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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-07/0004
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Die Markgrafschaft

7ot)cmn dafimk Oins (1749-1828)

Ein Zeitgenosse Johann Peter Hebels

Wenn in diesen Tagen der junge Hans Ginz
in der rußig - ehrwürdigen Schlosserwerkstätte
seiner Vorfahren zum Hammer greift und damit
das Geschäft seines verstorbenen Vaters wieder
übernimmt, so ist es wohl angebracht, etwas
über das alte Lörracher Geschlecht der Ginz zu
berichten.

Nach Karl Herbsters Klassifizierung der Ur-,
Alt- und Neu-Lörracher, zählen die Ginz zu den
Alt-Lörrachern, deren Vorfahren auf dem zweiten
Lörracher Friedhof, dem heutigen Hebelpark,
ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Dort liegt
auch der Stammvater der Lörracher Ginz begraben
, der zu seiner Zeit stadtbekannte Johann
Casimir Ginz, von dem heute die Rede sein soll.

Johann Casimir Ginz wurde 1749 in Obermoschel
im Herzogtum Zweibrücken geboren. Er
erlernte das Küferhandwerk und auf der Wanderschaft
, die ihn durch die deutschen Lande
führte, wurde ihm Lörrach, „das ordelig Städtli
mit sine Fenstre und Gible" zum Sdücksal. Im
„Wilden Mann", wo er als Küfer und Kellermeister
arbeitete, lernte er in der jung verwitweten
Wirtin seine Lebensgefährtin kennen.
Am 30. 9. 1777 vermählte er sich mit „Augusta
Sibylla gebohrene Vest, weyland Georg Albrecht
Weimers gewesene Kiefers- und Wildenmanns-
wirth dahier hinterlassene Wittwe". Als neuer
Wildermannswirt wurde er im damaligen ländlichen
Lörrach, das etwa 1800 Seelen zählte, eine
bekannte und angesehene Persönlichkeit. Es ist
uns überliefert, daß sich Johann Peter Hebel, der
von Hertingen in die Oberamtsstadt Lörrach versetzt
wurde, manches Vierteli „vom Guete" von
Johann Casimir kredenzen ließ und daß er dem
originellen Manne wohlgeneigt war. So schrieb
er von einer Rheinreise, die er 1794 unternahm,
seiner Gustave Fecht ins Weiler Pfarrhaus:

„Gegen Bingen über ging's einen hohen, hohen
Berg hinauf nach einem englischen Garten. Hätte
die Gegend mehr Abwechslung, so könnte die
Aussicht so schön als die Tüllinger sein. Segne
Gott mein Tüllingen und Weil unten dran zwiefach
und zehnfach.

In Obermoschel kroch ich in die Quecksilberbergwerke
... Im Städtchen selbst begegnete mir
etwas Artiges, wo ich ein Glas Bier trank. Es war
mir, als ob ich in des G i n z e n Heimat sein
müßte, fragte also die Wirtin, ob wohl nicht ein
Casimir Ginz hier zu Hause sei. I, sagte die
Wirtin, das ist seine Mutter dort am Ofen und
eich sein des Casimir Gschwei (Schwägerin). Ich
sagte natürlich den guten Leuten nicht, daß ich
schon drei Jahre von Lörrach weg sei, versicherte
die alte Mutter, daß sich ihr Sohn wohlbefinde,
empfing viele Grüße, die auch schon ausgerichtet
sind".

Auch Eduard Kaiser, der unvergessene
Lörracher Arzt (1813—1903) übermittelt uns in
seinem Werk „Aus alten Tagen — Lebenserinnerungen
eines Markgräflers" eine köstliche Geschichte
, die sich in der hiesigen alten Stadtkirche
zutrug und deren Hauptperson wiederum Johann
Casimir Ginz ist. Hören wir, was uns Eduard
Kaiser erzählt:

„Schon früher, aber damals vor dem Altare,
mußte es unser Spezial Greuel erleben. Es sollte
nämlich ein Kind in der Kirche die öffentliche
Taufe empfangen, und die Paten samt Hebamme
und dem geschmückten kleinen Heiden standen
in Reihe und Glied vor dem Taufbecken aufgestellt
wie es Brauch war; aber der eine Pate, ein
Brauer und hiesiger Bierwirt, aus dem Darmstädtischen
nach Lörrach eingewandert, auf seinen
Reisen als Brauknecht zu einer Art Freidenker
geworden, durchbrach alles Herkommen,
wie man gleich hören soll. Nach der damaligen
Agende wurden den Paten unter anderen Sachen
auch die Frage vom Geistlichen vorgelesen:
„Widersagst Du auch dem Teufel und allen seinen
Werken?'1 Hierauf hatten nun sämtliche
Paten die unverklauselte Antwort zu geben: „Ja".
Dann erst konnte das Kind über das Taufbecken
gehalten werden usw. Als nun diese Frage dem
freigeistigen Brauer ans Herz gelegt wurde von
dem alten Spezial, bekam er statt des gewohnten
„Ja" angesichts aller Versammelten zu hören:
„Herr Spezial, ich glaube keinen Deifel nich!"
Der Spezial samt Gemeinde waren wie auf den
Kopf gestellt, das Kind wurde den Armen des
Brauers durch die Hebamme enthoben und einem
gottesfürchtigeren Paten überantwortet. Der
Brauer aber blieb bei seinem „Deifel nich" und
das Wort ging nie mehr unter in Lörrach. Man
hört es hier noch öfter zitieren".

Johann Casimir Ginz, der Erste in der langen
Reihe der Lörracher Ginz, starb am 5. 12. 1828 im
Alter von 79 Jahren. Die Stelle, wo seine Gebeine
ruhen, ist uns überliefert worden: nur wenige
Schritte nördlich des Denkmales seines berühmten
Zeitgenossen und Gastes Johann Peter Hebel,
der ihm zwei Jahre im Tode vorausging.

Johann Casimir Ginz hinterließ Söhne und
Töchter, die sein Geschlecht bis in unsere Tage
erhalten hatten. Sein Nachkomme, der allen
Lörrachern noch so bekannte „Ginze-Robbi",
führte das Geschlecht« der Ginz zu neuer Blüte.
Ein wahrer Meister seines ehrsamen Schlosserhandwerks
, ein feinsinniger Künstler, ein echter
Markgräfler von urwüchsigem Schrot und Korn,
ein Meisterschütze in der Lörracher Schützengesellschaft
, ein edler Mensch. Er starb 1946,
nachdem sein ältester Sohn Robert im Kriege
gefallen und Hans, sein Jüngster, in Kurland vermißt
war. Er durfte es nicht mehr erleben, daß
Hans aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte
und heute im Begriffe steht, das Erbe
seines Vaters, das Werk seiner Vorfahren zu
übernehmen.

Wir wünschen Hans Ginz, dem letzten
Namensträger, daß sein Geschlecht noch lange
blühen und gedeihen möge zum Wohle unserer
geliebten Heimatstadt Lörrach. Walter Jung


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