Taglöhnern zufloß.

Dabei war der Lebensunterhalt, gemessen am
Verdienst des Arbeitnehmers, wahrhaft teuer.
Ein Laib Brot kostete in den Achtziger] ahren
23 Pfennig; für den Liter Milch bezahlte man
18 Pfennig, das Pfund Rindfleisch kostete 82
Pfennig, für ein Pfund Butter bezahlte der
Verbraucher 82—83 Pfennig, ein Ei kostete
6 Pfennig.

Eine vier- bis fünfköpfige Taglöhnerfamilie
mußte täglich allein für Brot und Milch einen
ganzen Tagesverdienst des Vaters hinlegen. An
Fleisch, Butter und andere Ding, die wir heute
ohne Aufhebens zur täglichen Nahrung rechnen,
durfte ein Familienvater, eine Mutter, nur an
hohen Festen denken. Gelegentliche Geschenke
zu Weihnachten etc. mochten die Härte des
Loses einer solchen Familie noch ein klein, wenig
erleichtert haben.

Dazu kam noch die „Not" der Standesvorurteile
und -unterschiede, die das Leben
weiter erschwerten.

Wie zum Beispiel die Mägde zur Arbeit angehalten
wurden, sei am nachstehenden Beispiel
gezeigt:

Die Jungfer Katharina S. (der Schreiber hat
sie noch gekannt) diente jahrelang bei einer
Familie B. Ihr Stübchen lag über dem ihrer
Herrin. Zogen die Wintermonate ins Land, wurden
alsbald die Spinnräder hervorgeholt und
fleißig gesponnen, was der Segen des Hofes ihnen
zum Spinnen zuwies. Katharina S. mußte in dieser
Zeit täglich um 2 Uhr nachts aufstehen, um
die Arbeit des Spinnens zu verrichten. Damit sie
jedoch der Schlaf nicht zu sehr festhielt und sie
die Zeit des Aufstehens nicht versäumte, gebot
ihre Herrin, daß sie eine Schnur an ihrem Fuße
befestigte, die durch die Decke geleitet, der
Herrin als Wecker für die Magd diente.

Bei den Knechten wird es nicht besser ausgesehen
haben. Ausnahmen bestätigen auch hier
die Regel.

Wenige reiche Familien gaben den Ton an
und regierten in der Gemeinde. Allein das Gewicht
des Geldes war entscheidend bei der Wahl
der Gemeinderäte. Jene Kreise sind es auch
gewesen, die einer Industrie - Ansiedlung hartnäckig
entgegenwirkten, weil sie mit Recht
fürchteten, daß sich dann niemand mehr für
Fron- und Sklavendienste finden ließe.

So sah die gute alte Zeit von der sozialen
Seite gesehen aus. Wir wollen doch herzlich froh
sein, daß sie vorüber, endgültig vorüber ist. w.

<5m offener 3rtef

Liebe Freunde von Heimat und Volksleben!

Wir glauben es Euch und wissen Euch Dank
dafür, daß Ihr es ernst nehmt mit der Erhaltung
der Trachten und Sitten. Und da Ihr so allerhand
an Entstellung und Entartung in Film' und Bühne
erlebt, so ist Euer wachsames Auge schon gut
und ein mahnendes Wort wohl bisweilen nötig.
Aber wir vom Hebelbund haben nun eine Bitte
an Euch: Seht das engere Heimatland unseres
J. P. Hebel mit dem Ernst an, der dem Gau und
seinem Dichter gebührt. Wir haben in Hebel
schon einen guten Wächter über Tracht, Sitte
und Volkstum. Gewiß, es ist uns bekannt, daß
gerade die Markgräfler Tracht mit am meisten
im Schwinden begriffen ist. Wer sie aber noch
trägt, der nimmt sie ernst und will ernst genommen
sein.

Und wenn nun einmal im Wiesental eine
„Hochzeit in Häfnet Buck" gehalten, wird, veranstaltet
vom Schwarzwaldverein, und der Hebelbund
Lörrach und Steinen schickt seine Vreneli
und Hanseli dazu, dann wissen wir, daß da kein
Unfug getrieben wird. Denn einmal ist ja dieser
Häfnetbuck schon von vorneherein ein durch
Hebel sozusagen sanktionierter Ort, und sodann
sind die Männer, die diese Hochzeit veranstalten,
für uns Garanten dafür, daß da mit Trachten und
Gebräuchen kein Schindluder getrieben wird.
Der Bürgermeister mit der Amtskette war nämlich
der Hebelvogt von Steinen in eigener Person
, und als mitverantwortlich zeichnete Herr

Hauptlehrer Bühler, ein naher Verwandter des
vor zwei Jahren verstorbenen Kunstmalers Professor
E. A. Bühler, der auch die Schülerchöre
mit Liedern von Hebel und Burte an den Hebeltagen
einübt und dirigiert. Wir müssen uns
schon schützend vor diese Männer stellen, denen
die Erhaltung der Trachten sehr am Herzen liegt.
Jagt uns also nicht mehr den Polizeichef des
Landratsamtes auf den Hals, wenn Ihr wieder
einmal etwas hört von einem Trachtenfest im
Wiesental. Das ist schon unsere Domäne.

Und auch alles, was unsern Hebel angeht.
Was Ihr da in Eurem letzten Mitteilungsblatt
über Hebel am Bodensee gebracht habt, finden
wir — gelinde gesagt — nicht gerade glücklich
und gut.

Im; übrigen kennen wir uns doch — sogar verwandtschaftlich
— und von manchem Hebelumzug
her, und wir meinen, Ihr dürft doch ein
wenig mehr Vertrauen zu uns haben, daß wir
es mit den Trachten unseres Oberlandes schon
richtig machen. Und jetzt nüt für unguet! —
In einem Jahr, nachdem in diesem Jahr der
Stuttgarter Trachtentag und unser Hebeltag zusammenfielen
, haben wir unser zehnjähriges
Hebelbund-Jubiläum und da hoffen wir, Euch
auch wieder bei uns in Lörrach zu sehen mit
Trachten aus dem Schwarzwald!

Herzlich Euch verbunden

Euer Hebelbund Lörrach


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