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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-06/0018
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Die Markgrafschaft

Dem het sicher 's Tubakspfiffli nit recht
schmecke möge!

Das het wohl der Hebel au denkt. Er het gseh,
daß im Bur 's Tubakspfiffli immer no am beschte
schmecke mag, wil er mit der Natur un der
Schöpfig am engste Füehlig het un wil er sich
freut am Wachse un Blüeihe un Riife in der
Natur un wil er das Glück vum Familielebe
immer no gschätzt un heilig ghalte het.

Drum het der Hebel grad im Landmann das
wunderschön Gedicht gwidmet, das so recht e Bild
us jener Zyt isch un üs e tiefi Lehr sy cha. —

Alle baten nun den Hannes, doch das Gedicht
vom zufriedenen Landmann noch einmal vorzutragen
, und er tat es so schlicht und schön, daß
es zu einem Erlebnis wurde.

Karl Mink, Tannenkirch

jöas 'Ftäbtfjen Öuptjrolme

Euphrosine ist ein seltener Name im Mark-
gräflerland. Aber es gab wirklich einmal ein
Mädchen Euphrosine, die eine Stelle suchte und
fand — in einem bekannten Gasthof des Kurortes
. Es war zu Beginn des ersten Weltkrieges.
Der Gasthofbesitzer hatte die löbliche Gewohnheit
, jeden Morgen Thermalwasser zu trinken
und schickte die unerfahrene Euphrosine mit
einer Flasche zum nächsten Brunnen. Das Mädchen
füllte die Flasche; sie fühlte sich ganz warm
an. Aber der Prinzipal wollte doch gewiß einen
frischen, kühlen Trunk, dachte das besorgte
Mädchen. Es entleerte die Flasche, füllte sie wieder
und wieder, immer war der Inhalt warm.
Besorgt eilte sie nach Hause und entschuldigte
sich: das Wasser lauft immer ganz warm!

Euphrosine war nicht flink. Einmal sollte sie
einem Kurgast das Gepäck zur Bahn bringen
und hat's vergessen. Der Herr war schon unten
am -„Bahnhöfle" und telefonierte ungeduldig nach
seinem Koffer. Das Mädchen bekam Vorwürfe,
holte das Gepäck aus dem Zimmer und eilte zum
Bahnhof. Als sie die Gaststube passierte, rief sie:
„Jetz hänn er mi au emol renne seh!"

Die Offiziere der nahen Garnison liebten den
„Markgräfler", waren ihn aber nicht gewöhnt.
Besonders schlimm wirkte auf ihren Organismus
der Kirsch, den sie auch noch, tranken. Nun wollten
sie aufbrechen; V. v. Scheffel würde sagen,

sie erhoben sich „stolpernd und holpernd vom
Wein". Sie erreichten glücklich die Straße und
entschwanden den Blicken der besorgten Gastgeber
. Plötzlich kam Euphrosine und meldete:
„so hinte lit au no ein". Wahrhaftig, unweit eines
Ortes, den man selten nennt, lag ein Hauptmann
in seliger Ruhe. Euphrosine war nicht groß, aber
tapfer und stark. Sie sagte: „i füehr en abe". Sie
richtete den Offizier auf und schob ihn vor sich
her, auf der Treppe bot sie ihm ihren runden
Arm und entschwand ebenfalls mit ihm. Bald
darauf kam sie wieder und meldete in ihrer
trockenen Art: „die andere sin no im Kurpark
gschtande un hän gsunge; i ha-n-en derzue
gschtellt".

Ein Stammgast hieß Keller; er schob einmal
unter den ausgestopften Auerhahn ein ausgeblasenes
Ei und wollte unserer Euphrosine vormachen
, der Auerhahn habe ein Ei gelegt. Das
Mädchen dachte angestrengt über diesen Vorgang
nach, meinte aber endlich: „'s isch jo e Männli,
das cha keini Eier lege!"

Im Garnisonstädtchen drunten heulte die
Sirene und damals schon, im ersten Weltkrieg,
hatten die Hausbesitzer Anweisung, bei Fliegergefahr
ihre Keller offen zu halten. Kam ein
ängstlicher Kurgast hereingestürzt und rief:
„Wo ist der Keller?" Euphrosine sprach seelenruhig
: „der chunnt erseht am sexi zuem Dämmer-
schoppe!" Sch.

Einst im strengen Winter, an einem Sonntag abend,
fuhr eine fremde, wunderschöne Frau den Schliengener
Berg hinauf, und als auf einmal die Pferde stillstanden,
waren sie auch klüger als ein Bauersmann, der vor ihnen
mitten im Weg und im Schnee lag und schlief. Denn die
Pferde hatten nur Haber im Leib, aber der Bauersmann
Branntwein und kam von unten herauf, wollte nach
Kandern gehen, verfehlte aber in Schlierigen den Rank.
Die wunderschöne Frau ließ ihn wecken. „Fehlt Euch
etwas, guter Mann, oder seid Ihr sonst in den Schnee
gefallen?" — „Nein", stammelte der Bauersmann, „da
ist mir eine schwarze Katze mit feurigen Augen vor
meinen Augen herumgefackelt und hat mich irregeführt
und schlaftrunken gemacht, und wenn ich weiß, wo ich
bin, — so weiß es" — das Kind im Mutterleib, wollte
er etwa sagen, aber er brachte es nicht heraus. — „Ihr
seid betrunken, guter Mann, und wenn Ihr hier liegen
bleibt, müßt Ihr erfrieren". — „Wenri ich betrunken bin",
fragte er, „habt Ihr mir den Rausch bezahlt, oder hab'
ich ihn bezahlt, oder bin ich ihn nicht vielmehr noch
schuldig?" Als aber die Frau, so freundlich sie ist und
sein kann, ihm (zuredete, vornen auf den Bock zu sitzen
bis zum nächsten Ort, — „Bock sitzen?" dachte
er in seinem erschrecklichen Rausch und fing auf einmal
an, aus einem andern Ton zu sprechen. „Ihr seid die

schwarze Katze und habt Euch in eine heidnische
Prinzessin verwandelt. Um Gottes wülen, verschont mich
nur diesmal!" Denn er dachte an einen andern Bock, auf
dem die Hexen reiten, und jetz geh' es zum Pech- und
Schwefel-Brünnlein, und nicht zur Kalten Herberge, die
auf dem Schliengener Berg steht, sondern zur heißen.
In seinem Leben wolle er keinen Rausch mehr trinken.
Allein das half alles nichts, sondern der Kutscher, der
Postillion von Müllheim, band ihn auf den Bock. Und
so fuhr er mausstill und in ängstlicher Erwartung seines
Schicksals mit bis zur Station. Auf der Station aber, auf
Kaltenheriberge, legten ihn die Postknechte in einen
warmen Kuhstall und ließen ihn seinen Rausch dort
ausschlafen. Aber noch bis auf diese Stunde glaubt der
Mann, er sei verhext und bezaubert gewesen, .und hat
seitdem keinen Rausch mehr getrunken, ausgenommen
an den Werktagen. J.P.Hebel

Herausgeber: Hebelbund Lörrach und Müllheim (Baden)
Gesamtredaktion: L. Börsig, Müllheim
Verantwortlich für den Lörracher Heimatteil: Max Demmler

Telefon: Lörrach 2900 — Müllheim 358
Anzeigen-Annahme: F. Wolfsberger, Müllheim, Wehrgasse 3
Postscheckkonto 68889 Karlsruhe
Druck: Markgräfler Druckerei, Müllheim (Baden)


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