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Die Markgrafschaft 11
jözv flöübapfelbaum
Sie war Vaters älteste Schwester und hatte berge heimisch gemacht, nebenher ihre Mädcheneinen
ganz alltäglichen Namen. Ich habe sie liebe einem jungen Steiger geschenkt, bis das
Euphrosyne, die Frohgemute, genannt, und der Glück der beiden ein leidvolles Ende genommen,
geneigte Leser mag acht haben, ob sie dem als man ihren Verlobten nach einem Strecken-
Namen Ehre macht. bruch tot aus der Grube trug.
Einen Teil des Jahres verbrachte sie immer Nun war Euphrosyne allein geblieben, doch
weit draußen im Vaterland, wo sie ihrem Beruf mochte sie nichts von Einsamsein wissen, da
als Pflegerin von Gebresthaften und Wöchnerin- nach ihrem Dafürhalten nur der im Leben ein-
nen nachging. Uns Kindern fiel dann während sam war, dem ein noch härteres Geschick die
ihrer Abwesenheit die Aufgabe zu, ihre Fuchsien Liebe zum Dienen versagte.
und Geranien und das fleißige Lieschen in ihrem In die entferntesten Gregenden des Vaterlan-
Giebelstübchen zu begießen, das ihr im Hause des führte sie ihr neuer Beruf, und da ihre
eingerichtet war. Gewissenhaftigkeit von Mund zu Mund ging, so
Alte Sägemühle in Niederweiler Aufn.: Jda Preusdi
Euphrosynens Giebelstübchen war ganz der
Ausdruck ihres sonnenhellen Gemütes, die Tür,
im Gegensatz zu allen anderen Türen im Hause,
war weiß gestrichen. Bild und Tapete, sowie die
einfachen Möbel, waren bei all ihrer Schlichtheit
aufeinander abgestimmt. Aus dem braunen Gehäuse
einer Schwarzwalduhr rief mit warmer
Stimme der Kuckuck. Fast durchsichtig, wie aus
Glas gemacht, erschienen die Dinge, von denen
jedes ein heimliches Sonnehmal ihrer Besitzerin
an sich hatte.
Auf dem schmalen Bücherschäftchen über dem
ockerfarbenen Sofa stand neben Jung Stillings
Lebensgeschichte und der Nachfolge Christi das
Schatzkästlein Johann Peter Hebels, mit den Geschichten
vom Zundelfrieder, dem Kanitverstan
und dem geheilten Patienten darin, die uns Kindern
alle aus Euphrosynens Mund liebe Bekannte
waren.
In jüngeren Jahren hatte sie in der Grubenkantine
die Küche versehen und den fremden
Bergleuten, die ohne Zuhause waren, die Herbrauchte
ihre Kraft nie brach zu liegen. Sie versah
Wöchnerinnen und Gebresthafte mit der
gleichen Hingabe und Selbstverleugnung. Ihre
Pfleglinge nannte sie, ob groß oder klein, arm
oder reich, ihre lieben Kinder, und ihr allezeit
sonniges Gemüt war noch eine zusätzliche Pflege-
und Heilhilfe von besonderer Art.
In den kurzen Pausen zwischen den Aufenthalten
in der Fremde war sie in ihrem Giebelstübchen
daheim. Am liebsten richtete sie ihre
Tätigkeit so ein, daß ihre Anwesenheit im Dorf
in die Zeiten der Baumblüte oder des Nachsommers
fiel, die sie die schönsten dünkten im
Jahreslauf.
Und nicht nur im Haus, im ganzen Dorf
wehte ein freundlicher Geist, sobald Euphrosyne
mit ihrem gelben Strohkoffer eingekehrt war.
Wer ein Gebresten hatte, der kam oder schickte
zu ihr. In alle Wiegen im Dorf mußte sie einmal
hineingeblickt haben, als tue sie einen heimlichen
Segen dazu. Hier galt es, einer Magd ein lästiges
Uberbein abzubinden, dort einer Bauersfrau ^in
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